Projekt 17462/01

Förderung der Idee der Lokalen Agenda 21 in zwei Musterregionen Polens

Projektträger

Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR)
Grabenstr. 23
53359 Rheinbach
Telefon: 02226/2045

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Diskussion darüber, wie Nachhaltige Entwicklung konkret aussieht und was sie bedeutet, welche Entwicklungschancen sie bietet, aber auch, wo Probleme auftreten, findet in Polen noch sehr uneinheitlich statt. Die Regierung in Warschau ist bemüht, im Rahmen ihrer internationalen Verpflichtungen (z. B. Rio +10) sowie bei den Beitrittsverhandlungen mit der EU entsprechende Nachhaltigkeitsgedanken zu formulieren; mit der Umsetzung tut sie sich sehr schwer. Auf kommunaler Ebene hingegen findet man nur sehr sporadisch entsprechende Initiativen. Dabei sind es gerade die Gebietskörperschaften, die mit ihren politischen Konzepten jetzt die entscheidenden Weichen stellen.
Deshalb sollten in zwei ganz unterschiedlich geprägten Regionen Polens, in denen Euronatur tätig ist, lokale Agenda-Prozesse angestoßen und fachlich begleitet werden. Dabei handelte es sich um eine sehr strukturschwache ländliche Region (Narew-Gebiet) sowie ein Ballungszentrum (Breslau/ Wroclaw).


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEs sollten (1.) Diskussionsprozesse um eine lokale Agenda in den Regionen angestoßen und (2.) lokale Kräfte mit dem Ziel, zukünftig selbst ökologisch angepasste und wirtschaftlich innovative Regionalentwicklungskonzeptionen entwickeln und umsetzen zu können, qualifiziert werden. Es sollten (3.) Konzepti-onen für die Anwendung kostengünstiger und gleichzeitig innovativer Umwelttechnik entwickelt werden. (4.) Modellhafte Projekte der DBU sollten analysiert und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf polnische Verhältnisse überprüft werden, um daraus (5.) ggf. Hinweise zu entwickeln, wie die Unterstützung innova-tiver Projekte in Polen zukünftig evtl. optimiert werden kann. Die Arbeitsschwerpunkte haben sich an spezifischen Problemen der Projektregionen orientiert. Im Narew-Gebiet ging es primär um Fragen der nachhaltigen Landwirtschaft, Nutzung von Biomasse, Abfallfragen und Abwasserlösungen, während in Wroclaw Energiefragestellungen sowie Agrarthemen (Stadt/ Land-Beziehungen) behandelt wurden.


Ergebnisse und Diskussion

Für eine erfolgreiche Projektentwicklung waren verschiedene, aufeinander aufbauende Schritte notwendig, um im Sinne einer Lokalen Agenda 21 tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung in den Projektgebieten anzustoßen.
Zunächst war es erforderlich, überhaupt ein Bewusstsein bei Entscheidungsträgern und der Bevölke-rung dafür zu schaffen, was nachhaltige Entwicklung auf der lokalen Ebene bedeutet, welche Chancen sie bietet und wie die lokalen und regionalen Potential erkannt, entwickelt und umgesetzt werden können. Kurzum: ein gänzlich neues Denken musste etabliert werden, weg vom top-down Ansatz des alten sozialistischen Systems (Befehle von oben) hin zu einem bottom-up Ansatz, selbstständig vor Ort Dinge zu entwickeln und umzusetzen. Diese Bewusstseinsbildung, die viel Zeit in Anspruch nahm, aber letztlich sehr erfolgreich verlief, schaffte überhaupt erst die Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung des Agenda Prozesses. In sofern war die Bewusstseinsbildung im Projektverlauf der entscheidende Weg in eine nachhaltige Zukunft. Dieser Prozess war ein steiniger Weg der kleinen Schritte. Große Veränderungen geschehen nicht von heute auf morgen. Die Bewusstseinsentwicklung für Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten spielte im Projekt eine wichtige, wir meinen sogar die entscheidende Rolle.
Oft werden bei Projektabschluss sichtbare, konkrete Einzelergebnisse herangezogen, um zu bewerten, ob das entsprechende Projekt erfolgreich und somit gut war oder nicht. Auch wir können auf viele sichtbare Dinge verweisen, die während des Projektes realisiert wurden: z. B. die ersten beiden polnischen Hofkäsereien, die EU Norm entsprechen, oder die mittlerweile rund 150 gebauten, dezentralen Abwasseranlagen. Wir meinen aber, dass der Weg zur Erreichung dieser konkreten Ergebnisse viel wichtiger war als die realisierten Projekte selbst. Es hat sich ein völlig neues Denken etabliert, die Menschen haben verstehen gelernt, dass in ihrer Region Potentiale schlummern, die nur sie selbst entwickeln und auch umsetzen können. Die letztlich realisierten sichtbaren Projekte waren somit letztlich nur schöner und greifbarer Beweis dafür, dass ein entsprechender bottom-up Ansatz tatsächlich möglich ist. Die entscheidenden Veränderungen im Denken - das sollte man bei der Bewertung des Projektes beachten - kann man nicht sehen. Wohl kann man sie vor Ort erleben! Und besonders erfreulich: dieses neue Denken strahlt mittlerweile weit über die Regionen hinaus. Einige Projekte wurden mittlerweile (z. B. vom polnischen Landwirtschaftsministerium) als Vorbild für Polen charakterisiert. So wurde am 16.05.06 auf einer Konferenz, an der 250 Veterinäre teilnahmen, die Ergebnisse des Narew-Projektes erörtert und als mustergültig für die Ländliche Entwicklung Polens dargestellt.
Um die Betroffenen immer wieder motivieren und begeistern zu können, musste ihnen die Möglichkeit geboten werden, ihre Ideen und Vorstellungen bei der Zukunftsgestaltung bzw. der nachhaltigen Entwicklung der Region einbringen zu können. An dieser Stelle setzte eine weitere Phase im Verlauf des Projek-tes an: die Entwicklung von eigenen Ideen und Strategien zur Realisierung derselben. Die Basis war hier die Einleitung eines breiten Diskussionsprozesses, der stets eine Konsensfindung zwischen den ver-schiedenen Akteuren vor Ort zum Ziel hatte. Damit sollten alle Beteiligten ihre Wichtigkeit und ihre Funktion in der Gemeinschaft erkennen und sich auch mit den Entwicklungen in ihrer Region identifizieren. Für den Strategiefindungsprozess war die Darstellung und Besichtigung von Vergleichsprojekten oft sehr hilfreich und unterstützte nachträglich die Bewusstseinsbildung. Der Erfahrungsaustausch leistete oft gute Dienste zur Zielformulierung und Entwicklung eines Gerüstes für Handlungsmöglichkeiten. Denn wir haben im Verlauf des Projektes die wertvolle Erfahrung gemacht, dass die Projektpartner viele Lösungsmöglichkeiten und Anregungen leichter begriffen und dann auch umgesetzt haben, nachdem sie sich anhand der Besichtigung von Vergleichsprojekten (z. B. in Deutschland) von der Umsetzbarkeit überzeugen konnten. Die Wichtigkeit dieses Ansatzes wurde von uns bei der Projektbeantragung unterschätzt.
Das Ergebnis des gesamten Prozesses war letztlich dann eine systematische Umsetzung in konkrete Handlungsschritte und Projekte.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

In beiden Projektgebieten wurden die Entwicklungen innerhalb der einzelnen Projektbereiche durch Öffentlichkeitsarbeit (Pressemitteilungen, Beiträge in Zeitschriften, Erstellung von Internetseiten etc. ) sowie Materialien zu Veranstaltungen und Konferenzen begleitet. Das Thema Abwasser in der Narew Region wurde sogar in einer Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses aufgegriffen und die Gemeinde Sokoly als gutes Beispiel für die Nutzung angepasster Technologien angeführt.


Fazit

Das Lokale Agenda Projekt hat sich sowohl im Projektgebiet Wroclaw als auch in der Narew-Region er-folgreich entwickelt. Insgesamt wurden viele Initiativen angestoßen, die sich auch nach Ablauf des Projektes weiterentwickeln werden. Wir haben Menschen zusammengebracht und einen Diskussionsprozess angeregt, der sich in vielen Bereichen in der Umsetzung konkreter Maßnahmen und Projekte niedergeschlagen hat.
Es gründen sich Vereine und Verbände, um die Region nachhaltig weiterzuentwickeln. Bestes Beispiel ist die Anstrengung im Narew Gebiet, LEADER Region zu werden. Hier arbeiten viele Menschen aus einer Gegend und aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Hand in Hand an einem Konzept: die Region wirtschaftlich zu stärken. Viele Ergebnisse und Projekterfolge aus dem Lokale Agenda Projekt fließen in die Strategie für das LEADER+ Projekt ein und sollen dann durch LEADER weiter ausgebaut und vertieft werden (z. B. Biomassenutzung, Abwasserlösungen, Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte).
Die Partner vor Ort sind aufgrund der im Agenda Projekt gewonnenen Erfahrungen in der Lage, eigenständig die begonnenen Projekte weiterzuführen. Sie haben gelernt, das Potential ihrer Region zu nutzen. Das Projekt hat aber auch gezeigt, dass im Agenda Prozess oft viele kleine Schritte gegangen werden müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Dazu gehört auch ein langer Atem aller Projektbeteiligten. Nicht zuletzt die Einstimmung auf unterschiedliche Mentalitäten und Ansichten gestaltet den Prozess bisweilen langwierig. Doch dieser Lernprozess auf beiden Seiten gehört einfach dazu. Erst dann können die Partner erkennen, warum dieser oder jener Schritt gegangen werden musste oder warum vielleicht auch ein Rückzug eher in Frage kommt.

Übersicht

Fördersumme

500.000,00 €

Förderzeitraum

15.04.2002 - 01.03.2006

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Umweltkommunikation