Projekt 17903/01

Beispielhafte Restaurierung und Dokumentation einer umweltgeschädigten historischen Spinnerei als national wertvolles technikgeschichtliches Zeugnis des 19. Jahrhunderts

Projektträger

Stadt Bramsche
49554 Bramsche
Telefon: 05461/9451-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel des Projektes war es, Verfahren und Methoden der Restaurierung an technischem Kulturgut aufzuzeigen. Dies geschah modellhaft am Beispiel eines vollständigen Spinnereibetriebes aus der Mitte des 19. Jahrhunderts geschehen, den das Tuchmacher Museum Bramsche im Herbst 2000 in Sachsen-Anhalt erworben hat. Die Maschinen dieses vollständig erhaltenen Ensemble stellen eine in der Geschichte der Industrialisierung äußerst seltene Überlieferung dar.
Die Zeugnisse dieser frühesten Industrialisierung sind äußerst selten, da sich die Unternehmen bei der Anschaffung der jeweils neuesten Produktionsmaschinen in der Regel nicht mit dem Erhalt der alten belasten und technische Museen in der Regel erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts gezielt Maschinen aus der Zeit der Industrialisierung sammelten.
Das vom Tuchmacher-Museum Bramsche erworbene Spinnereiensemble umfasst eine vollständige Einrichtung: Reiß- und Spinnkrempel, Zwirnmaschine, Haspel und Reißwolf, vor allem aber eine Crompton-Mule, ein Entwicklungsschritt zwischen der Spinning-Jenny und der vollmechanischen Spinnmaschine. Lediglich vier Spinnmaschinen dieses Typs, die 1776 entwickelt wurden, sind derzeit in Europa bekannt. Diese neue Maschine im Tuchmacher-Museum Bramsche dürfte um 1800 in England gebaut und um 1870 gebraucht von einer kleinen Spinnerei in Tangermünde erworben sein. Allem Anschein nach ist die Crompton-Mule die bislang älteste Maschine dieses Typs, die in Europa überliefert ist.
Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist es, einen exemplarischen Beitrag zur Entwicklung der Restaurierung als wissenschaftlichem Fachgebiet zu leisten. Technische Dokumentation, historische Dokumentation, Demontage, Restaurierung sowie Wiederaufbau sind die wissenschaftlichen und handwerkli-chen Schritte, die der letztendlich musealen Präsentation vorangehen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer originale Maschinenbestand aus der Zeit 1800 bis 1870 wurde vollständig übernommen. Durch die Übernahme in das Museum wurde das Spinnereiensemble in Tangermünde zwangsläufig zerstört. Die museale Erhaltung vor Ort war vorab geprüft worden und konnte nicht realisiert werden.
Als Ausgleich wurde die Maschinenverteilung in Tangermünde maßstäblich aufgenommen und durch eine filmische und fotografische Dokumentation ausführlich festgehalten.
Am Beispiel der Crompton-Mule, der wertvollsten Maschine aus Tangermünde, soll hier kurz das Restaurierungsziel definiert werden: Der auslaufende Gebrauch wurde als Referenzzeit festgelegt. Der auslaufende Gebrauch ist durch die zunehmend geringer werdende Nutzung im Verlauf der letzten 40 Jahre gekennzeichnet. Als Konsequenz daraus werden lediglich die groben Verschmutzungen der letzten 10 Jahre, der Stillstandszeit, entfernt. Der abnehmende Gebrauch soll u. a. dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Entrostung ehemals blanker Stahlteile nicht vorgenommen wird. Eine Funktionsreaktivierung ist nicht vorgesehen, dies verbietet allein schon der hohe Wert der seltenen Maschinen.
Als leitende Fragen in diesem Projekt galten:
1. Wie kann die Authentizität der Überlieferung von Objekten geklärt werden?
2. Welche Kriterien gibt es zur Bestimmung der Ensemblegrenzen?
3. Welche Restaurierungsziele ergeben sich daraus?
Alle drei Fragen waren konstitutiv für das pragmatische Vorgehen bei Demontage, Restaurierung und Präsentation. Die Ergebnisse des Projektes vermitteln eine modellhafte Darstellung dieser Entscheidungsprozesse.


Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse dieses praktischen und anwendungsorientierten Vorhabens sollen - in allgemein ver-ständlicher Sprache - Anwender und Multiplikatoren erreichen:
- Ausrichter von Fortbildungsveranstaltungen;
- Museumsleiter, die häufig aus dem historischen und kunsthistorischen Kontext kommen, aber auch die Restaurierung von technischem Kulturgut zu verantworten haben;
- Museumstechniker im Sinne einer praktischen Anleitung und
- mittlere und kleinere Museen, die sich weder einen Techniker oder Restaurator noch eine Fremdvergabe an Fachfirmen leisten können, aber dennoch in ihren Aufgaben auch der Dokumentation und Bewahrung von technischem Kulturgut verpflichtet sind.Das Projekt umschließt damit einerseits einen technik- bzw. kulturgeschichtlichen und andererseits einen umweltorientierten Bereich im Sinne der Umweltbildung und des verantwortungsvollen Erhalts von technischem Kulturgut.
Da es in diesem Bereich letztendlich kein falsch oder richtig gibt, werden in den Ergebnissen unsere Diskussionen transparent gemacht, alternative Möglichkeiten beschrieben und unsere Entscheidungen am Beispiel unserer Objekte modellhaft vorgestellt (z. B. in der Internetpräsentation unter Unser Beispiel).
Die Ergebnisse des Projektes sind eng verzahnt mit dem Bereich


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

und werden deswegen dort vorgestellt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Ergebnisse / Öffentlichkeitsarbeit / Präsentation:
1. Abbau in Tangermünde, Aufbau in Teilen im TMB in der Dauerausstellung, damit
2. Modellhafte Präsentation eines aufgelösten Ensemble
3. Erstellung von zwei Filmen für den Museumsbesucher:
1. Geschichte der Unternehmerfamilie und des Betriebes: Familienalbum Willführ (12 min)
2. Als Blick hinter die Kulissen des Museums und der Restaurierungswerkstatt: Restaurierung einer historischen Spinnerei (12 min)
4. Erstellung eines dritten Filmes mit veränderter Zielgruppe (s. oben) und vertiefenden Fragen zum selben Komplex: Restaurierung einer historischen Spinnerei (35 min) ISBN-Nr. 3-929976-67-5
5. Erstellung einer Internetpräsentation www.museum-restaurierung.de mit einer umfangreichen Abhandlung des Restaurierungs- und Dokumentationsprozesses.
6. Im Archivbestand des Museums: 10 Filmstunden Dokumentation des gesamten Projektverlaufes
7. Im Archivbestand des Museums: Dokumentation der Restaurierung
8. Veröffentlichung: Meyer, Susanne, Götz, Kornelius, Eine Tangermünder Spinnerei dokumentieren, konservieren und reaktivieren, in: Technik und Kultur, Kurseinheit 3, Weiterbildendes Studium Restaurierung, FernUniversität-Gesamthochschule in Hagen, 2002, S. 115-131.
9. Darstellung des Projektes im Seminar Denkmalpflege am Lehrstuhl für Denkmalpflege und Entwerfen der TU Dresden, WS 2000/01
10. Vorträge auf dem 4. Freiberger Industriearchäologischen Kolloquium, 17.-19. Nov. 2000:
1. Susanne Meyer, Bramsche, Kornelius Götz, Oettingen: Konservierung statt Erneuerung. Ein Projekt zur modellhaften Restaurierung einer historischen Spinnerei.
2. Susanne Meyer, Restaurierung im Industriemuseum. Projektpräsentation im Rahmen der Veranstaltung der Stiftung Niedersachsen Neue Medien im Museum, Hannover, 14.11.2002. Zudem gab es intensive laufende Berichterstattung in der regionalen und überregionalen Presse.


Fazit

Eine der ältesten noch funktionsfähigen Spinnmaschine Europas - eine Crompton Mule aus dem frühen 19. Jahrhundert - konnte vor der Zerstörung bewahrt werden, in umweltverträglicherweise nachhaltig konserviert und restauriert werden und dauerhaft im Tuchmacher Museum Bramsche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der Restaurierungsprozess - vom Abbau bis zur Präsentation - wurde in Filmen und einer Internetpräsentation transparent gemacht.
Das Projekt konnte dank der großzügigen Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und durch die Stiftung Niedersachsen erfolgreich abgeschlossen werden.

Übersicht

Fördersumme

51.013,64 €

Förderzeitraum

19.01.2001 - 19.01.2003

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik