Projekt 23037/01

Modellhafte Entwicklung von Fluss begleitendem Sandrasen durch Ziegenbeweidung

Projektträger

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e. V. Landesverband Bremen
Am Dobben 44
28203 Bremen
Telefon: 0421/7900221

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ehemals wurden die Unterläufe der großen norddeutschen Flüsse von Dünen und sandigen Flussinseln begleitet, die sich infolge der Dynamik des Systems regelmäßig neu bildeten. In historischen Zeit wurden Lebensräume mit schütter bewachsenen Sandflächen durch menschliche Nutzung erhalten. Im letzten halben Jahrhundert sind solche Habitate aufgrund der eingeschränkten Flussdynamik zunehmend verloren gegangen. Vorübergehenden Ersatz bilden Spülfelder. Mittlerweile drohen auch diese Sekundärstrukturen durch Sukzession verloren zu gehen. Ein Beispiel dieser Art ist die Lankenauer Weserinsel im Bremer Hafengebiet.

Zielsetzung dieses Projektes war es, mit Hilfe von Ziegenbeweidung auf einer Flussinsel die Sandbiotope zu erhalten und die Gehölzentwicklung auf der Insel zurückzudrängen. Die Folgen der Beweidung auf Vegetation und Fauna sollten wissenschaftlich untersucht werden. Die Nähe zur Großstadt sollte zur Umweltbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. Vorbereitung der Ziegenbeweidung: Einholen von Genehmigungen; Entmüllung; Bau eines
Stalls; Beschaffung geeigneter, Freiland erprobter Tiere (10 Hammel des Zuchtbetriebs Stumpf,
Köln). Untersuchungsdurchgang vor Beweidungsbeginn.
2. Antransport der Tiere per Boot; Etablierungsphase: als Herde zusammenfinden, mit
Lebensraum vertraut machen; Gewöhnung an Betreuer; tierärztliche Kontrollen; Ernährung im
Winter in Freiland.
3. Dauerbetrieb der Freilandbeweidung; fortlaufende Begleituntersuchungen; Bildungsarbeit mit
Schulklassen; Informations- und Öffentlichkeitsarbeit
4. Vorbereitung und Durchführung des Abschlussworkshops, Auswertung der
wissenschaftlichen Untersuchungen, Endberichte der Gutachter, Projektabschlussbericht.
Durchstehen des ersten harten Winters in der Projektlaufzeit; Klärung der Rahmenbedingungen
für die Fortführung des Projektes über März 2009 hinaus.


Ergebnisse und Diskussion

Beweidung:
Die Beweidung mit 10 Ziegen (Hammel) konnte erfolgreich etabliert und über mehr als drei Jahre durchgeführt werden. Anfangsschwierigkeiten im Handling der Tiere sind der Unerfahrenheit der Betreuung geschuldet. Tierverluste sind über den dreijährigen Projektzeitraum weniger als erwartet aufgetreten und waren ausschließlich auf normale Erkrankungen zurückzuführen. Die Tiere haben bei der ganzjährigen Freilandhaltung auch die Winterhalbjahre problemlos überstanden. Dabei erfolgte eine Umstellung der Nahrungsaufnahme hin zu massiv verstärktem Schälen von Gehölzen. Viele Gehölze überleben einmaliges Schälen, verlieren aber an Wuchskraft und gehen bei Wiederholung des Schälens ein. Als Tränke diente in erster Linie die Weser. Der Stall wurde im ersten Jahr gar nicht und in den Folgejahren nur bei starkem Regen genutzt. Eine regelmäßige Lockfütterung mehrmals pro Woche ist notwendig, damit die Tiere für eine veterinärmedizinische Versorgung zugänglich bleiben. Die Sandflächen werden vorwiegend als Ruhe- und Komforträume genutzt, gefressen wird in allen grasigen, Gebüsch- und Gehölz-Bereichen.

Flora/Vegetation:
Untersucht wurde die Flora ganzflächig, die Vegetationsentwicklung auf Probequadraten, die Gehölzentwicklung an Transekten, die Biotoptypen und die optische Veränderung mittels Fotopunkten. Die Sandbiotope konnten erhalten werden, Gehölzbiotope wurden ausgedünnt und wesentlich lückiger, vor allem bis auf Stehhöhe der Ziegen; Einzelbüsche sind weitgehend verschwunden nach wiederholtem Schälen, ruderale Staudenflure sind umgewandelt in Weiderasen. Die Artenzahl hat sich geringfügig erhöht. Landschilf und Brombeere sind nicht weiter in die Sandrasen vorgedrungen.

Fauna:
Überraschend war eine deutliche Verringerung der Dichten von Laufkäfern (Bodenfallen und Handfänge) und Heuschrecken (akustische und Sichterfassungen) der Sandbiotope. Die Aktivitätsdichte der Ziegen war für viele dieser Arten offenbar zu hoch. Demgegenüber haben Arten wie Spinnen und kotfressende Käfer (Bodenfallen) Zunahmen zu verzeichnen. Die ohnehin spärlichen Vorkommen selbst eurytoper Falter (Sichtkontrollen) und bodenbrütender Vogelarten (Revierkartierung) blieben konstant niedrig. Der mehrjährige Bruterfolg von Austernfischern zeigt jedoch, dass erfolgreiche Reproduktion und Ziegenbeweidung nebeneinander möglich sind.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Jährlich wurden mehrere Schulklassen mit dem Boot zur Insel übergesetzt und konnten im Freiland die Lebensweise und Wirkung der Ziegen erleben. Die Ausflüge waren jeweils in den aktuellen Unterrichtsstoff eingebunden. Mehrere Fachexkursionen und Vorträge dienten dazu, den Erfahrungsaustausch zwischen regionalen Naturschutzakteuren über Beweidung als Erhaltungsmaßnahme für Magerbiotope anzustoßen. Höhepunkt der Bemühungen und zugleich Abschluss des Projektes war der Workshop Bewegung im Sand in der Hochschule Bremen (Jan. 09).
Über das Projekt wurde regelmäßig in der Presse berichtet, mehrere Fernsehbeiträge wurden ausgestrahlt. In Kooperation mit der Hochschule für Künste entstand in einem studentischen Projekt ein Film über Die Ziegen auf der Lankenauer Weserinsel. Ein Informationsblatt über das Projekt wurde gedruckt und breit verteilt. Der Fortgang des Projektes wurde regelmäßig in örtlichen Gremien dargelegt.


Fazit

Die Beweidung mit Ziegen ist geeignet flussbegleitende Sandbiotope offen zu halten und Gehölzbiotope zu öffnen. Der Bewegungsdrang der Ziegen führt jedoch zu deutlichen Beeinträchtigungen der Sand gebundenen Bodenfauna, so dass eine partielle Aussparung (räumlich und/oder zeitlich begrenzt) aus der Zugänglichkeit für die Tiere sinnvoll ist (variable Auszäunungen). Auch nach mehrjähriger Beweidung leiden die verbliebenen Tiere nicht unter Nahrungsmangel. Das feuchte maritime Klima Nordwestdeutschlands - auch härtere Winter - wird von geeigneten Rassen gut überstanden. Der Betreuungsaufwand ist hoch, aber etwa kostengleich mit einer maschinellen Pflege im mehrjährigen Rhythmus. Der Pflegeerfolg der Beweidung ist jedoch höher einzuschätzen. Lebensraumpflege mit Weideziegen eignet sich im stadtnahen Bereich hervorragend für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Anfängliche Skepsis hat sich in breite Zustimmung bei lokaler Bevölkerung und Politik gewandelt.

Übersicht

Fördersumme

70.535,00 €

Förderzeitraum

15.03.2006 - 15.03.2009

Bundesland

Bremen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz