Projekt 21652/01

Emissionsverhalten von Verpackungsmaterialien auf Glas und Konservierung zweier dadurch geschädigter wertvoller Glasfenster der romanischen Kirche in Lindow/Brandenburg

Projektträger

Ev. Kirchengemeinde
Str. des Friedens 62
16835 Lindow
Telefon: 033933/70296

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Historische Glasgemälde wurden nach fast 40 jähriger Lagerung in zwei Holzkisten, ausgefüllt mit Stroh, aufgefunden und geborgen. Ziel der Restaurierung ist es, den Schadensumfang der Glasgemälde, die einen künstlerisch hochwertigen Qualitätsgrad der Glasmalerei des 19. Jahrhunderts aufweisen, zu beheben und die Fenster in alter Schönheit wieder herzustellen. Die fachgerechte Restaurierung und Konservierung von historischen Glasmalereien setzt immer eine naturwissenschaftliche Begleitung der Arbeit voraus. Im Inneren der Kirche, vor einer Schutzverglasung in neu gefertigte V4A- Rahmen eingebaut, rechts und links neben dem Altar werden sie auf besondere Weise den Kirchraum schmücken und durch ihre erstklassige Güte und Qualität ein Zeugnis von der Kunstfertigkeit des 19. Jahrhunderts ablegen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür die Wiederherstellung von zwei Glasmalereifenstern der Kirche in Lindow und die notwendigen natur- wissenschaftlichen Untersuchungen ist ein Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen. Die Restaurierung der Glasmalereien erfolgt unter Begleitung der Arbeitsstelle für Glasmalereiforschung des CVMA Potsdam und dem brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege. Die Schadensanalyse wird mit Hilfe von lichtmikroskopischen und rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen an Gläsern, Malschichten und Bleiproben in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) durchgeführt. Alle restauratorischen Maßnahmen werden von einem Fachgremium aus Naturwissenschaftlern, Restauratoren, Kunsthistorikern und Denkmalpflegern festgelegt. Die restauratorischen Arbeiten zur fachgerechten Wiederherstellung der Glasmalereifenster werden im Glasatelier Ilona Berkei ausgeführt. Durch den Einbau einer Außenschutzverglasung werden die wertvollen Glasfenster vor Umwelteinwirkungen geschützt.
Mögliche Materialveränderungen während einer über vierzig Jahre dauernden Lagerung der Glasmalereien in Kisten mit Stroh verpackt sollen in der BAM untersucht und auf die in der heutigen Werkstattpraxis übliche Materialien zum Transport und zur Lagerung von historischen Glasmalereien ausgedehnt werden.
Hierzu erfolgen Simulationsuntersuchungen unter zeitraffenden Bedingungen an Modellgläsern im Klimaschrank.


Ergebnisse und Diskussion

Mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden wurden sowohl die chemische Zusammensetzung von Gläsern und Malschichten analysiert, als auch die kristallinen Verbindungen der Ober-flächenbeläge bestimmt. Es wurden Kittverkrustungen (CaCO3) und Gipsbeläge (CaSO4 2H2O) nachgewiesen. Mikrobiologische Untersuchungen zeigten, dass eine derzeitige mikrobielle Besiedelung der Glasmalereien ausgeschlossen werden konnte und somit auch keine zusätzlichen restauratorischen Maßnahmen ergriffen werden mussten.
Die Möglichkeiten zur Entfernung der Oberflächenbeläge wurden im Labor an Glasproben mit typischen Schadensbildern untersucht. Hierzu erfolgte eine Überprüfung von unterschiedlichen Reinigungsverfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Eine Dokumentation der Reinigungsvarianten vom Ausgangszustand bis zum Endzustand mit den Schritten der einzelnen Maßnahmen wurde für alle Reinigungsproben erstellt und der Werkstatt als Arbeitsgrundlage übergeben. Analog der Vorgehensweise an den Reini-gungsproben erfolgte die Entfernung der Oberflächenbeläge als Trocken- und Feuchtreinigung. Verbleibende, fest anhaftende Korrosionskrusten wurden mit unterschiedlichen Lösungsmittelkompressen zum Teil über einen längeren Zeitraum angelöst und dann mit Pinsel und Skalpell abgenommen. Je nach Schadenszustand kamen spezifische Reinigungsvarianten (Ammoniumcarbonatpasten, Dimethylsulfoxid, Isopropanol u. a.) zum Einsatz, deren Anwendung weder die Malschichten noch die historischen Gläser schädigen darf.Die Klebung sämtlicher Sprünge der Felder erfolgte mit 2-Komponenten-Epoxidharz, je nach Befund eingefärbt. Totalverluste und Fehlstellen der originalen Glassubstanz wurden in Schmelzfarbenmalerei originalgetreu in figürlicher und ornamentaler Malerei, mit zum Teil zuvor entwickelten Schmelzfarben der BAM, wiederhergestellt.
Das gesamte Bleinetz war vollständig instabil und für das Gewicht der Gläser und die Feldbreite von 1,60 m nicht mehr verwendbar, so dass eine Wiederherstellung der Stabilität nur durch eine Neuverbleiung zu erreichen war. Es wurde ein Blei mit einem 5-%igen Zinnanteil eingesetzt. Aufgrund eines feineren Gefüges wurde dadurch eine höhere Festigkeit des Bleiprofils erreicht. Zur weiteren Verbesserung der Stabilität wurden die Felder mit einem Umblei mit Stahleinlage versehen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vorhabens waren Untersuchungen von Materialien, die für die Verpackung, Lagerung und den Transport von Kunstgegenständen aus Glas eingesetzt werden. Mit Hilfe einer Umfrage unter Restaurierungswerkstätten und Glasmuseen wurden die in der heutigen Praxis üblichen Materialien zusammengestellt. Die Bestimmung der flüchtigen und schwerflüchtigen organischen Bestandteile (VOC und SVOV) in den Verpackungsmaterialien erfolgte an ausgewählten Proben durch eine Direkt-Thermodesorption (TDS) mit anschließender Gaschromatographie und Massenspektroskopie (GC-MS). Als Säureemissionen wurden Essigsäure, Propansäure, Hexansäure und Oktansäure in Holzspanplatten, Kiefernholzproben und Schaumstoffmaterialien nachgewiesen. Die Wirkung der analysierten organischen Säuren auf Materialoberflächen wurde in weiteren Versuchen an Modellgläsern, Proben mit unterschiedlichen Malfarbschichten und Bleiproben untersucht, die sich in Exsikkatoren befanden und unter zeitraffenden Bedingungen im Klimaschrank gelagert wurden. Säureimmissionen führten auf Modellgläsern mit mittelalterlicher Glaszusammensetzung und auf Malschichtproben zu starken Oberflächenschäden. Unverzinnte Bleiproben reagieren mit organischen Säuren und bilden Korrosionsprodukte.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Restaurierung der Glasmalereien aus Lindow wurden durch ein Poster und in einem Vortrag auf der europäischen Messe für Restaurierung, Denkmalpflege und Stadterneuerung - denkmal 2004 - vom 27.-30. Oktober 2004 in Leipzig den Fachkollegen und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.


Fazit

Das Ziel des Projektes, die Wiederherstellung der Glasmalereifenster durch eine fachgerechte Restaurierung, wurde durch eine sorgfältige Schadensanalyse und eines auf dieser Grundlage erarbeiteten Restaurierungskonzeptes erreicht. Die Möglichkeiten zur Entfernung der Oberflächenbeläge wurden im Labor an Glasproben mit typischen Schadensbildern untersucht und erfolgreich in die Werkstattpraxis übertragen.
Die in der heutigen Werkstattpraxis eingesetzten Materialien zur Verpackung, dem Transport und der Lagerung von Glasmalereien und anderen Kunstgegenständen sollten schadstofffrei sein, d. h. insbesondere organische Säureemissionen weisen ein erhebliches Schädigungspotenzial auf. Mit Hilfe von Direkt-Thermodesorptionsmessungen können kritische Materialemissionen identifiziert werden.

Übersicht

Fördersumme

63.414,00 €

Förderzeitraum

18.12.2003 - 18.12.2005

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik