Projekt 19369/01

Integrative Umsetzung des multikriteriellen Bewertungs- und Optimierungsverfahrens auf der Querfurter Platte (IUMBO)

Projektträger

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ Projektbereich naturnahe Landschaften und ländliche Räume
Permoserstr. 15
04318 Leipzig
Telefon: 0341/235-2344

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel des Projekts IUMBO war die Erhöhung der biologischen Vielfalt, insbesondere die Erhöhung der Individuenzahl von Leitarten wie dem Feldhamster (Cricetus cricetus) und dem Rotmilan (Milvus milvus) sowie die Verbesserung der Strukturvielfalt in einer ausgeräumten Agrarlandschaft. Die Basis für die Erhöhung der biologischen Vielfalt bildete MULBO, ein multikriterielles Bewertungs- und Optimierungsverfahren (MEYER & GRABAUM 2003), mit dessen Hilfe Szenarien für die Erhaltung wesentlicher biotischer Funktionen (Erhaltung bzw. Erhöhung von Individuenzahlen von Tierarten/-gattungen), für die weitestgehende Beibehaltung des ökonomisch nutzbaren Ertrags und für die gleichzeitige Erhaltung bzw. Verbesserung abiotischer Landschaftsfunktionen - im vorliegenden Fall die Verminderung der Bodenerosion, die Beibehaltung bzw. Erhöhung des Wasser-Rückhaltevermögens - entworfen werden. Ein Nutzerhandbuch (MULBO-CD) wurde entwickelt, mit dessen Hilfe die Ergebnisse verallgemeinert und breit an-gewandt werden können.
Testregion war eine ausgeräumte Bördelandschaft mit fruchtbaren Böden auf der so genannten Querfurter Platte zwischen den Städten Querfurt und Merseburg im Bundesland Sachsen-Anhalt. Landschaftstypische Zielarten wie Greifvögel, Grauammer, Feldhase und Feldhamster (letztere auch als wichtiges Glied der Nahrungskette der Greife) sollen wieder stärker in der Testregion etabliert werden. Die Habitatansprüche und Bestandsveränderungen dieser Arten zwischen 2003 und 2005 wurden analysiert und do-kumentiert. Diese Ergebnisse flossen in die Entwicklung strukturbezogener Habitatmodelle ein. Die Verbesserung der Landschaftsfunktionen ist die Grundlage für die Erhöhung der Biodiversität in der intensiv genutzten Agrarlandschaft. Vorrangig diejenigen Flächen zur Umwidmung in naturschutzrelevante Strukturen wurden mit MULBO ausgewählt, auf denen neben erhöhter Bodenerosion ein niedriges Wasser-Rückhaltevermögen und ein relativ geringer Ertrag lokalisiert wurden.
Um neben den umzunutzenden Feldflächen auch lineare Strukturen (Hecken, Obstbaumalleen etc.) zu etablieren, wurden das ursprüngliche Wegenetz, Reliefbesonderheiten sowie Sichtbeziehungen zu markanten Landschafts- und Kulturelementen sowie die Erhöhung des ästhetischen Werts der Landschaft einbezogen. Einerseits sind weiträumige, mit niedriger Vegetation bestandene, offene Flurstücke zu erhalten oder auch einzurichten, die von Feldbrütern bevorzugt werden. Andererseits ist auf eine reiche Gliederung der Landschaft zu achten. Auch die Gestaltung der strukturgebenden Elemente ist zu berücksichtigen. So bieten gestufte Hecken an ehemaligen Feldwegen vielen Vogelarten Nistmöglichkeiten; sie stellen außerdem für Niederwild und Nager Refugien dar.
Es war vorgesehen, im Projekt IUMBO auf ca. 27 ha Gehölze, Wald und Hecken zu pflanzen, bestehende lückige Obstbaumreihen zu ergänzen, Grasraine anzulegen sowie einen Teil der Fläche in Artenschutzstreifen umzuwandeln. Die Artenschutzstreifen wurden mit Winterweizen, Raps oder auch Luzernen bestellt. Es wurden auch Blühmischungen verwendet. Das Getreide bleibt über Winter stehen, um Feldhamstern genügend Futter zu sichern und ihnen damit eine wichtige Überlebenschance zu geben. Die Fruchtart unterscheidet sich von derjenigen der angrenzenden Schläge. Die Pflanzung von Obstbäumen, Wald und Hecken sowie die Anlage von Artenschutz- und Grasstreifen erfolgten nach einem von allen Partnern festgelegten Zeitplan.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIUMBO war ein Verbundprojekt mit vier Partnern. Frau Prof. H. Mühle (UFZ, Department Naturschutz-forschung) koordinierte das Projekt und hatte dadurch Verbindung zu allen Teilnehmern. Fünf Arbeitspakete wurden bearbeitet.
Arbeitspaket (AP) 1: Aufnahme von biotischen Funktionen in das Bewertungs- und Optimierungsverfahren und Verallgemeinerung der Ergebnisse wurde von Herrn Dr. B. C. Meyer (UFZ, Department Natur-schutzforschung) bearbeitet. AP 2 und 3 beinhalteten die Umsetzung strukturierender Maßnahmen sowie die Umsetzung einer ökologisch verträglichen Schlagnutzung. Dies war Aufgabe von Herrn G. Pflock (Ag-rarunternehmen Barnstädt, AUB). AP 4 beinhaltete die Erarbeitung eines digitalen interaktiven Umset-zungshandbuchs durch die Firma OLANIS Expertensysteme Leipzig, die durch Herrn Dr. R. Grabaum vertreten wird. AP 5 erfasste die Reaktion von Greifvögeln und Kleinsäugern/Nagetieren auf den Land-schaftswandel. Es wurde von Frau K. Mammen, Mitarbeiterin des Instituts für Zoologie der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, bearbeitet (MLU Halle).
AP 1: Entwicklung biotischer Analyse- und Bewertungsverfahren (UFZ)
Im Projektzusammenhang wurden 3 Habitateignungsverfahren für gefährdete Arten der offenen Agrarlandschaft entwickelt und in die MULBO-Anwendung integriert. Es wurden typische Arten der offenen Agrarlandschaft ausgewählt, deren Bestände gefährdet sind. Diese Arten werden nicht in Naturschutzgebieten geschützt, ihre Habitatnutzung ist mit der agrarischen Nutzung der Landschaft gekoppelt. Es wurden Analyse- und Bewertungsverfahren für Grauammer, Feldhase und Rotmilan entwickelt. Abweichend vom Projektantrag für das Projekt IUMBO konnte kein Verfahren zur Analyse und Bewertung der Habitateignung für den Feldhamster (Cricetus cricetus) entwickelt werden, da hierfür das in der Literatur verfügbare ökologische Wissen über die Zusammenhänge zwischen Habitatansprüchen des Hamsters und der Landschafts- und Landnutzungsstruktur nicht ausreichte.
AP 2 und 3: Planung und Anlage von Landschaftselementen im AUB
Ergebnis der Anwendung von MULBO im Untersuchungsgebiet Barnstädt war ein landschaftsplanerischer Entwurf basierend auf den Optimierungsergebnissen. Davon ausgehend wurde unter Einbeziehung der Landwirte ein zweiter landschaftsplanerischer Entwurf mit praxisbezogenen Anpassungen entwickelt. Dieser war Ausgangspunkt für die Projektbemühungen zur Realisierung.
Im Rahmen des Projekts IUMBO gelang es auch, unter Zuhilfenahme weiterer Sponsoren (Lottogesell-schaft Sachsen-Anhalt) einen Teil des Plans umzusetzen. Insgesamt wurden 25 Maßnahmen mit einem Umfang von ca. 29 ha geplant. Dies entspricht in etwa 10 % der von MULBO vorgeschlagenen Maßnah-men. Zu den umgesetzten Maßnahmen zählen ein kleiner Wald, Hecken, Kirschbaumreihen, Grasraine, Gewässerrandstreifen, Blühstreifen, 3 Feldgehölze und Grünlandmaßnahmen.
AP 4: Entwicklung MULBO-Handbuch (Olanis, UFZ)
Ein wesentliches Ziel des Projekts bestand in der Entwicklung eines interaktiven Nutzerhandbuchs für das Verfahren MULBO. Vorliegendes Nutzerhandbuch (www.mulbo.de) wendet sich an die an den Pla-nungen beteiligten Institutionen im ländlichen Raum (Gemeinden oder Verbandsgemeinden, Planungsbüros, Umweltbehörden und insbesondere an die Landwirte). Es soll dem Anwender die Möglichkeit eröff-nen, das Verfahren MULBO kennen zulernen und in seine zukünftigen Planungsaufgaben integrieren zu können.
Mit vorliegender CD-ROM erhält der Anwender Einblick in ein neues planerisches Verfahren, welches vorhandene Planungsinstrumente ergänzt. Das Verfahren der multikriteriellen Landschaftsbewertung und -optimierung liefert im Ergebnis Landnutzungsoptionen, welche auf der abiotischen Struktur der Landschaft begründet sind und verschiedene Funktionen der Landschaft (ökologische, ökonomische und soziale) im Sinne eines Kompromisses optimal erfüllen (Grabaum, Meyer, Mühle 1999). Auf der Basis von landschaftlichen Entwicklungszielen sowie mit einer nachgeschalteten Landschaftsplanung werden ökologisch und ökonomisch sinnvolle Landnutzungen ausgewiesen. MULBO eignet sich besonders für Pla-nungen, die eine Verbesserung der Biodiversität anstreben.
AP 5: Zoologische Untersuchungen (MLU)
Die Untersuchungen im Freiland begannen im Frühjahr 2003 und endeten im Herbst 2005. Die inhaltlichen Schwerpunkte umfassten die Greifvogelzönose (einschließlich Untersuchungen zu Kleinsäugern als deren Nahrungsbasis) sowie ausgewählte Charakterarten der Agrarlandschaft (Feldhamster, Feldhase, Grauammer). Die Erfassung des Brutbestands von Greifvögeln konzentrierte sich auf die mittelgroßen baumbrütenden Arten, insbesondere auf Rot- und Schwarzmilan als Arten des Anhang I der Vogelschutz-richtlinie, sowie den Mäusebussard. Arten mit spätem Brutbeginn (Baumfalke, Wespenbussard) sowie Turmfalken im Offenland wurden nicht gezielt erfasst. In den Monaten Februar/März der Jahre 2003 bis 2005 wurden zunächst jeweils die Gehölzstrukturen innerhalb der Greifvogel-Untersuchungsfläche auf Greifvogel-Horste abgesucht. Die ermittelten Horstbäume wurden markiert und Ende April/Anfang Mai zur Ermittlung des Brutpaarbestands wieder aufgesucht. Als besetzt wurden solche Horste gewertet, bei denen Altvögel oder zu einem späteren Zeitpunkt Jungvögel oder auf eine Brut hinweisende Anzeichen direkt auf bzw. am Horst gesehen wurden. Ein besetzter Horst entspricht einem Brutpaar, wobei die Krite-rien für sichere bzw. wahrscheinliche Brutpaare nach GEDEON (1994) erfüllt sind. Bei der Begehung nicht besetzte Horste, bei denen es Anzeichen für eine mögliche Brut gab, wurden wiederholt aufgesucht. Mitte Juni wurden die besetzten Horste auf ihren Bruterfolg kontrolliert. Bei erfolgreicher Brut wurden die Horstbäume in der Regel durch einen professionellen Zapfenpflücker erstiegen und die Jungvögel ver-messen, beringt und mit Flügelmarken versehen. Auf dem Horst vorhandene Nahrungsreste wurden protokolliert.


Ergebnisse und Diskussion

Alle geplanten Ziele wurden in der Projektlaufzeit von IUMBO erreicht. Wichtig hierfür war insbesondere die problemlose Kommunikation zwischen den Partnern aus Landwirtschaft, Planung und Wissenschaft. Die im Rahmen des Projekts erfolgte Anpflanzung neuer Strukturen trägt dauerhaft zur Verbesserung der Landschaftsstruktur in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Landschaft Querfurter Platte, zur Erhöhung der Biodiversität und auch zur Verbesserung der Lebensqualität der ortsansässigen Bevölkerung bei. Ein wesentliches Anwendungsproblem war einerseits, dass die Umsetzung von Maßnahmen nicht unabhängig von ihrer schwierigen Finanzierbarkeit gesehen und dass diese andererseits nur gemeinsam mit Pächtern und Grundeigentümern ausgeführt werden kann. Besonders wichtig scheint hier das gut abgestimmte Zusammenspiel aller Akteure untereinander zu sein. Die dauerhafte Pflege der innerhalb der Projektlaufzeit angelegten neuen Strukturen wurde vom regionalen Landschaftspflegeverband bzw. von den Landwirten vor Ort übernommen. Inwieweit die neu gepflanzten Strukturen als Lebensraum für Arten der offenen Agrarlandschaft angenommen werden, müssen künftige Untersuchungen ergeben. Al-lerdings besteht auf der Querfurter Platte noch erheblicher Bedarf für die Anlage von Landschaftsstruktu-ren, da im IUMBO-Projekt nur ca. 10 % der im Landschaftsplan (Grabaum etal. 1999) vorgesehenen Elemente umgesetzt werden konnten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Sowohl aus der Planungspraxis, als auch aus der nationalen und internationalen Wissenschaft besteht eine große Nachfrage nach den Projektergebnissen von IUMBO, wie die insgesamt 8 Workshops und Konferenzen mit mehreren 100 Teilnehmern im Projektverlauf zeigten. Im Projektverlauf wurden insgesamt 15 Artikel in unterschiedlichen Fachzeitschriften veröffentlicht


Fazit

Es konnte gezeigt werden, dass das Verfahren MULBO (multikriterielle Landschaftsbewertung und Opti-mierung) als Planungsmethode gut anwendbar und auch weiter entwicklungsfähig ist. Einfache GIS-gestützte Habitateignungsverfahren wurden entwickelt und veröffentlicht, mit denen Planungen mit dem Ziel der Erhöhung und der Erhaltung der Biodiversität methodisch unterstützt werden können. Diese Verfahren sind so konzipiert, dass sie leicht auf weitere Zielarten adaptiert werden und damit MULBO schrittweise ergänzen können. Mit dem im Rahmen des Projekts entwickelten interaktiven Nutzerhandbuch sowie mit der Webseite www.mulbo.de wurden vom Projekt die Grundlagen für eine Einführung des Verfahrens in die Planungspraxis entwickelt. Der Status Quo der in den Focus genommenen Zielarten Hamster und Rotmilan wurde für die Jahre 2003-2006 dokumentiert.
Als Ausblick auf künftige, auf den Projektergebnissen aufbauende Aktivitäten sind zu nennen: Ein sinnvolles und notwendiges Monitoring der durch das Projekt erstellten Maßnahmen auf die Zielarten sollte durchgeführt werden. Die in IUMBO angewandte Methodik MULBO kann in einem Flurneuordnungsverfahren exemplarisch angewandt werden, damit die rechtliche Absicherung und die Finanzierung der Maßnahmen einfacher erfüllt werden kann. Allgemein besteht ein hoher Bedarf an Finanzierungen für mit IUMBO vergleichbare Vorhaben, denen heute kein ausreichendes Finanzierungsangebot gegenübe-steht. Hier sollte politikberatende Forschung ansetzen.
Die MULBO-Methodik eignet sich nicht nur für Bördelandschaften, sondern kann sowohl in der Naturschutzplanung und -bewertung, im Einzugsgebietsmanagement, der Stadt-Umland-Planung, als auch für die ökonomische Bewertung von Landschaften und Landschaftsfunktionen weiterentwickelt und als Pla-nungsinstrument ausgebaut werden. Für spezielle Anwendungen sollten Pilotprojekte die Praktikabilität für die jeweilige Fragestellung zeigen.

Übersicht

Fördersumme

577.105,00 €

Förderzeitraum

01.09.2002 - 31.08.2006

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz