Projekt 23649/01

Konzept zur Weichholzauen-Entwicklung als Beitrag zum naturverträglichen Hochwasserschutz an Bundeswasserstraßen

Projektträger

Philipps-Universität MarburgFachbereich BiologieAG Naturschutzbiologie
Karl-von-Frisch-Str. 8
35032 Marburg
Telefon: 06421/2822434

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Eine zentrale Frage beim Vorlandmanagement unserer Flüsse beschäftigt seit Jahren Natur- und Hochwasserschutz gleichermaßen und wird häufig als Konflikt wahrgenommen: Auwaldentwicklung und Hochwasserschutz - Wie passt das zusammen? Auf der einen Seite ist unzweifelhaft, dass durch die bisherige Nutzung Auwälder auf ein Minimum reduziert wurden. Ihre Gefährdung und ihre Schutzbedürftigkeit stehen außer Frage und auf Basis verschiedener nationaler und internationaler Richtlinien und Gesetze wird versucht, Auwälder wieder zu etablieren. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass Gehölzbewuchs, an falscher Stelle platziert, die Hochwassergefahr verschärfen kann. Vor dem Hintergrund der dramatischen Hochwasserereignisse der letzten Jahre werden daher Planungen zur Auwaldregeneration häufig kritisch gesehen. An dieser Stelle setzte das interdisziplinäre Projekt KoWeB - Konzept zur Weichholzauen-Etablierung an Bundeswasserstraßen als Beitrag zum naturverträglichen Hochwasserschutz an, das zum Ziel hatte, einen Lösungsweg zu erarbeiten, der den Belangen von Hochwasser- und Naturschutz an Bundeswasserstraßen Rechnung trägt. Das erarbeitete Konzept kann im Rahmen eines nachhaltigen Flussgebietsmanagements als Instrument zur Auwald-Etablierung eingesetzt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer Ansatz war eine speziell entwickelte, gekoppelte Modellierung: Zur Identifizierung geeigneter Anpflanzungsflächen aus biologischer Sicht wurde eine Habitatprognosemodellierung durchgeführt. Die dabei als geeignet identifizierten Anpflanzungsflächen wurden danach mit Hilfe eines hoch aufgelösten zweidimensionalen hydrodynamisch-numerischen Strömungsmodells (2D-HN-Modell) in verschiedenen Szenarien aus hydraulischer Sicht bewertet. So konnten aus der Kopplung beider Modellansätze diejenigen ökologisch geeigneten Anpflanzungsflächen identifiziert werden, deren Lage und Formgebung hydraulisch günstig sind und die sich im Belastungsfall hochwasserneutral verhalten. Das Verfahren wurde an einem Abschnitt der Elbe angewendet und die Ergebnisse wurden modellhaft durch 5 ha Auwaldpflanzungen umgesetzt. Zusätzliche populationsgenetische Untersuchungen an der Korbweide als Modellart für Weichholzauen wurden mit Hilfe von Mikrosatelliten-Markern durchgeführt und dienten dazu, geeignetes Pflanzmaterial auszuwählen.


Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse im KoWeB-Projekt zeigen auf, dass Auwälder - in geeigneten Auenbereichen platziert - im Einklang mit dem Hochwasserschutz etabliert werden können. Für das Modellgebiet der Elbe konnte dabei ein beträchtliches Weichholzauen-Entwicklungspotenzial ermittelt werden. So ergab sich für zwei Szenarien mit 32 ha und 49 ha zusätzlicher Weichholzaue keine signifikante Wasserspiegellagenerhöhung. Der Vergleich mit dem Referenzzustand zeigte, dass die größte Differenz bei max. 3 bzw. 5 cm lag und lokal begrenzt war. Das hier für Weichholzauenwälder angewendete Verfahren lässt sich auch auf Hartholzauenwälder übertragen, wenn angepasste Habitatprognosemodelle und Widerstandsbeiwerte implementiert werden.
Die Untersuchungen zur populationsgenetischen Struktur der Korb-Weide haben gezeigt, dass eine ausgeprägte klonale Struktur vorliegt, die sich vor allem in den alten Vorderdeichsbeständen manifestiert. Gleichzeitig waren keine negativen Effekte auf die genetische Diversität durch Auenfragmentierung und Isolation der Bestände nachweisbar. Die populationsgenetischen Aspekte waren eine wichtige Hilfestellung für die Auswahl von Material für Pflanzungsmaßnahmen.

Auf Basis dieser Ergebnisse konnten 5 ha Weichholzaue im Projektgebiet gepflanzt werden.

Der entwickelte Leitfaden richtet sich an die Akteure im Flussgebietsmanagement (Download: http://www.uni-marburg.de/fb17/fachgebiete/naturschutz/naturschutzbiologie/praxis/leitfadenkoweb.pdf). Er präsentiert das entwickelte Verfahren zur Identifizierung von ökologisch und hydraulisch geeigneten Bereichen zur Weichholzauen-Entwicklung mit einer genauen Darstellung der eingesetzten Methoden. Am Beispiel des Modellgebietes Rühstädt-Bälower Bogen (Brandenburgische und Sachsen-Anhaltinische Elbaue) werden das Konzept und die Verfahrensschritte anschaulich erläutert. Darüber hinaus findet der Leser konkrete Informationen zum Vorgehen von Weichholzauen-Pflanzungen, die auf genetischen Untersuchungen zur Auswahl geeigneten Pflanzmaterials und den langjährigen Erfahrungen von Auwald-Neuanlagen basieren.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Zu Beginn wurde das Projekt in einer Auftaktveranstaltung den regionalen Akteuren im Projektgebiet erläutert. Durch mehrere Zeitungsartikel (u. a. Frankfurter Rundschau) und durch ein Interview mit dem Deutschlandfunk wurde auch überregional auf das Projekt aufmerksam gemacht. Im Internet präsentiert es sich unter www.weichholzaue.de (bis 2012). Die Ergebnisse wurden auf fünf nationalen und drei internationalen Tagungen präsentiert (z. B. Deutscher Naturschutztag, Jahrestagung Conservation Biology, Society for Ecological Restoration). Insgesamt sind 10 Zeitschriftenartikel entstanden, davon 5 in internationalen Zeitschriften mit Begutachtungsverfahren.
Der Praxis-Leitfaden ist allen relevanten Akteuren und Behörden zugänglich gemacht worden. In einer Abschlussveranstaltung im Projektgebiet haben wir die regionalen Akteure über die Ergebnisse und ihre Umsetzung informiert.


Fazit

In diesem interdisziplinären Projekt mit Ökologen und Wasserbauingenieuren ist es gelungen, Belange des Naturschutzes und Aspekte des Hochwasserschutzes erfolgreich zusammen zu führen. So konnten ökologisch und hydraulisch geeignete Standorte ermittelt werden, die sich für eine Neuanlage von Auwald eignen. Damit ist es möglich, Auwäldern unter gleichzeitiger Gewährleistung der Hochwassersicherheit Raum zu geben. Die Umsetzung solcher Maßnahmen verlangt dabei ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit, eine gute Koordination sowie den politischen Willen von Bund, Ländern und Kommunen, sich auf neue, nachhaltige Wege im Flussgebietsmanagement einzulassen. Der Gewinn ist ein gesicherter Hochwasserschutz bei einer naturnäheren Entwicklung unserer Auenlandschaften. Das im KoWeB-Projekt entwickelte Verfahren kann dabei als Instrument des Auwaldmanagements einen Beitrag zu diesen Zielen leisten.

Übersicht

Fördersumme

351.414,00 €

Förderzeitraum

01.01.2006 - 30.04.2010

Bundesland

Neue Bundesländer

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Neue Bundesländer