Projekt 18145/01

Modellhafte Sicherung der umweltgeschädigten Chorumgangswand des Baudenkmals St. Nicolai in Zerbst unter Verwendung regionaler historischer Kalkmörtel

Projektträger

Förderkreis St. Nicolai Zerbst e. V.
39261 Zerbst

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Trotz der provisorischen Sicherungsmaßnahmen an der auch im gegenwärtigen Zustand im nationalen wie im europäischen Maßstab bedeutenden ehemaligen Stadtkirche St. Nicolai schreitet der Verfall an einigen Stellen der Umfassungsmauer schnell voran, und der endgültige Verlust des Baudenkmales rückt näher. Ziel ist daher, insbesondere die wertvolle Chorumgangswand so zu sichern, dass durch Einsatz regionaler historischer Kalkmörtel die schädigenden Umwelteinflüsse gestoppt bzw. dauerhaft von der Ruine ferngehalten werden können, ohne dass bauartfremde Materialien verwendet werden müssen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenVerwendet werden sollen Sande und Kiese aus hiesigen Kiesgruben unter Hinzugabe von Ziegelsplitt, um die Mörtelzusammensetzung des ursprünglichen Mauermörtels nachzuempfinden. Die ersten Untersuchungen der vorhandenen Bausubstanz zeigen, dass in der Vergangenheit die üblichen trockengelöschten Baustellenmischungen zum Einsatz kamen. Anlehnend an Erkenntnisse aus Seminarveranstaltungen mit praktischen Vorführungen zur Mörtelherstellung bei der Museumsziegelei Hundisburg wird ca. 1 bis 8 Wochen vor Verwendung der trockengelöschte Mörtel in Kuchenform hergestellt. Die Mengen je Herstellungsvorgang werden auf 20 m³ begrenzt. Diese Mengen sind gerade noch ausreichend, um wirtschaftlich arbeiten zu können und nicht zu groß, um flexibel genug auf neue Erkenntnisse bei der Verwendung des Mörtels durch Änderung der Zusammensetzung reagieren zu können. Die notwendigerweise abzutragenden Bereiche werden zeitlich so abgestimmt, dass an unterschiedlichen Stellen gleichzeitig gearbeitet werden kann. Insbesondere bei kalter und regnerischer Jahreszeit wird so Problemen des Bauablaufes durch mehrere gleichzeitig zu bearbeitende Bereiche entgegengewirkt. Der Abschluss der Mauerkrone muss so erfolgen, dass schädigende Umwelteinflüsse wie Wasser, Erosion, Ablagerungen, Temperatur, Frost u.a. dauerhaft ferngehalten werden können. Dazu sollen unterschiedliche Methoden, wie sie z. B. in Deutschland, Österreich, Schweden und Schottland angewandt werden, diskutiert werden.


Ergebnisse und Diskussion

Das Kirchenschiff, wie auch die gesamte Kirche, wurde als Mischbau aus überwiegend unbehauenen Feldsteinen in den Wandflächen, Sandstein vorrangig in den Traufgesimsen, Strebepfeilern und Fenstergewänden sowie Ziegel als Füllmaterial in ungeordneter Zugabe verwendet. Die Reparaturmaßnahmen, für die der beschriebene Mörtel verwendet wurde, waren notwendig, um die verheerenden Mauerwerksverschiebungen und -schädigungen beheben zu können. Trotz Substanzverlust bei der Sanierung in Teilbereichen konnten weite Bereiche des historischen Mauerwerks, der Fassadenputze - insbesondere auch durch die Beauftragung der Wandwerk GbR zur Restaurierung der Putze durch Hinterspritzung und Anböschung - sowie der Farbreste der Innenseite der Wände erhalten werden.
Durch die Entscheidung, statt der Verwendung heute gebräuchlicher konfektionierter Materialien den historischen Mörtel des Baus zu analysieren und in trockengelöschter Ausführung wieder zur Anwendung kommen zulassen, wurden der Zustand des Mauerwerkes an keiner Stelle verändert und die - durch äußere Einflüsse entstandenen Schäden - in schonender Art und Weise saniert und der ursprüngliche Zustand des Mauerwerkes wieder hergestellt. Folgende Ergebnisse wurden aus der augenscheinlichen und naturwissenschaftlichen Untersuchung des historischen Mörtels gewonnen.
v Es handelt sich um einen bindemittelreichen reinen Kalkmörtel.
v Die Sieblinie des Sandzuschlages liegt bei 0,125 - 32 mm, wobei ein außergewöhnlich großer Anteil auf die Fraktion zwischen 8 und 16 mm fällt.
v Augenscheinlich konnte Ziegelsplitzuschlag von ca. 0,5 bis 25mm festgestellt werden.
v Der Mörtel weist eine hohe Anzahl von Kalkspatzen auf, die eine Größe bis zu 3 cm erreichen.
v Um zahlreiche silikatische Zuschläge sind Säume von Kalciumsilikathydraten vorhanden, die höchstwahrscheinlich durch die hohen Temperaturen beim Löschen des Kalk-Sand-Gemenges entstanden sind, indem die Ränder des Zuschlages abgelöst werden.
v Der Mörtel weist einen hohen Gipsgehalt auf, der auch augenscheinlich feststellbar ist.
Die Analysenergebnisse verweisen auf die historische Verwendung eines Mörtels, der im trockengelöschten Verfahren hergestellt wurde. Mit diesem, nun auch im Rahmen dieses Projektes wieder verwendeten Verfahren lässt sich ein hoher Bindemittelreichtum des Mörtels einstellen, da dieser deutlich weniger Neigung zur Schwindung zeigt. Die hohe Sieblinienfraktion des Sandes zwischen 8 und 16 mm wurde gewählt, um der großen Anzahl von Zwickeln des Feldsteinmauerwerks durch optimalere Verfüllung einen entsprechenden Halt zu geben. Der hohe Anteil an Kalkspatzen im Mörtel ermöglichte ein höheres Wasserrückhaltevermögen während der Vermauerung und trug so zu einer besseren Karbonatisierung des Mörtels bei. Leider wurde durch die hohe Luftverschmutzung im letzten Jahrhundert das feste Kalkgebinde des Mörtels in weniger festen und höher löslichen Gips umgewandelt. Die dadurch vor allem oberflächig entstehende starre, feste Kruste weist eine höhere Härte auf als gesündere Mörtelgefüge. Daraus entstehen auf Grund auseinander wachsender physikalischer Eigenschaften Gefügeabrisse.
Die Sanierung sowie die Analyse des Mauerwerkes haben gezeigt, dass bei Ruinenmauerwerk dieser Größenordnung die inzwischen bekannten Probleme der Verwendung heutiger Zementmörtel durch den Einsatz historischer, hier trockengelöschter Mörtel weitgehend ausgeschlossen werden können.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die o.g. Kooperationspartner Wandwerk GbR und die Hochschule Magdeburg - Stendal waren ständige Begleiter der Maßnahme. Die Zuarbeiten (Dokumentation Mörtelherstellung sowie Diplomarbeit zum Thema) sind dokumentiert. Durch mehrere ausführliche, auch mit Fotos versehene Zeitungsartikel sowie das große Bauschild wurde die regionale Bevölkerung auf die Fördermaßnahme aufmerksam gemacht.


Fazit

Die Verwendung historischer, auf das Bauwerk zugeschnittener Mörtel hat einen erheblichen Einfluss auf Aussehen, Standsicherheit und Dauerhaftigkeit des Gebäudes und wirkt sich meistens positiv aus.
Die bedenkenlose Verwendung heutiger vorkonfektionierter Mörtel birgt vor allem dann hohe Risiken, wenn - wie im vorliegenden Fall - besondere äußere Einflüsse auf das Bauwerk einwirken wie:
v Temperaturschwankungen bei ungeschützten langen Mauern,
v Sanierung statischer Schäden nur in Teilbereichen,
v Witterungseinflüsse (Wind, Regen, Schnee, Tauwasser und Frost) auf ungeschützte Ruinenmauern.
Allerdings kommt dem Schutz der Krone als Wandabschluss (die Mauerkrone bei St. Nicolai ist 1,55 m breit), eine besondere Bedeutung zu. Diesem Fakt ist eine weitere DBU-Fördermaßnahme gewidmet.

Übersicht

Fördersumme

102.258,38 €

Förderzeitraum

07.02.2001 - 31.07.2002

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik