Projekt 18901/01

Bautenschutz durch Lotus-Effekt

Projektträger

Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen
Venusbergweg 22
53115 Bonn
Telefon: 0228/732271

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mikroorgansimen sind ubiquitär und ökologisch unentbehrlich, verursachen aber auch wirtschaftlich erhebliche Schäden (z. B. Pathogene). Die Schädigung von Baustoffen (z. B. Fassaden, Dächer) wird verstärkt thematisiert, nimmt darüber hinaus auch tatsächlich zu (z. B. durch erhöhten Stickstoffeintrag und den Einsatz von Wärmedämmverbundsystemen). So schätzen Experten den jährlichen Schaden allein in Deutschland auf 2-4 Mrd. Euro. Gleichzeitig werden industriell immer elaboriertere intelligente, funktionale, selbstreinigende Oberflächen entwickelt.
Das Projekt hatte damit zwei Ziele: Erstens die Einschätzung, ob selbstreinigende mikro- und nanostrukturierte superhydrophobe biomimetische Oberflächen (Lotus-Effect®) oder photokatalytische Beschichtungen eine umweltschonende Alternative zu konventionellen, oft mit Bioziden ausgestatteten Oberflächen bieten. Zweitens musste erst eine standardisierte Prüf- und Bewertungsmethode für den Vergleich funktionaler und konventioneller Oberflächen entwickelt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenVor den Versuchen mit technischen Baustoffoberflächen wurden zunächst Untersuchungen mit natürlichen Vorbildern durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollte geklärt werden, wie und mit wel-cher Effizienz sich bestimmte Pflanzenarten vor Pilzbefall schützen. Für diese Untersuchungen wurden Weizen und Lotus verwendet, die unter bestimmten Bedingungen trotz ihrer selbstreinigenden Blätter einen Befall mit Mehltaupilzen aufweisen können. Im nächsten Arbeitsschritt wurden in umfangreichen Wachstumstests aerophytische Grünalgen und Schimmelpilze für die Versuche mit Baustoffen (Fassadenfarben und Dachziegel) selektiert. Wichtigste Methoden zur Charakterisierung und Vermessung pflanzlicher wie auch technischer Oberflächen waren die Rasterelektronenmikroskopie sowie die Kontakt- und Abrollwinkelmessung.
Für die Nass- und Trockeninokulation von Algen und Pilzen wurden zwei neue Labormethoden entwickelt. Zum Nachweis der Mikroorganismen auf technischen Oberflächen wurden zwei Fluoreszenzeigenschaften nutzende Methoden getestet: Die Detektion des Algenbewuchses mittels eines erweiterten und speziell angepassten Fluoreszenzmikroskops, die quantitative Erfassung des Pilzbewuchses durch Markierung des Pilzmycels mit dem Fluoreszenzfarbstoff Calcofluor. Unter Einbeziehung der neuen Inokula-tions- und Nachweismethoden fanden mehrere dreimonatige Versuchsdurchläufe statt, im Rahmen derer funktionale und konventionelle Baustoffoberflächen miteinander verglichen wurden.
Beim Bewilligungsempfänger in Bonn wie auch bei den Kooperationspartnern wurden Prüfkörper über mehrere Monate im Freiland ausgelagert. Dabei waren die Materialien einer unterschiedlich starken Belastung mit Mikroorganismen ausgesetzt. Als zusätzliche Methoden wurden bei den Kooperationspartnern Prüfkörper schnellbewittert oder im Vorfeld der Freilandexposition einer mikrobiellen Vorbehandlung unterzogen. Außerdem wurde die wasserabweisende Fläche von Materialien vor und nach Behandlung oder Auslagerung bestimmt.


Ergebnisse und Diskussion

Die Untersuchungen mit den natürlichen Vorbildern Weizen und Lotus führte zu folgenden Ergebnissen: Am System Weizen-Mehltau konnte gezeigt werden, dass bei intakter Oberflächenstruktur feinste Benebelung ausreicht, um Pilzsporen von der Oberfläche zu entfernen. Vergleichsversuche mit Lotus deuteten ebenfalls darauf hin, dass Niederschlag der entscheidende Faktor zur Reduktion bzw. Suppression der Besiedelung mit Pathogenen ist. Die Wachstumstests mit Grünalgen ergaben, dass insbesondere eine Mischkultur aus vier Arten (Chlorococcum spec., Klebsormidium flaccidum, Stichococcus bacillaris, Tetracystis spec.) optimal für Inokulationsversuche mit Baustoffen geeignet ist. Von den getesteten Schimmelpilzen zeigten sich Penicillium chrysogenum und Cladosporium cladosporioides als besonders wachstumsfähig. Der quantitative Nachweis der Algenbelegung durch Autofluoreszenz-Messungen war mit sehr hoher Auflösung möglich, selbst einzelne Algenzellen konnten zuverlässig detektiert werden. Bei den Pilzen gelang es, durch Verwendung des Fluoreszenzfarbstoffs Calcofluor auch makroskopisch nicht erkennbaren Pilzbewuchs zu markieren und exakt zu quantifizieren. Mögliche standardisierte Prüfverfahren für den Nachweis von Mikroorganismen auf Baustoffoberflächen waren damit etabliert.
Die vergleichende standardisierte Prüfung konventioneller und funktionaler technischer Oberflächen hatte folgendes Ergebnis: Bei der Nassdeposition im Labor waren funktionale Oberflächen tendenziell geringer belegt. Bei der Trockendeposition ließ sich nur bei Pilzen ein signifikanter Unterschied zwischen konventionellen und funktionalen Oberflächen erkennen. Die mehrmonatige Auslagerung von Prüfkörpern im Freiland erbrachte sehr heterogene Ergebnisse. Diese bestätigten die hohe Komplexität der Problematik. Weiterführende Untersuchungen zu Kondensationseffekten auf superhydrophoben Oberflächen bewie-sen erstmals unsere langjährige Voraussage, dass die in der Natur immer wieder zu beobachtende Dop-pelstruktur eine entscheidende Bedeutung hat: Kondensation war immer dann minimiert, wenn Oberflächen einen klaren hierarchischen Aufbau aus Mikro- und Nanostrukturen aufwiesen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Während der Projektlaufzeit sind aus dem Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen etwa 20 Publikatio-nen zum Lotus-Effect® und zu angrenzenden Themen erschienen. Darüber hinaus wurde in über 60 Medienbeiträgen über den Lotus-Effect® und den Inhalt des Projekts berichtet. Durch diese Beiträge und durch mehr als 40 Vorträge wurde die Bekanntheit des Themas in der Öffentlichkeit weiter gesteigert. Im Rahmen von 13 Messen und Ausstellungen wurde dem interessierten Publikum auf ganz praktische Weise der Lotus-Effect® und seine Anwendungsgebiete nahe gebracht.


Fazit

Funktionsoberflächen, wie Lotus-Effect®-Oberflächen und photokatalytische Beschichtungen, können hinsichtlich ihrer Resistenz gegenüber Algen- und Pilzbefall eine Alternative zu konventionellen, mit Bioziden ausgestatteten Baustoffoberflächen sein. Die Entwicklung einer standardisierten Prüfmethode für den Vergleich funktionaler und konventioneller Baustoffoberflächen ist gelungen. Die Ergebnisse des Projektes haben bereits einen angewandten Beitrag zur Entwicklung eines neuen funktionalen und um-weltschonenden Dachziegels geleistet. Dieser befindet sich erfolgreich auf dem Markt. Darüber hinaus haben die Ergebnisse die Optimierung funktionaler, umweltschonender Fassadenbeschichtungen unterstützt. Dies hatte die Entwicklung eines neuen selbstreinigenden Fassadenputzes zur Folge, der ebenfalls bereits auf dem Markt erhältlich ist.

Ăśbersicht

Fördersumme

509.758,01 €

Förderzeitraum

05.12.2001 - 05.05.2005

Internet

www.botanik.uni-bonn.de/biodiv/

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik