Projekt 22538/01

Entwicklung eines Leitfadens für die Sanierung von Natursteinmauerwerk bei Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes (inklusive Umsetzung)

Projektträger

Universität Bayreuth Lehrstuhl Biogeografie
Universitätsstr. 30
95440 Bayreuth
Telefon: 0921-552270

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mauern historischer Bauwerke haben aus naturschutzfachlicher wie denkmalschützerischer Sicht eine große Bedeutung. Für beide Fachbereiche besteht ein besonderes Interesse am Erhalt eines über lange Zeiträume gereiften Lebensraumes bzw. eines historisch bedeutsamen Gebäudes. Ziel des Projektes ist es, Wertigkeit sowie Auswirkung von Flora und Fauna an ausgesuchten Sandstein- bzw. Kalksteinbur-gen Nordbayerns zu analysieren und die daraus resultierenden Erkenntnisse und Empfehlungen in Form eines Anwenderleitfadens zu veröffentlichen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZu Projektbeginn wurden die im Jahr 2001 an der Festung Rosenberg (Sandsteinmauerwerk) bei Kronach angelegten Musterflächen hinsichtlich ihres Arteninventars und ihrer Schadenscharakteristik nachuntersucht. Die Erkenntnisse dieses Langzeitversuchs bildeten die Basis für die methodische Vorge-hensweise an den Vergleichsobjekten aus Sand- bzw. Kalkstein. Folgende oberfränkische Burganlagen wurden ausgewählt: Giechburg (Sand-/ Kalkstein) bei Scheßlitz, Burg Waischenfeld (Kalkstein), Burg Rabenstein (Kalkstein) bei Kirchahorn und Burg Rabeneck (Kalkstein) bei Eichenbirkig.
Zur Einteilung der Gesteine in Faziestypen sowie zur Charakterisierung des Eindringverhaltens von Flechten und Moosen in das Gesteinssubstrat wurden Schliffpräparate angefertigt. Ferner wurde die Materialinhomogenität an Gesteinsoberflächen mit einem Bohrhärteprüfgerät ermittelt. Um zu klären, in-wieweit typische, an den Mauern der Giechburg vorkommende, Schäden varietäten- und/oder expositionsabhängig auftreten, wurden an unterschiedlich exponierten Probeflächen an den Außenmauern lithologische Kartierungen und Schadenskartierungen durchgeführt.
Der Einfluss von Gefäßpflanzen auf das Mauerwerk wurde durch das Eindringverhalten der Wurzeln beschrieben und anhand von Literaturrecherchen über physikalischen Wurzelparameter, Nährstoff- und Wasserbedarf quantifiziert und charakterisiert. Zusätzlich wurden Wechselwirkungen zwischen Flora, Fauna und Mauern über den Fang bzw. das Sammeln von Wirbellosen ermittelt. Auch wurde von den Bearbeitern vor Ort besonders auf das Vorkommen seltener und geschützter Tiere z.B. Schlingnatter (Coronella austriaca) geachtet. In dieses Vorhaben wurden folglich Vertreter sehr unterschiedlicher Dis-ziplinen integriert um zu einer Gesamtschau der Bedeutung historischer Gebäude zu gelangen.


Ergebnisse und Diskussion

Kalk- und Sandsteinburgen unterscheiden sich sowohl ökologisch als auch baulich deutlich sowohl in ihren physikalischen wie auch in ihren chemischen Eigenschaften. Innerhalb der beiden Materialien ist beim Kalkstein die Fazies, beim Sandstein die Art des Bindemittels (silikatisch bis tonig) für deren Reaktivität und physikalische Eigenschaften verantwortlich. Dünnschliffe lassen erkennen, dass Sandstein eine Matrix bietet, die tiefer und dichter besiedelt wird als Kalkstein. Während der Kalkstein abhängig von seiner Dichte und Fazies einen geringen Porenraum bietet (weder zum Einwachsen von pflanzlichem Material noch zum Speichern von Feuchte), ist der Sandstein mit seiner mehr oder weniger offenporigen Matrix ein guter Feuchtespeicher und leicht von Flechten oder Moosen zu bewachsen. Flechten bewirken im Bereich ihres Aufwachsens eine verminderte Wasseraufnahme und schützen somit die Ge-steinsoberfläche. Auch unter Moosdecken ist die Steinoberfläche besser erhalten als auf unbewachsenen Vergleichsflächen. Moose und Flechten fördern daher die Konservierung des historischen Baumate-rials besser als herkömmlich Verfahren (Oberflächenreinigung, Hydrophobierung), da diese oft mit Materialverlust verbunden sind.
An den untersuchten Mauern ausgewählter Baudenkmäler konnten 96 gefährdete Tier- und Pflanzenar-ten festgestellt werden. Den höchsten Anteil an gefährdeten Arten nehmen dabei Hautflügler (Bienen, Wespen, Ameisen) gefolgt von Spinnentieren und Schnecken ein. Bemerkenswert war der Nachweis einer Grabwespe (Spilomena puctatissima) an der Burg Waischenfeld, die bisher für Bayern noch nicht bekannt war. Auch bei den Spinnen gelangen Nachweise von Arten, die bundesweit vom Aussterben bedroht sind oder von denen weltweit nur wenige Funde bekannt sind (Echemus angustifrons, Trichoncus simoni). Dies belegt den hohen Wert von Mauern für den Naturschutz. Pflanzenarten der Roten Liste waren an den Mauern dagegen nur sehr wenige vorhanden.
Offene Mauerfugen bieten Gefäßpflanzen, Moosen und Flechten gleichermaßen Lebensraum. An den Mauern mit geschlossenen Fugen der Giechburg und Burg Waischenfeld konnten sich überwiegend nur Flechten ansiedeln. Um eine möglichst mauertypische Insekten-, Spinnen- und Schneckenfauna zu för-dern, sollten die Verfugungen so gestaltet sein, dass sie die Stabilität der Mauern gewährleisten und dabei möglichst viele offene Spalten erhalten bleiben. Die Wurzeln von Kräutern und Gräsern verursachen keine Schäden im intakten Gestein. Gehölze sollten dagegen grundsätzlich aus der Mauer entfernt wer-den, da ihr Dickenwachstum den Mauerverbund schädigt. Der im Boden wurzelnde Efeu stellt keine ernsthafte Gefahr für das Natursteinmauerwerk dar.
Traditionelle Sanierungstechniken (flächige Verfugung, Beseitigung von Steinausbrüchen oder Lücken) waren oft mit dem völligen Verlust der Lebensraumqualität von Pflanzen und Tieren verbunden. An der Festung Rosenberg wurden daher unterschiedlich sanierte Mauerabschnitte hinsichtlich des floristischen und faunistischen Arteninventars untersucht. Der Vergleich von konventionellen und naturverträglichen Sanierungstechniken zeigte, dass deutlich mehr Arten und Individuen an den naturverträglich sanierten Mauerabschnitten der Festung Rosenberg vorkommen. Eine stärkere Schädigung des Gesteins und der Fugen wurden bei naturverträglich sanierten Mauerflächen nicht festgestellt wie eine Schadenskartierung vor und nach der Sanierung (2000 bzw. 2007) dokumentiert. Eine mechanische oder chemische Oberflächenreinigung erwies sich als nicht nachhaltig, da die Maueroberflächen innerhalb weniger Jahre wieder mit Flechten, Moose und Algen bewachsen waren. Auch von den Kosten her erwies sich die na-turverträgliche Sanierung als die günstigste.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse des Projektes wurden im Rahmen von zwei Seminaren (mit anschließender Exkursion) am 31.07.2007 und vom 21. bis 22.4.2008 auf Burg Rosenberg und Burg Rabenstein vorgestellt. Bei zwei Pressekonferenzen wurden Zwischenergebnisse des Projektes und der Leitfaden zur naturverträglichen Sanierung präsentiert. Der Leitfaden wurde an Naturschutz- und Denkmalschutzbehörden der Länder versandt. Das Projekt wurde in einem Vortrag und durch eine Installation auch auf der COP9 Tagung zur Biodiversitätskonvention 2008 in Bonn präsentiert.


Fazit

Eine naturverträgliche Restaurierung von historischen Gebäuden hat positive Auswirkungen sowohl auf die biologische Vielfalt als auch auf die Erhaltung des kulturellen Erbes! Viele Moose, Flechten und eini-ge höhere Pflanzen schädigen die Substanz alter Gebäude nicht, sondern schützen die Oberflächen des Mauerwerks auf natürliche Weise vor Wetterextremen, wirken temperaturausgleichend und sind was-serabweisend. Nur Gehölze, die in Rissen und Spalten wurzeln, müssen entfernt werden, da sie zu Gebäudeschäden führen können. Je reicher und vielfältiger eine Natursteinmauer strukturiert ist, desto mehr Tier- und Pflanzenarten kann sie Lebensraum und Nahrung bieten. Eine naturverträgliche Restaurierung ist kostengünstiger als eine konventionelle Sanierung, erfordert aber eine dauerhafte Pflege in Abstand von einigen Jahren, um z.B. Gehölze aus der Mauer zu entfernen.

Übersicht

Fördersumme

98.090,00 €

Förderzeitraum

09.01.2006 - 31.07.2008

Internet

http://www.biogeo.uni-bayreuth.de/

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Naturschutz
Umwelttechnik