Projekt 21216/02

Bauklimatische, messtechnisch validierte Gebäudesimulation und Ausarbeitung eines Regelwerkes zur energetisch und umwelttechnisch optimierten Sanierung am Beispiel eines Baudenkmals in Görlitz (2. Phase)

Projektträger

Technische Universität DresdenFakultät ArchitekturInstitut für Bauklimatik
Zellescher Weg 17
01062 Dresden
Telefon: 0351/463-35259

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Sanierung des barocken Gebäudes in Görlitz zeigt unter Beachtung der gestalterischen und denkmalpflegerischen Belange vorbildhaft das mögliche Einsparpotential im Bereich des Primärenergie-, Trink- und Abwasserverbrauchs theoretisch und praktisch. Die vorhandenen Ergebnisse sollen als Grundlage für die Sanierung gleichartiger Objekte aufgearbeitet werden. Ziel ist eine langfristige detaillierte Untersuchung und eine präzise hygrothermische Simulation des Gebäudes einschließlich Anlagentechnik mit vorhandener und zu entwickelnder Software.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenGrundlage für das Forschungsprojekt bildet die vorangegangene vorbildhafte Sanierung. Zur Reduzierung der Transmissionswärmeverluste kamen eine kapillaraktive diffusionsoffene Innendämmung, ein Wärmedämmverbundsystem unter Beibehaltung des Erscheinungsbildes, eine Dachdämmung aus Hanf und spezielle hochwärmedämmende Fenster zur Anwendung. Bei der Anlagentechnik wurde eine Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung, ein Schichten- und ein Pufferspeicher, eine Solaranlage, ein Kaminheizkessel, eine Grauwassernutzungsanlage und mehrere Abwasserwärmenutzungen installiert. Durch die Installation einer umfangreichen Messtechnik und einer ausgefeilten Regelungstechnik ist eine messtechnische Erfassung und Regelung aller für den Betrieb des Bauwerks wesentlichen Komponenten möglich. Für die hygrothermischen Berechnungen werden die Materialparameter der historischen Baustoffe und der eingesetzten modernen Baustoffe und die tatsächlichen anlagetechnischen Kennziffern bestimmt. Bei den eingesetzten Baukonstruktionen werden die Dauerhaftigkeit und die Zuverlässigkeit anhand der Messwerte und der hygrothermischen instationären Simulationsrechnungen bewertet.
Die Beurteilung der anlagetechnischen Komponenten und die Optimierung des Gebäudemanagements erfolgt auf der Grundlage der vorangegangenen Messungen. Bei der Gebäudesimulation werden die Ergebnisse der baulichen und anlagetechnischen Simulationsrechnungen und der Messungen zusammengeführt. Die besonderen Merkmale des Gebäudes Handwerk 15, das stellvertretend für historische Gebäude vor 1900 steht, werden herausgearbeitet.


Ergebnisse und Diskussion

Die anlagentechnische Ausstattung wurde auf dem neuesten Stand gehalten. Mit der Installation von weit über 300 Sensoren und 50 Ausgangszuständen ist eine messtechnische Erfassung aller für den Betrieb des Bauwerks wesentlichen bauphysikalischen und haustechnischen Komponenten für die hygrothermische Gebäudesimulation möglich. In dem Gebäude sind 12 Messstrecken (Temperatur-/Feuchtefühler in der Konstruktion, Wärmestrommmessplatten usw.) in den Bauteilen vorhanden. Insbesondere durch die getrennte Erfassung der haustechnischen Anlagen (Heizung, Solaranlage, Lüftung, Wärmerückgewinnung, Erdwärme, Grauwassernutzungsanlage und Hilfsenergien) sowie des Nutzerverhaltens (Raumklima, Energie- und Wasserverbrauch, Fensteröffnungen) ist eine getrennte Bewertung der baulich konstruktiven Maßnahmen und installierter Gebäudetechnik, ihrer Ausnutzungsmöglichkeiten und des Effizienzgrades möglich.
Bei diesem historischen Gebäude liegen mit den umfangreichen Materialkennwertbestimmungen alle wesentlichen Materialkennwerte für die hygrothermischen Bauteil - und Gebäudesimulation vor.
Die Messungen wurden Anfang Oktober 05 begonnen und dauern bis heute an. Am Anfang waren noch nicht alle gebäudetechnischen Anlagen installiert. Die Messungen führten zu folgenden Ergebnissen:
Ohne kontrollierte Wohnungslüftung - die Lüftungsanlage war bis zum Sommer 2009 noch nicht im Betrieb - wurde in den Wohnräumen eine Luftfeuchte von über 70 % gemessen. Der Einsatz der Zu- und Abluftanlage ist notwendig.
Bis auf den Hilfsenergieverbrauch für die Heizanlagen bzgl. des Primärenergieverbrauchs wurde fast der Nullemissionsgebäudestandard erreicht, denn es werden keine konventionellen Energien eingesetzt.
Mit dem Verbrauch für Gebäudeheizung und Trinkwassererwärmung von 25 kWh/(m² a) konnte nahezu der Passivhausstandard erreicht werden.
Ausgehend von den praktischen Erfahrungen dieser energetischen Sanierung, den Ergebnissen der Messungen und der Bauteil- und Gebäudesimulation wurde ein Sanierungsszenario mit einzelnen Sanierungsstufen mit einen Ingenieurplanungswerkzeug für historische Gebäude entworfen.
Als Ausgangsbasis für eine anschließende Dissertationsarbeit steht ein hochgedämmtes Demonstrationsgebäude mit Passivhausstandard (90 % Energieeinsparung) einschließlich eines voll betriebsfähigen Langzeitmonitoringsystems zur Verfügung.
Innerhalb des Projektzeitraumes hat ein Umdenken von strikter Ablehnung zu Forderung und Förderung energetischer Sanierung von Baudenkmalen stattgefunden. Im Freistaat Sachsen hat dieses Modellprojekt maßgebend dazu beigetragen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Eine breite Öffentlichkeit wurde durch die Besichtigungen des Testgebäudes, Vorträge auf regionalen, nationalen und internationalen Tagungen sowie durch Veröffentlichungen auf verschiedenen Fachebenen erreicht. Das Gebäude wurde gern von interessierten Bauherren und Planern als praktisches Anschauungsobjekt einer vorbildhaften energetischen Sanierung vor Ort besichtigt. So konnte im Dezember 2007 das Forschungsvorhaben Herrn Dr. Takeshi Ishizaki (National Institute for Cultural Properties, Tokio) vor Ort vorgestellt werden. Mit Vorträgen (z. B. 12. Bauklimatischen Symposium in Dresden, 12. und 14. internationale Passivhaustagung) wurde die Sanierung des Gebäudes Handwerk 15 einem Fachpublikum vorgestellt. In der Fachzeitschrift Bauphysik, im Mauerwerkskalender, der Zeitschrift Berliner Impulse erschienen Fachartikel. In den Regionalzeitungen wurde über das Pilotprojekt mehrfach berichtet.
Auch in der Politik wurde das Modell- und Forschungsvorhaben mit Interesse verfolgt. Hinter dem Projekt stehen eine Vielzahl von Firmen und Behörden, die das Projekt fachlich und finanziell weit über das übliche Maß unterstützten. Das Gebäudeprojekt wurde als Praxisbeispiel innerhalb der Lehrtätigkeit für Belegarbeiten der Hochschule Zittau/ Görlitz (FH), der TU Dresden genutzt. Dabei konnten sich Studenten über thermische Sanierungen von Altbauten vor Ort informieren.


Fazit

Mit sehr viel persönlichem Engagement, den richtigen Partnern und zielstrebigem Handeln ist es ohne weiteres möglich, zukünftige Anforderungen an den Klimaschutz und Energieeffizienz auch mit einer moderaten Wärmedämmung unter Beibehaltung des historischen Erscheinungsbildes an den denkmalgeschützten Fassaden zu erreichen. Die Herangehensweise und die umgesetzten Maßnahmen sind beispielgebend für ähnliche Objekte. Die Anforderungen der Denkmalpflege und die Belange des Umwelt- und Klimaschutzes konnten bei dieser Sanierung in Einklang gebracht werden.

Übersicht

Fördersumme

50.250,00 €

Förderzeitraum

04.12.2006 - 31.12.2008

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik