Projekt 13199/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Pilzsekretome zum effizienten Ligninaufschluss

Projektträger

Protagen AG
Otto-Hahn-Str. 15
44227 Dortmund
Telefon: 0231-9742-6300

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In Deutschland fallen im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion, der Holzverarbeitung und der Papierherstellung jährlich tausende Tonnen an Stroh- und Holzabfällen an. Diese verholzten Biomaterialien lassen sich allerdings nicht direkt verarbeiten, da die Hauptbestandteile der pflanzlichen Zellwand (Cellu-lose, Hemicellulosen und Lignin) ein komplexes und widerstandsfähiges, chemisch nur schwer zugängliches Netzwerk bilden. Höhere Pilze besitzen eine in der Natur einzigartige Ausstattung an extrazellulären Enzymen (das Sekretom), welche dieses Netzwerk unter schonenden und umweltkompatiblen Bedingungen aufzuschließen und damit die verschiedenen ökonomisch interessanten Grundbestandteile zugänglich zu machen vermag. In einem neuartigen interdisziplinären Projektansatz soll das extrazelluläre Enzymsystem zweier ausgewählter Pilze qualitativ und quantitativ untersucht werden. Um den in der Natur hocheffizient ablaufenden Kohlenstoffkreislauf abzubilden und gezielt für die biotechnische Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen nutzbar zu machen, werden die Instrumentarien der Biologie, der Chemie und der Verfahrenstechnik kombiniert. Durch die Produktion der Schlüsselenzyme in Pilzzellkulturen wird ein enzymatischer Werkzeugkasten generiert, der für die Bereitstellung von Spezialchemikalien, zur Zellstoffbleichung (Papierherstellung) und zur Produktion von Bioethanol eingesetzt werden kann.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenJeweils ein Vertreter aus der Klasse der Basidio- (Pleurotus sapidus) und der Ascomyceten (Xylaria polymorpha) wurde submers auf Rapsstroh als alleiniger Kohlenstoffquelle kultiviert. Dabei wurden relevante, mit dem Lignocellulose-Abbau in Verbindung zu bringende, enzymatische Aktivitäten (u. a. Peroxidase-, Laccase-, Lipase-, Esterase-, Peptidase-, Xylanase- und Glucanase-Aktivität) detektiert und deren Bildung kinetisch verfolgt. Parallel dazu wurden an ausgewählten Kulturtagen die extrazellulären Enzyme über Zentrifugation/Filtration, Ultrafiltration und anschließende Präzipitation aus dem Kultursystem abgetrennt, gereinigt und konzentriert. Die Sekretome beider Pilze wurden mittels hochauflösender zweidimensionaler Gelelektrophorese, kolloidaler Coomassiefärbung und massenspektrometrischer Detektion (MALDI-TOF, E-SI/MS-MS) analysiert. Die Reproduzierbarkeit der gesamten analytischen Vorgehensweise wurde durch unabhängige Mehrfachbestimmungen sichergestellt. Basierend auf den Resultaten der Sekretomanalysen wurden die jeweils charakteristischen Schlüsselenzyme in der zweiten Projekthälfte gezielt in Submers-oder Emerskultursystemen produziert und in zellfreien Reaktionsansätzen zum en-zymatischen Aufschluss von gemahlenem Rapsstroh eingesetzt (In-vitro-Assay).


Ergebnisse und Diskussion

Die Arbeiten führten zur Etablierung einheitlicher Kultur- und Aufarbeitungsmethoden, die Voraussetzung für die vergleichende Sekretom-Analyse waren. Die zu unterschiedlichen Klassen gehörenden Pilze wuchsen in Submers-Kultur mit Rapsstroh als einziger Kohlenstoffquelle. Relevante, am Lignocelluloseabbau beteiligte enzymatische Aktivitäten wurden quantifiziert und ihre Bildung kinetisch verfolgt. Interessanterweise nutzten beide Pilzspezies eine von alternierend sekretierten Enzymaktivitäten (oxidativ und hydrolytisch) gekennzeichnete Strategie zum Aufschluss des Substrats.
An den Erntetagen mit charakteristischen Enzymaktivitäten wurden Proteinpräparationen für die hochauflösende 2D-elektrophoretische und massenspektrometrische Analyse hergestellt. Einzelne Proteinspots wurden ausgewählt und massenspektrometrisch (MALDI-TOF-, Nano-LC ESI-MS/MS-Analysen) anse-quenziert. Anhand von Datenbankrecher-chen sowie auf Grundlage spezifischer Aktivitätsmessungen wurden Schlüsselenzyme des Lignocelluloseabbaus aus beiden Pilzen identifiziert.
Relevante Enzyme (Laccasen, Peroxidasen, Polysaccharid-Hydrolasen) beider Pilze wurden in Submers- und Emers-Kulturen produziert. Als Enzym-Rohextrakte wurden diese in zellfreien Reaktionsansätzen (in vitro) erfolgreich zur direkten Umsetzung von fein gemahlenem Rapsstroh eingesetzt. Die Vorgehensweise wurde optimiert und die entstandenen Produkte analytisch erfasst (Glucose-Freisetzung, HPSEC und HPLC-DAD). Schließlich gelang der Nachweis einer substantiellen enzymatischen Zerlegung von Rapsstroh mit Hilfe eigener sowie kommerzieller Pilzenzyme. Die konzentrierten Enzym-Rohextrakte aus Kulturüberständen von P. sapidus und X. polymorphasetzten eine aromatisch geprägte, alkalilösliche Fraktion im Molekulargewichtsbereich von 0,6 bis 30 kDa aus dem Rapsstroh frei. Das HPSEC-Elutionsprofil der unter Einsatz kommerzieller Enzyme gebildeten alkalilöslichen Fragmente unterschied sich vor allem im hoch- bis mittelmolekularen Größenbereich (>200 - 7 kDa) deutlich von den Fragmentmustern der einzelnen, nicht mit-einander kombinierten Enzympräparate. Der gravimetrische Vergleich des nach der Umsetzung zurückgebliebenen Rapsstrohs mit einer entsprechenden Kontrolle ohne Enzymbehandlung belegte, dass > 50% der Lignocellulose enzymatisch in eine alkalilösliche Form überführt wurden. Dies unterstreicht das enorme Potential des gewählten Enzymkombinatorischen Ansatzes. Eine Isolierung, partielle Reinigung und Charakterisierung von drei Hydrolasen (?-Glucosidase, Esterase, Xylanase) und einer Laccase des Ascomyceten X. polymorpha wurde mittels FPLC (Fast Protein Liquid Chroma-tography) durchgeführt und verlief bezüglich der gewonnenen Enzymmengen erfolgreich.
Trotz der insgesamt als sehr positiv zu bewertenden Ergebnisse besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere bezüglich der Optimierung der Enzymproduktion und der Zusammensetzung der Enzym-Cocktails. Im Rahmen des Projektes wurde die prinzipielle Machbarkeit des enzymatischen Aufschlusses von Lignocellulosen am Beispiel von Rapsstroh eindeutig gezeigt und die Ausgangshypothese einer synergistischen und zeitlich regulierten Wirkung von Enzymen bestätigt. Somit ist der wissenschaftliche Grundstein gelegt, um die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftigen Vorhaben für um-weltschonende Verfahren zur stofflichen Biomasseverwertung nutzbar zu machen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

- Bouws H, Wattenberg A, Zorn H (2008) Fungal Secretomes - Natures toolbox for white biotechnology. Appl Microbiol Biotechnol; DOI 10.1007/s00253-008-1572-5
- Bouws H, Schüttmann I, Szweda R, Zorn H (2008) Sekretome von Basidiomyceten zum enzymatischen Aufschluss von Rapsstroh. Posterpräsentation Deutscher Lebensmittelchemikertag
- Hofrichter M (2008) Physiologie und Enzymologie lignozellulytischer Pilze. Kurzvortrag auf dem 3. Treffen der Länderübergreifenden Zukunftsinitiative Biomassebasierte Stoffproduktion Deutschland Ost (BioMasse Ost). 04.02.2008, FH Lausitz, Senftenberg
- Hofrichter M (2007) Pilze: Geheimnisvolle Wesen aus dem Untergrund mit erstaunlichem biotechnologischen Potential. Herbstsitzung der Thüringer Akademie für Gemeinnützige Wissenschaften, 26.10.2007, Erfurt
- Pecyna M, Liers C, Ullrich R, Hofrichter M (2008) Expression and regulation of laccase genes in the wood-colonizing ascomycete Xylaria polymorpha. Biospektrum, Sonderausgabe, VAAM-Jahrestagung 2008, Frankfurt a. M.
- Zorn H, Schüttmann I, Bouws H (2008) Fungal secretomes - versatile toolbox for white biotechnol-ogy. European Bioperspectives (Vortrag angenommen)


Fazit

Die im Rahmen des Projektes gewonnenen Erkenntnisse sind von grundlegender Bedeutung und richtungweisend für zukünftige Forschungsvorhaben. Durch eine sich gegenseitig ergänzende Kombination von Enzympräparaten verschiedener Pilze sowie kommerzieller Enzyme wurden erste effektive Enzymcocktails generiert, mit deren Hilfe die partielle Zerlegung von Rapsstroh unter schonenden und umweltfreundlichen Bedingungen gelungen ist. Die Schlüsselenzyme des Substrat-Aufschlusses von P. sapidus und X. polymorpha wurden massenspektrometrisch identifiziert und können nun aus cDNA-Banken kloniert werden. Im Fall von X. polymorphabesteht noch weiterer Forschungsbedarf; zwar ist es gelungen enzymatische Schlüsselaktivitäten anhand photometrischer Tests zu identifizieren, doch konnte aufgrund fehlender Sequenzinformationen in den verfügbaren Datenbanken keine eindeutige Zuordnung der ge-fundenen Proteinfragmente erfolgen. Dennoch wurde durch das vorliegende Projekt die Grundlage für eine zukünftige heterologe Expression der erforderlichen Schlüsselenzyme gelegt. Diese wiederum bildet die Voraussetzung für den industriellen Einsatz von maßgeschneiderten Enzymcocktails im größeren Maßstab. Durch einen gezielten und gerichteten enzymatischen Aufschluss des Lignocellulose-Polymers wird eine stoffliche Verwertung der entstehenden aromatischen Ligninfragmente möglich werden. Zur strukturellen Charakterisierung dieser Lignin-Abbauprodukte sollen zukünftig spezielle massenspektro-metrische und chromatographische Methoden sowie moderne NMR-spektroskopische Verfahren zum Einsatz kommen.

Übersicht

Fördersumme

124.950,00 €

Förderzeitraum

01.06.2007 - 31.05.2008

Internet

www.protagen.de

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik