Projekt 17733/01

Entwicklung und Auswertung einer energetisch optimierten Sanierung mittels Vorhangfassade und integriertem Sonnenschutz

Projektträger

IE Graphic Engineering München GmbH
Paul-Gerhardt-Allee 50
81245 München
Telefon: 089/829939-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bei heutigen Bauvorhaben wird zunehmend Glas als Fassadenmaterial verwendet. Allzu oft führt die unreflektierte Verwendung von Glas zu großer Überhitzung der Innenräume, die nur mit großem Kühlenergieaufwand kompensiert werden kann. Eine zweite Problemstellung ist die Nutzung des Tageslichtes. Beide Problemfelder konzentrieren sich auf ein Bauteil: den Sonnenschutz. Ziel des Vorhabens war es einen Sonnenschutz mit entsprechender Steuerung zu entwickeln, der den skizzierten Anforderungen Rechnung trägt. Er sollte bis zur industriellen Vorserie entwickelt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenMittels Gebäudesimulationen wurden konzeptionelle Vorüberlegungen überprüft und bis zur detaillierten Abstimmung einzelner Bauteile weiterentwickelt. Dabei zeigte sich, dass neben der Qualität des Sonnenschutzes die Regeltechnik des Gebäudes von entscheidender Bedeutung für den Energieverbrauch eines Gebäudes ist. Parallel wurden die retroreflektierende Lamelle und die Konzeption der Gebäuderegelung entwickelt. Größe, Reflexionsverhallten, Zahnformung, und Wölbung der Lamelle wurden be-rechnet. Die präzise konkave Ausformung der Lamellen unter Berücksichtigung der Toleranzen der mikrostrukturierten Oberfläche war zu berechnen, so dass die gewünschte, blendfreie Retroreflexion in den Außenraum stattfindet. Spezielle Rollformwerkzeuge, die das flache Lamellenmaterial in eine präzise, konkave Auswölbung bringen, waren zu erstellen. Materialtests und Versuche wurden gefahren, um eine für die industrielle Serienproduktion reife Ausführung zu entwickeln. Die Berechnung und Simulation der Reflektionen des Lichtes bei verschiedenen Winkelpositionen bildete die Vorgabe für die Programmierung der Lamellensteuerung und der Winkelautomaten. Um Die Kosten tief halten zu können, musste die neue Lamelle über bestehende Produktionslinien zu Behängen zusammengebaut werden können.
Die Wechselwirkung zwischen den Sonnenschutz/Lichtlenksystemen, der Doppelfassade, den Büros und auch die jeweils eingesetzte Technologie, vor allem aber die Regelungstechnik mit dem Nutzerverhalten, sind wichtige Einflussgrößen auf das Optimierungsergebnis. Mit der dynamischen Simulation wurde das Gebäude und die Regelungstechnik optimiert und gleichzeitig die Lösung kosteneffizient mit Hardware-in-the-loop-Techniken in die Regelungshardware übertragen.Das Leitsystem wurde als PC-Software mit einfacher CAN-Bus-Koppelung realisiert. Das Leitsystem ist in der Lage, alle Daten auf dem Bus zu sammeln und für Analysen und Betriebsoptimierungen aufzuar-beiten.


Ergebnisse und Diskussion

Kreative Leistung und Effizienz sind stark vom Wohlbefinden abhängig, deshalb sollten architektonische und technische Lösungen dieses Ziel für den Menschen anstreben. Zwei wichtige Komponenten für das Wohlbefinden, nämlich Licht und Klima werden von unserem Vorhaben berührt.
Die Sonnenenergie ist mit transparenten Gebäudehüllen ideal für die Tageslichtausleuchtung in Büros und für die Heizung nutzbar. Im Kühlfall ist dieses Angebot ungünstig. Die Sonne ganz auszublenden ist nicht sinnvoll, da mit dem Kunstlicht der Wärmeeintrag höher wird und gleichzeitig der Nutzer bei geschlossenem Sonnenschutz um einen schönen freien Blick gebracht wird. Konventionelle Lamellen müssen bei Sonnenschein so steil gestellt werden, dass auch die diffuse Strahlung stark reduziert in den Raum kommt. Das Kunstlicht muss früher und häufiger eingeschaltet werden. Mittels dynamischer Simulation wurde im Vergleich zu einer Referenzvariante der Einfluss der Kunstlichtregelung und ein System, das genau den erforderlichen blendfreien Lichtanteil in die Räume lässt, untersucht. Der Lichtenergiebe-darf mit der Kunstlichtregelung wurde von 214 650 auf 153 692 kWh/Jahr und mit dem Lamellensystem in der Fassade nochmals auf 127 158 kWh reduziert. Gleichzeitig wird die erforderliche Kühlleistung von 261 auf 195 kW reduziert. Der Kühlenergiebedarf wird von 75 000 auf 29 000 kWh/Jahr reduziert. Dieser Effekt ist mit unterschiedlichen Systemen erreichbar, jedoch in unterschiedlicher Qualität. In der Summe der Argumente war das System Köster mittels Retroreflexion eindeutig erste Wahl. Hier wird das Licht möglichst in Richtung Sonne zurückreflektiert, so dass nur minimale Störungen durch Reflexionen auftreten und der Blick nach draußen erhalten bleibt, bei einer gleichzeitig sehr guten diffusen Raumausleuchtung. Die Retroreflexion ist eine wirkungsvolle Methode die überschüssige Energie im Sommer außerhalb des Gebäudes zu halten.
Materialeigenschaften aber auch die Herstellungskosten führten dazu, dass eine konventionelle Lamellenbreite von 80mm ausgeführt wurde. Sowohl schmalere Lamellen wie auch die zuerst gewünschten Breitlamellen von 300 mm Breite erwiesen sich als nicht formstabil. Den Planern von Köster + Köster und den Ingenieuren von hüppe form ist es gelungen, im Rahmen dieses Forschungsvorhabens eine Retrolamelle zu entwickeln, die industriell hergestellt und zu angemessenen Kosten dem Markt verfüg-bar gemacht werden konnte.
Damit der durchgängige Prozess nicht unterbrochen wird, wurde die Gesamtverantwortung von der Energieberatung, der dynamischen Gebäude- und Anlagensimulation über das Regelungskonzept bis hin zur Inbetriebnahme der gesamten Regeltechnik mit Leitsystem der Delzer Kybernetik übertragen. Ein Vorgehen, dass garantiert, dass neue Konzepte und Lösungen auch realisiert werden. Folgende Punkte sind für eine erfolgreiche und kostengünstige Realisierung wichtig:
1. Dynamische Simulation des Gebäudes, der Haustechnik und der Regelungstechnik.
2. Die gleiche Regelungstechnik wie bei der Simulation wird mittels automatischer Codegenerierung in der vollen Funktionalität von der PC-Simulation auf das Steuergerät übertragen.
3. Vor Ort werden Steuergeräte für Testfahrzeuge mit Standardschnittstellen zu Sensoren und Aktoren eingesetzt. Vernetzung mit CAN-Bus.
4. Der CAN-Bus ist leistungsfähig und bewährt. Es stehen viele Sensoren, Aktoren und Standardschnittstellen zur Verfügung.
5. Einfache Vernetzung mit dem PC.
Auf dieser Basis wurde ein Gesamt-Regelungskonzept erstellt und umgesetzt. Die heutige Benutzung bestätigt die hohe Funktionalität, Flexibilität und Betriebssicherheit.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Retrolamelle und deren Weiterentwicklungen wurde von Köster + Köster und hüppe form an mehreren Messen gezeigt. Publikationen und Produktprospekte liegen vor. Delzer und Köster hielten mehrere Referate zu den Konzepten und Ergebnissen.


Fazit

Mit der Retrolamelle liegt heute ein Serienprodukt vor, das die Behaglichkeit der Nutzer steigert, den Blick trotz Vollverschattung nicht verstellt und die Energiekosten deutlich senkt.
Der Einfluss der Regelungstechnik auf die Behaglichkeit und den Energieverbrauch wird heute völlig unterschätzt. Nur ein durchgängiges Konzept mit durchgängig verantwortlichen Partnern schöpft das Einsparpotential aus. Im Vergleich zu herkömmlichen Bürogebäuden konnte der Energieverbrauch um über 50 % gesenkt werden.
Solche Resultate sind nur zu erzielen, wenn alle Beteiligten, von der Bauherrschaft, den Ingenieuren und Fachplanern auf dieses Ziel hin arbeiten und bereit sind, persönlich in die Verantwortung gehen. Der wichtigste Impulsgeber dabei, bleibt der Architekt.

Übersicht

Fördersumme

102.258,38 €

Förderzeitraum

28.06.2000 - 28.09.2002

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik