Projekt 20307/01

Modellhafte Forschungen und Erhaltungsmaßnahmen an der umweltgeschädigten glasierten Ziegelfassade des Lübecker Rathauses (Weltkulturerbe) unter besonderer Berücksichtigung von Glasurersatzmaterialien (Schleswig-Holstein)

Projektträger

Deutsches Bergbau-Museum Forschungsbereich Denkmalschutz/Materialkunde
Herner Str. 45
44787 Bochum
Telefon: 0234/968-4032

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der als Kriegsstube bezeichnete Erweiterungsbau des Lübecker Rathauses ist ein bedeutendes Denkmal der Stadt. Das Gebäude zeichnet sich durch die auf der Marktseite komplett aus glasierten Ziegeln aufgebaute Fassade aus. Diese Marktfassade ist heute durch Umwelteinwirkungen stark geschädigt und daher dringend sanierungsbedürftig. Hier stehen vor allem Glasurschäden im Zentrum des Interesses. Da zum Thema Glasurersatzmaterialien bisher ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen fehlen, sollen in diesem Vorhaben geeignete Produkte und Applikationstechniken für die Behandlung der glasierten Ziegel, insbesondere unter Berücksichtigung der spezifischen Lübecker Situation (Brandschäden), entwickelt werden. Die Umsetzung der Forschungsergebnisse im Rahmen einer Erhaltungsmaßnahme am Objekt ist integraler Bestandteil des Vorhabens.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAufbauend auf Erfahrungen aus einem laufenden DBU-Vorhaben zum Thema Glasierte Baukeramik werden unterschiedliche Beschichtungsstoffe für den Einsatz als schützendes Deckmaterial bei abge-sprengten Glasurbereichen getestet. Dabei ist folgende Vorgehensweise vorgesehen: Charakterisierung des Glasurmaterials und des keramischen Untergrundes der aus unterschiedlichen Bau- und Instandsetzungsperioden stammenden Ziegel in Lübeck; Identifizierung der spezifischen Schadensfaktoren und Schadensabläufe; Auswahl (aufbauend auf den oben gewonnenen Erkenntnissen) von geeignetem geschädigten Probenmaterial als Träger für Beschichtungstests (Labor, Exposition als Einzelproben, Testflächen an der Fassade); Belastungstests (Laboruntersuchungen) auf diesen Proben mit verschiedenen Glasurersatzstoffen (organ. Polymeren, ORMOCERen) sowie darauf aufbauend Tests an der Fassade; Bewertung der Schutzwirkung und Dauerhaftigkeit der verschiedenen Beschichtungsmaterialien sowie der eingesetzten Applikationstechniken; Auswahl des am meisten Erfolg versprechend Systems; Umsetzung der Forschungserkenntnisse in die Restaurierungsmaßnahme der Lübecker Fassade.


Ergebnisse und Diskussion

Die mittelalterlichen Glasuren waren erwartungsgemäß viel inhomogener als die der mechanisch hergestellten Ziegel des 19. Jh. Sie wiesen zum Teil aber weniger dramatische Glasurverluste auf. Die chemische Zusammensetzung der Glasuren schwankte in beiden Materialien. Schadensbilder: Abschälen der Oberfläche mit starkem Materialverlust, Blasenbildung mit deutlichen Abplatzungen, Craquelé, Lochfraß, Flinsenbildung, Glanzverlust, Weißschleier. Starke Schäden traten meist an Ziegeln des 19. Jh. auf.
Das Schadensbild an der Fassade weißt deutlich auf eine vom Fensterbereich herrührende Schadenseinwirkung hin. Eine Korrelation zwischen Ziegeltyp (Verbauungszeitpunkt) und Schadensintensität wurde nicht beobachtet. Damit ist das kriegsbedingte Brandgeschehen eine wahrscheinliche Schadens-ursache. Proben mit dem Schadensbild Flinsenbildung wiesen eine ausgeprägte oberflächenparallele Porentextur mit oberflächenparallelen Rissen im Ziegel selbst auf. Schadensursache: vermutlich Frosteinfluss. Der Einfluss eines Brandes konnte aber nicht ausgeschlossen werden. Beim Lochfraß wurde keine Schädigung des Ziegels selbst festgestellt. sondern regelose Risse in der Glasur (Frühstadium), die zum Abplatzen kleiner Glasurbruchstücke (Finalstadium) führen. Dieses Schadensbild deutet auf eine Vorschädigung der Glasur (evtl. durch den Brand) hin. Ein Brandversuch mit gezieltem Ablöschen an einer kleinen Testmauer brachte jedoch keine Schadensform wie die Flinsenbildung oder den Lochfraß. Damit wird eine Kombinationswirkung (Vorschädigung und nachfolgende regelmäßige Frosteinflüsse) in einem langsam voranschreitenden Prozess vermutet. Bei umfangreichen Poreradienanalysen wurde daher die Frostempfindlichkeit untersucht. Eine Reihe von Proben liegt unter dem kritischen Wert von 1 µm Porenradius, eine klare Korrelation zum Schadenbild konnte jedoch nicht festmacht werden. Fazit: Richtwerte, ermittelt an unglasierter Keramik, können nicht direkt auf glasierte Ziegel übertragen werden.
Als Glasurersatzmaterialien wurden verschiedene Präparate auf Polyvinylacetat-, Cellulosenitrat und Silicon-Basis im Vergleich zu OROMCERen getestet. Im Labor erwies sich dabei der Typ OR-G50 (für die Glaskonservierung eingesetztes ORMOCER) als bestes Produkt. OR-G50 sowie der Typ OR-B30 (be-reits früher in kleinen Testflächen appliziert) wurden in einer größeren Testfläche auf der Fassade aufgebracht. Nach 14 Monaten wurde eine Begutachtung und mikroskopische Untersuchung durchgeführt. Der visuelle Eindruck war bei allen Flächen sehr positiv. Mikroskopisch sind allerdings Problemzonen fest-stellbar. Sowohl bei ORMOCER B30 wie auch beim ORMOCER G50 sind teilweise, jedoch nicht systematisch große innere Blasen in der ORMOCER-Schicht zu erkennen, die sich z. T. zu Hohlräumen verbunden haben. Eine Erklärung für dieses Verhalten (Untergrundbeschaffenheit, Applikation?) wurde in der Projektlaufzeit noch nicht gefunden und muss Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.
Die erzielten Ergebnisse wurden mit dem Objekteigentümer der Stadt Lübeck besprochen, eine weitere, nun konservierungsorientierte Maßnahme nach der Erhaltungsmaßnahme 2003 wurde vorgeschlagen und begründet. Eine endgültige Entscheidung ist derzeit noch nicht gefallen, wird auch von den Antwor-ten auf die noch offenen Fragen zu den Konservierungsmitteln abhängen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Da die Arbeiten zur Kriegsstubenbau-Fassade in engem Kontext zum DBU-Hauptvorhaben Entwicklung von modellhaften Restaurierungsmethoden für umweltgeschädigte glasierte Ziegel und Terrakotten an national bedeutenden Kulturdenkmalen Norddeutschlands standen, wurden in den Zwischen- und Endpräsentationen zu diesem Vorhaben auch die entsprechenden Lübecker Ergebnisse der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Eine ausführliche Veröffentlichung der Projektergebnisse ist in der Publikationsreihe Metalla des Deutschen Bergbau-Museums Bochum zum Ende des Jahres 2008 beabsichtigt. Die projektbezogenen Ergebnisse werden dabei um Umfeldarbeiten (z. B. Kartierungsanleitung für Ziegelmaterial) erweitert werden. Für die Lübecker Öffentlichkeit soll eine Kurzpräsentation (Flyer mit entsprechenden allgemein verständlichen Texten) erstellt werden und ebenfalls zum Jahresende 2008 erscheinen.


Fazit

: Richtwerte, ermittelt an unglasierter Keramik, können nicht direkt auf glasierte Ziegel übertragen werden.
Als Glasurersatzmaterialien wurden verschiedene Präparate auf Polyvinylacetat-, Cellulosenitrat und Silicon-Basis im Vergleich zu OROMCERen getestet. Im Labor erwies sich dabei der Typ OR-G50 (für die Glaskonservierung eingesetztes ORMOCER) als bestes Produkt. OR-G50 sowie der Typ OR-B30 (be-reits früher in kleinen Testflächen appliziert) wurden in einer größeren Testfläche auf der Fassade aufgebracht. Nach 14 Monaten wurde eine Begutachtung und mikroskopische Untersuchung durchgeführt. Der visuelle Eindruck war bei allen Flächen sehr positiv. Mikroskopisch sind allerdings Problemzonen fest-stellbar. Sowohl bei ORMOCER B30 wie auch beim ORMOCER G50 sind teilweise, jedoch nicht systematisch große innere Blasen in der ORMOCER-Schicht zu erkennen, die sich z. T. zu Hohlräumen verbunden haben. Eine Erklärung für dieses Verhalten (Untergrundbeschaffenheit, Applikation?) wurde in der Projektlaufzeit noch nicht gefunden und muss Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.
Die erzielten Ergebnisse wurden mit dem Objekteigentümer der Stadt Lübeck besprochen, eine weitere, nun konservierungsorientierte Maßnahme nach der Erhaltungsmaßnahme 2003 wurde vorgeschlagen und begründet. Eine endgültige Entscheidung ist derzeit noch nicht gefallen, wird auch von den Antwor-ten auf die noch offenen Fragen zu den Konservierungsmitteln abhängen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Da die Arbeiten zur Kriegsstubenbau-Fassade in engem Kontext zum DBU-Hauptvorhaben Entwicklung von modellhaften Restaurierungsmethoden für umweltgeschädigte glasierte Ziegel und Terrakotten an national bedeutenden Kulturdenkmalen Norddeutschlands standen, wurden in den Zwischen- und Endpräsentationen zu diesem Vorhaben auch die entsprechenden Lübecker Ergebnisse der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Eine ausführliche Veröffentlichung der Projektergebnisse ist in der Publikationsreihe Metalla des Deutschen Bergbau-Museums Bochum zum Ende des Jahres 2008 beabsichtigt. Die projektbezogenen Ergebnisse werden dabei um Umfeldarbeiten (z. B. Kartierungsanleitung für Ziegelmaterial) erweitert werden. Für die Lübecker Öffentlichkeit soll eine Kurzpräsentation (Flyer mit entsprechenden allgemein verständlichen Texten) erstellt werden und ebenfalls zum Jahresende 2008 erscheinen.


Fazit

Das Forschungsvorhaben hat eine Reihe von Fragen zum Schadensbild der vollständig mit glasierten Ziegeln verkleideten Kriegsstubenbau-Fassade des Lübecker Rathauses beantwortet. Die Schadensformen konnten charakterisiert, wenn auch noch nicht endgültig einem verbindlichen Mechanismus zugeordnet werden. Die Auswahl und Prüfung der möglichen Glasurersatzmaterialien ist soweit vorangetrieben, dass mit abschließenden Optimierungen eine Grundlage für die Durchführung einer Konservierungsmaßnahme stattfinden kann. Die Durchführung der Maßnahme ist der Stadt dringend angeraten, da das vorliegende Schadensbild ein Voranschreiten des Schadensausmaßes erwarten lässt und durch die entwickelte Konservierungstechnologie eingedämmt werden könnte. Damit hat die Entwicklung für Lübeck auch exemplarischen Charakter für andere Objekte, allerdings müssen die ausgewählten Konser-vierungsmittel (ORMOCERe) ihren Testprodukt-Status überwinden und dann in größeren Mengen zu marktfähigen Preisen verfüg- und einsetzbar sein.

Übersicht

Fördersumme

88.000,00 €

Förderzeitraum

01.07.2003 - 31.08.2007

Bundesland

Schleswig-Holstein

Schlagwörter

Umwelttechnik