Projekt 13117/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Intelligente Führung von Reinigungsmaßnahmen bei der Getränkeabfüllung am Beispiel zweier Brauereien

Projektträger

Privatbrauerei Moritz Fiege GmbH & Co. KG
Scharnhorststr. 21 - 25
44787 Bochum
Telefon: 0234-68980

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen an Getränkeabfüllanlagen verlangen sowohl einen hohen Aufwand an Arbeitszeit als auch an Chemikalien und Energie. Die mit hohem Sicherheitsfaktor am hygienisch sensiblen Flaschenfüller durchgeführten Maßnahmen belegen 20 - 30 % der Gesamtabfüllzeit und führen zu einem Verbrauch von über 2.000 Tonnen an Reinigungs- und Desinfektionsmitteln pro Jahr in der deutschen Getränkeindustrie. Zum Einsatz kommen quaternäre Ammoniumverbindungen, Biguanide, Hypochlorite, Laugen, nichtionische und anionische Tenside sowie oxidierende Wirkstoffe wie Wasserstoffperoxid und Peressigsäure. Weitere Kosten werden durch die Entsorgung und durch den erhöhten Wartungsaufwand infolge der korrosiven Eigenschaften vieler Reinigungs- und Desinfektionsmittel verursacht.
Im abgeschlossenen Projekt Entwicklung innovativer Strategien zur effizienten und umweltschonenden Bekämpfung von Biofilmen in der Lebensmittelindustrie am Beispiel der Bierabfüllung (AZ 13042) wurde gezeigt, dass unter mikrobiologischer Kontrolle der Verbrauch von Bioziden am Füller um 42 % und der Verbrauch von Energie um 20 % gesenkt werden kann. Diese Zahlen demonstrieren das bisher ungenutzte Einsparpotenzial im Bereich der vorbeugenden Überdosierung, das sich durch eine detaillierte mikrobiologische Analyse der zu bekämpfenden Biofilme und der Implementierung eines leistungsfähigen Sensorsystems erschließen lässt. Eine weitere Reduktion von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln soll-te sich durch die konsequente Anpassung dieser Maßnahmen an die primären biofilmbildenen Mikroorganismen erreichen lassen.
In diesem Projekt sollten daher Reinigungsmaßnahmen erprobt werden, die zum einen gezielt auf die primären oberflächenbesiedelnden Mikroorganismen ausgerichtet sind und deren Schwachstellen effektiv nutzen und zum anderen mit einem Messsystem koordiniert sind, das in Echtzeit Informationen über den mikrobiologischen Status der Anlage bzw. den Erfolg der durchgeführten Reinigungsmaßnahmen an den Betreiber gibt. Die Auswirkungen der veränderten Reinigungsmaßnahmen auf den Ressourcenverbrauch wird in einer Stoffstromanalyse ermittelt.

Als primäre oberflächenbesiedelnde Mikroorganismen werden diejenigen Keime bezeichnet, die nach einer erfolgten intensiven Reinigungsmaßnahme die Edelstahloberflächen der Abfüllanlage schnell besie-deln können. Diese spezialisierten Primärbesiedler erzeugen eine Vielzahl von Nischen, die von verschiedensten Sekundärbesiedlern besetzt werden können. Unter diesen können sich in einem späteren Stadium auch potenziell produktschädigende Mikroorganismen etablieren. Für eine zielgerichtete, intelligente Reinigungsmaßnahme kommen ausschließlich die Primärbesiedler in Frage, da sie eine Reihe von besonderen Eigenschaften haben müssen, um die Flächen erfolgreich besiedeln zu können. Hierzu zäh-len hohe Teilungsgeschwindigkeiten, um Verluste durch Reinigungsmaßnahmen auszugleichen sowie besondere Adhäsionsmechanismen an Metalloberflächen, um den während der Reinigungsmaßnahmen ansetzenden Scherkräften standhalten zu können.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenPrimärbesiedler auf den Abfüllanlagen der beteiligten Brauereien wurden mithilfe von ausgelegten Stahlcoupons gesammelt und auf geeigneten Nährmedien isoliert und identifiziert. Auf der Grundlage spezifischer rRNA-Sequenzabschnitte der Isolate wurden fluoreszierende Oligonucleoitidsonden zur direkten Quantifizierung der Isolate auf den Stahlcoupons herstellt. Anschließend wurden die adhäsiven Eigenschaften der quantitativ relevanten Primärbesiedler sowie ihre Resistenz gegen gängige Reinigungs- und Desinfektionsmittel analysiert. Der Reinigungserfolg auf den Abfüllanlagen wurde in Echtzeit mit optischen Sensoren gemessen. Im Rahmen dieses Projekts sollte das bereits vorliegende Sensorprinzip auf die untere Nachweisgrenze optimiert werden, um das Anfangsstadium der Biofilmbildung zu erfassen.


Ergebnisse und Diskussion

Von Abfüllanlagen beider Brauereien wurden Primärbesiedler durch die Coupontechnik isoliert und identifiziert. Zurzeit wird die Wirkung verschiedener Reinigungs- und Desinfektionsmittel auf die isolierten Stämme getestet. Das Spektrum der isolierten Primärbesiedler zeigte deutliche Unterschiede zwischen beiden Brauereien. Eine spezifische Anpassung der jeweils gefundenen Mikroorganismen an die braue-reispezifischen Reinigungs- und Desinfektionsprotokolle konnte nicht nachgewiesen werden.
Parallel zu den mikrobiologischen Untersuchungen wurden die optischen Sensoren an ausgewählten Positionen an Füller und Verschließer im mehrwöchigen Dauereinsatz getestet. Während für mikrobiell niedrig belastete Positionen kein Messsignal aufgenommen werden konnte, konnte die Sonde an einer ande-ren moderat belasteten Position den Tagesablauf des Füllbetriebs nachzeichnen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Erste Ergebnisse des Projekts wurden auf Einladung der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei (VLB) auf der 92. Brau- und maschinentechnischen Arbeitstagung am 8. März 2005 in Enschede präsentiert. Ebenfalls auf Anfrage der VLB wurden Auszüge der mikrobiologischen Ergebnisse im VLB Organ Brauerei Forum publiziert (Brauerei Forum 2005, 7:178-179).
International wurde die Charakterisierung der Primärbesiedler auf der Fachtagung 11th International Symposium on Microbial Ecology (ISME-11) in Wien, 20.-25. August 2006 präsentiert (Poster: Charac-terization of primary biofilm organisms on steel surfaces of bottling plants).
Die Veröffentlichung der Projektergebnisse in ausgewählten Fachzeitschriften ist derzeit in Vorbereitung.
Eine Anfrage der Redaktion der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Bild der Wissenschaft zum Projekt zeigte, dass die Projektarbeiten auch über die fachliche Zielgruppe hinaus Verbreitung und Interesse finden. Im Titelbericht der Ausgabe 10/2006 wurden die Ergebnisse der Osnabrücker Arbeitsgruppe zitiert und vorgestellt.


Fazit

Konkrete Nachfragen aus der Branche nach den Projektergebnissen (hier VLB) zeigen, dass das Projekt anwendungsorientiert bearbeitet wurde und ein entsprechendes Interesse der Praktiker an den Ergebnissen besteht. Die Befunde zur Unabhängigkeit des Resistenzmusters der Primärbesiedler von den eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmitteln weisen auf ein erhebliches Einsparpotenzial hin, da der häufig empfohlene Wechsel der Reinigungs- und Desinfektionsmittel durch die Projektergebnisse nicht gestützt werden konnte. Ein häufiger Wechsel von Reinigungs- und Desinfektionsmittel zieht regelmäßig auch einen hohen Dokumentations-, Verwaltungs- und Schulungsaufwand für die betroffenen Unternehmen nach sich.

Übersicht

Fördersumme

242.938,00 €

Förderzeitraum

01.05.2004 - 31.08.2006

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik