Projekt 18364/02

Durchführung systematischer Untersuchungen zur Konzeption funktionsgerechter Wanderhilfen im Bereich von Wasserkraftanlagen am Beispiel der Wasserkraftanlage Camburg/Döbritschen (Thüringen) – 2. Phase

Projektträger

Ingenieurbüro Graf Wasserkraftanlagen
Zengerstr. 36
92439 Bodenwöhr
Telefon: 036421/22290

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In Camburg/Döbritschen an der Saale (Thüringen) erfolgten bereits umfassende Untersuchungen hinsichtlich der Restwassermenge und dem Orientierungsverhalten von Fischen im Bereich der Wasserkraftanlage. Diese schlossen Fischauf- und -abstieg und turbinenbedingte Fischschäden einer Kleinwasserkraftanlage ein (vgl. Bericht zur ersten Phase, DBU-Projekt Az 18364/01). Bei diesen Untersuchungen stellte sich heraus, dass der Bau einer zweiten Fischaufstiegsanlage (FAA) am Turbinenkanal für die Gewährleistung der Durchgängigkeit des Standortes zwingend notwendig ist. Im Rahmen der hier dokumentierten 2. Projektphase wurde die FAA errichtet und auf ihre Funktionsfähigkeit hinsichtlich Fischauf- und -abstieg überprüft.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Frühjahr und Sommer 2009 erfolgte der Bau der FAA durch den Bewilligungsempfänger. Die FAA wurde in Form eines Schlitzpasses errichtet, dessen Auslauf im Kraftwerkskanal unterhalb der Turbine liegt und dessen Einlauf dem Rechen benachbart ist. Diese, derzeit noch nicht häufig angewendete Kombination wird besonders für den Fischabstieg neue Erkenntnisse erbringen. Alle neuen Erkenntnisse zur Einordnung, zur Beckengestaltung und zur Leitströmung wurden beachtet. Eine spezielle Leiströmungseinrichtung wurde installiert, um die Auffindbarkeit im Unterwasser zu verbessern.
Nach Errichtung der FAA begannen die Kontrollen im Herbst 2009 durch den Kooperationspartner. Dies umfasst folgende Vorgehensweise: Hydraulisches Aufmaß; Exposition von Makrozoobenthosbesiedlungskästen (8 Wochen); parallele Reusenkontrollen in beiden FAA (Fischauf- und -abstieg) über 8 Wochen während der Hauptwanderzeiten im Herbst 2009 und über 12 Wochen während der Hauptwanderzeiten im Frühjahr 2010. Parallel erfolgten während der Reusenkontrollzeiten Hamenfänge unterhalb der Turbine und Abstiegskontrollen am Wehr in den Neumondwochen, um die Nutzung der FAA für den Abstieg quantifizieren zu können. Je einmal während der jeweiligen Reusenkontrollzeiten erfolgen Elektrobefischungen im Unterwasser des Turbinenkanals und des Mutterbettes. Der methodische Teil wurde im Juni 2010 abgeschlossen.


Ergebnisse und Diskussion

Der neu errichtete Schlitzpass wurde nach Fertigstellung einem baulich-hydraulischen Aufmaß unterzogen, welches nur geringe Abweichungen von den Vorgaben aufzeigte. Während der Reusenkontrollen im Herbst 2009 und im Frühjahr 2010 wurden insgesamt 679 Fische aus 9 Arten erfasst. Ca. 80 % dieser Tiere sind als strömungsliebend zu bezeichnen. Die Funktionsfähigkeit der Leitströmungsverstärkung konnte nicht bestätigt werden. Dennoch waren unterhalb der Turbine keine verirrten Fische festgestellt worden. Der Einstieg wurde also auch mit geringerer Fließgeschwindigkeit aufgefunden. Der Schlitzpass wurde auch durch bodenlebende Fischarten gut angenommen. Während der zeitgleichen Kontrolle des 2005 errichteten Borstenfischpasses wurden 2233 Fische aus 16 Arten erfasst, von denen nur 43,7 % dem rheophilen Artenspektrum zugerechnet werden können. Es wurde deutlich, dass beide FAA an ihrem jeweiligen Standort einem bestimmten Teil des in Döbritschen auftretenden Fischartenspektrums den Aufstieg gewährleisten. Während im Borstenfischpass insgesamt deutlich mehr Fische aufstiegen, konnten im Schlitzpass vermehrt Arten wie Barbe und Bachforelle erfasst werden, die den Weg in das strömungsberuhigte Mutterbett nicht finden konnten. Arten wie die eher schwimmschwache Elritze wurde demgegenüber fast ausschließlich beim Aufstieg im Borstenfischpass beobachtet. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass der Schlitzpass in Zeiten geringeren Durchflusses, wenn das Wehr nicht überströmt wird, als Aufstiegspfad bevorzugt wird.
Die Kontrolldaten wurden der Bewertung nach dem 2006 erschienenen BWK-Methodenstandard für die Kontrolle von FAA unterzogen. Dabei stellte sich heraus, dass beide FAA-Standorte getrennt betrachtet nur eine mäßige Funktionsfähigkeit für den Fischaufstieg aufwiesen. Erst die Gesamtbetrachtung beider Standorte zusammen ergab eine gute Passierbarkeit des Standortes. Diese Ergebnisse belegen die Notwendigkeit, insbesondere bei WKA mit Wasserausleitung alle möglichen Wanderungsrichtungen mit Aufstiegshilfen auszustatten. Dies wird umso wichtiger je artenreicher und vielfältiger hinsichtlich ihrer ökologischen Ansprüche die jeweilige Fischfauna ist.
Der Schlitzpass konnte aufgrund seiner rechennahen Lage auch eine Funktion als Fischabstieg erfüllen. Er wies die gleiche Wirksamkeit wie der bodennah beginnende Fischabstiegsbypass auf. An diesen beiden Standorten konnten je 4 % der absteigenden Fische registriert werden. 66 % der Fische wählten den Weg durch die Turbinen, 24 % stiegen über das Wehr ab und nur 2 % im Borstenfischpass. Im Schlitzpass und im Abstiegsbypass wurden sowohl größere Tiere, die aufgrund ihrer Körpermaße den Rechen nicht passieren konnten, als auch kleinere Exemplare erfasst. Es ist demnach von einer aktiven Wahl der Abstiegsmöglichkeit auszugehen. Das Wehr wurde überwiegend von sehr kleinen Jungfischen genutzt. Im Vergleich zu den 2005 an gleicher Stelle durchgeführten Abstiegsuntersuchungen konnte durch die Installation des Schlitzpasses und durch eine geänderten Öffnungsmodus eine deutliche Verbesserung des gefahrlosen Fischabstieges in Döbritschen erreicht werden. (2005 folgten 86 % der Fische dem Weg durch die Turbine.)
Die erfolgreiche Besiedlung des Schlitzpasses durch Makrozoobenthosorganismen wurde nachgewiesen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Durch mehrere Vorträge auf Fachtagungen und einen Beitrag im Fernsehsender mdr wurde die Präsentation des Projektes gewährleistet. In den Schlitzpass wurde eine Sichtscheibe integriert, die von den Besuchern des Rastplatzes an der WKA sehr gut angenommen wird. An dieser Stelle informiert auch ein Plakat über Ziele und Hintergründe der Untersuchungen.


Fazit

Die These der Notwendigkeit einer zweiten FAA an diesem Standort konnte in vollem Umfang bestätigt werden. Nur so war der Aufstieg für alle anstehenden Fischarten gewährleistet. Für den Fischabstieg spielt die FAA ebenfalls eine Rolle, auch wenn sich die anfängliche Erwartung einer höheren Ableitrate nicht erfüllt hat. Derzeit wird an der WKA ein weiteres DBU-gefördertes Forschungsprojekt (DBU Az 26632) zur Verbesserung der Wirkung des Abstiegsbypasses durchgeführt. Dabei wird auch der Schlitzpass nochmals in die Untersuchungen einbezogen.

Übersicht

Fördersumme

66.000,00 €

Förderzeitraum

18.10.2002 - 30.09.2010

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik