Projekt 17314/01

Detoxifizierung holzschutzmittelbelasteter national wertvoller Kunstobjekte mit Farbfassungen und Oberflächenveredelungsschichten am Beispiel des Epitaphs von Döben und des Heiligen Grabes des Stiftes Neuzelle (Sachsen und Brandenburg)

Projektträger

Staatliche Museen zu BerlinPreussischer KulturbesitzRathgen-Forschungslabor
Schloßstr. 1 a
14059 Berlin
Telefon: 030/3267-4915

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Dekontamination von Organochlor-Bioziden (DDT, Lindan, PCP) in ortsveränderlichem und fixem Kunst- und Kulturgut aus Holz ohne und mit Farbfassungen sowie Oberflächenveredelungsschichten durch Extraktion mit superkritischem Kohlendioxid bzw. Anwendung von flüssigen Entgiftungsmitteln in Kombination mit dem Vakuumwasch-Verfahren. Maximale Abreicherung der Biozide und Verhinderung künftiger Biozidausblühungen unter weitgehendem Erhalt der Originalsubstanz. Übertragung der Tech-nologien
auf die Modellobjekte


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür die Detoxifizierung mit superkritischem Kohlendioxid wurden unbelastete und mit Bioziden belastete Proben mit verschiedenen Farbfassungen und Polituren hinsichtlich einer Veränderung der Oberflächenstruktur, des Farbwertes und des Dekontaminationsgrades untersucht. Ihre Behandlung erfolgte in Laboranlagen unterschiedlicher Größe. Nach der Optimierung der Versuchsbedingungen fand die Dekontamination der Figuren des Epitaphs von Döben (Modellobjekt 1) in einer Technikumsanlage statt.
Zur Biozidabreicherung an ortsfesten Holzbauteilen mussten zunächst geeignete emulgierbare Entgiftungsmittel gefunden bzw. hergestellt werden. Diese Mittel wurden in Kombination mit dem Vakuumwasch-Verfahren an Biozid belasteten Holzelementen im Labormaßstab getestet. Die daraus resultierende Entgiftungstechnologie gelangte an ausgewählten Kulissen des Heiligen Grabes aus dem Stift Neuzelle (Modellobjekt 2) und zusätzlich im Dachstuhl des Gotischen Hauses im Wörlitzer Park zum Einsatz.
Der Dekontaminationsgrad wurde mit einem Mikro-Röntgenfluoreszenz-Spektrometer auf der Basis der Chlor-Zählrate ermittelt und mit dem gaschromatographisch bestimmten Biozidgehalt korreliert.


Ergebnisse und Diskussion

Die Labor- und Technikumsversuche mit superkritischem Kohlendioxid haben eine deutliche Abreicherung der Biozide ergeben. Je nach den Versuchsbedingungen, dem Aufbau und Zustand des Holz-trägers und der Fassung werden Dekontaminationsgrade von mehr als 90% bei vorheriger Behandlung mit DDT und Lindan enthaltenden Holzschutzmitteln erreicht. Die einzelnen Fassungen und Polituren reagieren unterschiedlich auf das superkritische Kohlendioxid. Öl/Harz-gebundene Fassungen werden im Allgemeinen stärker beeinflusst als Temperafassungen. Schellack-Oberflächen werden matt und Öl-vergoldungen weisen eine Craquelé- sowie Blasenbildung auf. Entscheidend für den Erhalt des strukturellen Aufbaus von Holzträger und Fassung ist eine langsame Entspannung des Kohlendioxids auf Normalbedingungen. Je rascher entspannt wird, umso stärker ist die Gefahr einer Rissbildung und des Aufblähens von Fassungsschichten. Werden größere und stark kontaminierte Objekte entgiftet, muss durch den Separator nachgeschaltete Aktivkohlebehälter sichergestellt werden, dass keine Biozide aus dem Kreislauf in die Umwelt gelangen. Die Figuren des Epitaphs von Döben (Modellobjekt 1) wurden ohne wesentliche Veränderung ihrer Originalität mit Abreicherungsraten von max. 93% dekontaminiert und zwei Figuren restauriert.
Eine zusätzlich in das Arbeitsprogramm aufgenommene Detoxifizierung mit Arsen- und Quecksilberverbindungen belasteter ethnologischer Objekte durch superkritisches Kohlendioxid ergab erste positive Resultate.
Für die Oberflächen- und Teildekontamination unbeschichteter, ortsfester und/oder großformatiger Holzbauteile wurden zwei flüssige Entgiftungsmittel auf der Basis umweltverträglicher Substanzen geprüft. Beide Mittel weisen ein ausgezeichnetes Lösevermögen für Organochlor-Biozide auf und werden aus dem Holz unter Emulsionsbildung mit Hilfe der Vakuumwasch-Technologie wieder entfernt. Die Abreicherungsrate auf der Holzoberfläche liegt im Vergleich zur bisher praktizierten Wasservariante mit et-wa 20 - 30% bei ca. 80 - 90%. In den ersten 2 mm unter der Holzoberfläche werden bis zu 60% des ursprünglich vorhandenen DDT abgereichert. Die noch im Holz enthaltenen Biozidreste lassen sich durch Ausfällung der Emulsion unter Verwendung von Holzinhaltsstoffen absperren. Die mit den Entgiftungsmitteln behandelten holzsichtigen Teile des Heiligen Grabes aus dem Stift Neuzelle (Modellobjekt 2) zeigen bisher keine auffälligen Veränderungen. Die im Dachstuhl des Gotischen Hauses im Wörlitzer Park angelegten Probeachsen sollen für Langzeit-Beobachtungen dienen.
Auf der Suche nach weiteren Dekontaminationsverfahren wurde auch die Wirkung von Mikrowellen untersucht. Testversuche ergaben, dass die Biozide durch eine von den Mikrowellen ausgehende Erwärmung des Holzes an seine Oberfläche transportiert werden, dort ausgasen und abgesaugt werden kön-nen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Zum Thema der Dekontamination von Kunst- und Kulturgut aus Holz erschienen Veröffentlichungen in den Zeitschriften Restauro, Monumente, Holz-Zentralblatt, Fraunhofer Magazin, Pesticide Outlook und in der Tagespresse. Es wurden drei Patente angemeldet. Die Deutsche Welle sendete einen TV-Beitrag zur Holzschutzmittel-Entgiftung. Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen führte ein Pressegespräch zum Stand der Detoxifizierung durch. Auf der Denkmal 2002 in Leipzig wurde ein Informationsstand zum Vakuumwasch-Verfahren und zur Bestimmung des Dekontaminationsgrades durch Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse eingerichtet.


Fazit

Für transportables Kunst- und Kulturgut aus Vollholz ohne und mit Oberflächenvergütungsschichten wurden Verfahrensregime zur tiefenwirksamen Detoxifizierung mit superkritischem Kohlendioxid ent-wickelt und im internationalen Maßstab erstmals unter Praxisbedingungen an Skulpturen erfolgreich erprobt. Die große Zahl Biozid belasteter Objekte erfordert in der Perspektive den Aufbau einer zentralen Großanlage zur Hochdruckextraktion mit Kohlendioxid.
Zur Oberflächen- und Teildekontamination von ortsfesten Holzkonstruktionen stehen zwei flüssige Entgiftungsmittel zur Auswahl, die in Kombination mit dem Vakuumwasch-Automaten unter Anwendung einer einfachen Mehrstufen-Technologie eingesetzt werden können.
Die Entfernung von Bioziden aus Holz und anderen organischen Materialien durch Mikrowellen sollte näher untersucht werden.

Übersicht

Fördersumme

238.507,44 €

Förderzeitraum

11.04.2001 - 30.09.2003

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Kulturgüter
Ressourcenschonung