Projekt 14391/01

Entwicklung eines Frühwarnsystems Migromat zur Ermittlung der Fischabwanderung

Projektträger

Institut für angewandte Ökologie GbR
Neustädter Weg 25
36320 Kirtorf
Telefon: 06692/6044

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Alljährlich werden durch die Turbinen von Wasserkraftwerken große Mengen abwandernder Fische, insbesondere Aale, verletzt oder getötet. Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung eines Frühwarnsystems zur sicheren Vorhersage der Abwanderzeiten des Aals mittels automatischer Aufzeichnung von Aktivitätsmustern gehälterter Fische dieser Art. Die verlässliche Vorhersage der Fischabwanderung ist die Voraussetzung für ein ökonomisches sowie fischfreundliches und damit ökologisch verträgliches Betriebsmanagement von Wasserkraftwerken.
Da derartige Frühwarnsysteme bislang nicht existieren, lässt sich nicht abschätzen, ob sich auf diese Weise die Abwanderzeiten von Fischen mit hinlänglicher Sicherheit identifizieren lassen. Um das Risiko von Fehlinvestitionen zu minimieren, ist das Projekt deshalb in drei Phasen unterteilt, von denen zunächst nur die erste Projektphase beantragt wurde. Diese dient der Entwicklung und dem Betrieb einer Versuchsanlage.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAm Standort Dorlar an der Lahn waren zwei Versuchsanlagen installiert, die über Pumpen mit Wasser des Fließgewässers durchströmt wurden. Jedes der als MIGROMAT bezeichneten Hälterbecken war mit etwa 30 Aalen besetzt, die zuvor mit Transpondern individuell markiert worden waren. Jeweils vier in einem Hälterbecken angeordnete Antennen überwachten kontinuierlich die Aktivität dieser Indikatorfische. Durch einen am Wehr Dorlar befindlichen stationären Aalfang wurde zeitparallel das Abwandergeschehen von Aalen im Fließgewässer registriert. Durch Abgleich der Aktivitätsmuster der gehälterten Aale mit dem realen Abwandergeschehen galt es zu überprüfen, ob sich der Zeitpunkt einer Aalabwanderung in der Lahn anhand von Aktivitätsänderungen der gehälterten Exemplare, die als prämigratorische Unruhe bezeichnet wird, sicher prognostizieren lässt.
Ein weiteres Hälterbecken am Institut für angewandte Ökologie bot neben der automatischen Überwachung transpondierter Aale zur Verifizierung der Aufzeichnungs- und Auswertungssoftware die Möglichkeit der visuellen Kontrolle der Fische auf eventuelle Verhaltensabnormitäten.


Ergebnisse und Diskussion

Aufgrund anhaltender Hochwässer wurde zunächst der Projektbeginn verschoben und eine entsprechende kostenneutrale Verlängerung beantragt, doch verliefen die Arbeiten ab März 1999 planmäßig. Insgesamt waren während der 1. Projektphase drei MIGROMATEN im Einsatz. Der Labor-MIGROMAT wurde am 13.09.1999 in Betrieb genommen. Aufgrund einer beginnenden Saprolengniose sowie der Erkenntnis, daß die Beobachtung der darin gehälterten Fische weder hinsichtlich der Fragestellung nach der prämigratorischen Unruhe noch nach Verhaltensstörungen zielführend war, wurden diese Aale am 22.12.1999 wieder in die Freiheit entlassen.
Die beiden MIGROMATEN in Dorlar an der Lahn waren vom 01.06.1999 bis zum 23.03.2000 über insgesamt 295 Tage in Betrieb. Nur von wenigen Tagen fehlen aufgrund technischer Probleme Aufzeichnungen der Aktivität der insgesamt 53 Fische. Bis auf den Austausch einer defekten Antenne arbeiten alle MIGROMATEN störungsfrei. Allerdings hatten einen Tag nach der Markierung 6 Aale sowie einen Monat später ein weiterer Aal ihre Transponder verloren, was offensichtlich Ausdruck der hohen Elastizität der Aalhaut ist, die ein Einwachsen des Implantates in das Bindegewebe erschwert. Weitere Verluste von Markierungen wurden mit fortschreitendem Heilungsprozess nicht mehr beobachtet.
Als problematisch für die Auswertung stellte sich die große Zahl täglicher Leseereignisse dar, d.h. Passagen von Aalen durch die Rahmenantennen, was die Entwicklung einer ersten Auswertungssoftware erforderlich machte. Die Aale zeigten unmittelbar nach der Inbetriebnahme der MIGROMATEN mit bis zu 12.000 registrierte Antennenpassagen pro Tag eine außerordentlich hohe Aktivität, die sich jedoch in den folgenden 4 Wochen auf 1.800 bis 2.000 Lesungen pro Tag reduzierte. Da derartig langanhaltende Perioden hoher Unruhe in der Folgezeit nicht mehr auftraten, läßt sich der anfänglich registrierte Effekt als stressbedingte Eingewöhnungsphase interpretieren. Im weiteren Verlauf des Projektzeitraums stabilisierte sich die durchschnittliche Aktivität der Aale über den Sommer, nahm zum Winter hin kontinuierlich ab und sank mit Absinken der Wassertemperaturen Mitte November unter 4 °C unter 200 Antennenpassagen pro Tag. Gegen Ende Dezember bis Januar stellten die Aale ihre Aktivität nahezu vollständig ein und gingen in eine Winterruhe über. Erst Anfang Februar, mit steigenden Wassertemperaturen, wurden die Fische wieder munterer, so dass wieder durchschnittlich 200 Lesungen in 24 Stunden registriert wurden.
Die bis zum ersten Zwischenbericht vorliegende Auswertung der Verhaltensmuster der gehälterten Aale zeigte, daß die Fische mit einsetzender Dämmerung verstärkt damit beginnen, in den Hälterbecken umherzuschwimmen. Im weiteren Projektverlauf konnte eine ausgeprägte circadiane Rhythmik sowohl bei den im Labor- als auch den Freiland-MIGROMATEN gehälterten Aalen festgestellt werden. Danach ist diese Fischart als ausgesprochen nachtaktiv zu beschreiben. Zwischen 2 bis 4 Uhr wird das Aktivitätsmaximum erreicht, während die Fische um die Mittagszeit von 11 bis 13 Uhr nur wenig aktiv sind. Diese Erkenntnis lässt erwarten, dass mit einer Abwanderung von Aalen in erster Linie während der Nachtstunden zu rechnen ist. Darüber hinaus ist die circadiane Rhythmik von Aalen im Labor-MIGROMAT deutlich ausgeprägter, als von Fischen in den Freilandhälterbecken. Eine Erklärung für dieses Phänomen könnten die jeweils herrschenden Lichtverhältnissen sein: Während unter Laborbedingungen das Wasser in dem Hälterbecken stets so klar war, dass die Fische die Tageszeit durch die Lichtverhältnisse unbeeinflusst wahrnehmen konnten, kann sich der Lichteinfall unter Freilandbedingungen selbst am Tage insbesondere nach Starkregenereignissen infolge auftretender Wassertrübung stark reduzieren.
Während des gesamten Untersuchungszeitraums wurden immer wieder kurzzeitige Aktivitätsspitzen in den Verhaltensaufzeichnungen dokumentiert: 07.07., 05.08., 15.08., 07.09., 09.09., 18.09., 29.09., 03.10., 15.10., 23.10., 02.11., 11.11., 05.12., 08.12., 12.12.1999 sowie am 01.02., 26.02., 09.03. und 14.03.2000. Während sich während des Sommers die Aktivität der Aale an diesen Tagen gegenüber den Vortragen etwa verdoppelte, steigerte sich während der Herbstmonate 1999 die Aktivität der Aale sogar auf das 10-fache. Durch Vergleich der im Aalfang nachgewiesenen Fische mit den Aktivitätsaufzeichnungen, d.h. Aktivitätszunahmen der Aale in den MIGROMATEN konnte zweifelsfrei belegt werden, dass die gehälterten Aale tatsächlich zu den gleichen Zeiten eine Steigerung ihrer Motorik erkennen ließen, wenn auch ihre Artgenossen im Gewässer abwanderten. 12 mal wurden jeweils am Morgen nach den registrierten Aktivitätsspitzen in der Fanganlage Dorlar Aale angetroffen, was als Beweis zu werten ist, dass in der vorangegangenen Nacht eine Aalabwanderung in der Lahn stattgefunden hatte. Jede der 12 belegten Aalabwanderwellen korrelierte signifikant mit einem Aktivitätsanstieg, der vom MIGROMATEN aufgezeichnet worden war. Leider liegt kein Nachweis für eine Aalabwanderung im Freiland für die Aktivitätszunahmen am 18.09., 15.10. sowie den nach dem 24.12.1999 vor, da der Aalfang aufgrund der Erkrankung des Betreibers an einigen Tagen im Sommer sowie wegen der traditionellen Einstellung des Aalfanges nach Weihnachten verschlossen war. Die vorliegenden Befunde beweisen jedoch hinlänglich, dass sich einerseits mit den MIGROMATEN die prämigratorische Unruhe von Aale zuverlässig registrieren und sich andererseits anhand dieser die Abwanderung von Aalen im Gewässer vorhersagen lässt.
Hinsichtlich der praktischen Anwendbarkeit eines Frühwarnsystems ist es entscheidend, mit welchem zeitlichen Vorlauf Prognosen für eine zu erwartende Abwanderwelle erstellt werden können. Um dies in erster Näherung abzuklären, wurden die registrierten Aktivitätsanstiege auf ihre zeitlichen Verläufe untersucht. Es zeigte sich, dass entgegen der normalen circadianen Rhythmik die Aktivität prämigratorisch erregter Aale bereits vor dem Einsetzen der Dämmerung sprunghaft ansteigt. Der Verlauf der Erregungszunahme hat sich im Vorfeld einer in der Nacht zu erwartenden Abwanderwelle als charakteristisch erwiesen. Die statistisch/mathematische Auswertung dieser Ereignisse zur Ermittlung von Schwellenwerten muss jedoch einer nachfolgenden Projektphase vorbehalten bleiben.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Vor dem Hintergrund der weltweiten Bedeutung des Frühwarnsystems wurde die Vorrichtung zur Ermittlung der Wanderzeiten von Fischen sowie das Warenzeichen MIGROMAT® beim Deutschen Patentamt angemeldet.
Die erste Präsentation zum Stand des Projekts erfolgte am 03.09.1999 auf dem Fachforum der Deutschen Aalkommission beim Deutschen Fischereitag in Bad Mergentheim. Weitere Fachvorträge über den MIGROMAT® fanden auf dem 2. Mainsymposium am 19.11.1999 in Frankfurt sowie anlässlich der Fachabteilungstagung der Berufs- und Nebenerwerbsfischer des unterfränkischen Fischereiverbandes am 18.03.2000 in Veitshöchheim statt. Die Präsentationen führten dazu, dass derzeit sowohl die hessische Landesregierung als auch die unterfränkische Fischereifachberatung die Anschaffung von MIGROMATEN® für die Staustufen Wahnhausen an der Fulda als auch Dettelbach am fränkischen Main erwägen.
Darüber hinaus wurden die Mitglieder des Fachausschusses 5.7 der ATV-DVWK Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen während der gesamten Laufzeit des Projektes über den Stand der Erkenntnisse informiert. Dieser Informationsaustausch führte gemeinsam mit niederländischen Kollegen zur Beantragung eines EU-Life-Projekts Management of silver eel: human impact on downstream migrating silver eel in the river Meuse, im Rahmen dessen zwei MIGROMATEN® an der Maas aufgestellt werden sollen.
Im Rahmen des von der DBU geförderten Projekts Jugend und Umwelt - Partnerschulen im Dialog besuchten am 28.03.2000 Schüler des Johanneum Gymnasiums Hoyerswerda und einer Partnerschule aus Fulda begleitet von ihren Lehrern, einer Redakteurin und einem Fotographen der F.A.Z. (Frankfurter Allgemeine Zeitung) das Institut für angewandte Ökologie, um über das Frühwarnsystem zu recherchieren. Im Laufe des Jahres wird von den Schülern auf der Grundlage ihrer sehr gründlich und fachlich fundiert durchgeführten Recherche in der F.A.Z eine Sonderseite zum Thema Wasserkraft und Fischabwanderung, bzw. dem Frühwarnsystem MIGROMAT® gestaltet werden.
Folgende Fachpublikationen wurden während der Projektzeit verfasst:
Adam, B. (1999): Neue Erkenntnisse zur Aalabwanderung. - In: Arbeitsgemeinschaft Main e.V. (Hrsg.): 2. Mainsymposium 1999, 72 - 95.
Adam, B. & U. Schwevers (2000): Frühwarnsysteme als Möglichkeit für ein gezieltes Betriebsmanagement von Wasserkraftwerken zum Schutz abwandernder Aale. - Arbeiten des Deutschen Fischereiverbandes 72 (in Druck).
Adam, B. & U. Schwevers (2000): MIGROMAT® - ein Frühwarnsystem zur Erkennung der Fischabwanderung. - Wasser & Boden 52/4, 16 - 19.
Schließlich ist von der DBU in ihrer Schriftenreihe Initiativen zum Umweltschutz eine Publikation über das Projekt vorgesehen.


Fazit

Die 1. Projektphase wurde in vollem Umfang erfolgreich abgeschlossen. Die wesentliche Grundannahme zur Entwicklung eines praxistauglichen Frühwarnsystems zur Erkennung der Aalabwanderung und als Voraussetzung für eine fischfreundliches Betriebsmanagement wasserbaulicher Anlagen, nämlich der Nachweis, dass die Aale eine prämigratorische Unruhe zeigen, die mit Hilfe von MIGROMATEN zuverlässig erkennt werden kann, wurde bestätigt. Vor diesem Hintergrund schließt sich nunmehr die Entwicklung des Frühwarnsystem für den praktischen Einsatz an. Dies bedeutet, dass die registrierten Aktivitätsaufzeichnungen möglichst zeitnah mathematisch/statistisch auszuwerten sind, um im Falle einer bevorstehenden Aalabwanderwelle frühzeitig Alarmmeldungen an die Betreiber wasserbaulicher Anlagen herausgeben zu können. Dieses Vorgehen erfordert eine Automatisierung der Auswertungsschritte sowie die Konzeption des Datentransfers von den MIGROMATEN zu einer Auswertungsstelle. Ein entsprechender Antrag für die Förderung einer 2. Projektphase zur Automatisierung des Frühwarnsystems wird der DBU umgehend zugehen.

Übersicht

Fördersumme

94.146,73 €

Förderzeitraum

01.09.1998 - 06.06.2000

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik