Projekt 13082/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: ICBio: Innovative Verfahren zur Identifizierung hochselektiver umweltverträglicher Wirkstoffe

Projektträger

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Molekulare Biowissenschaften Molekulare Genetik und Zelluläre Mikrobiologie
Max-von-Laue-Str. 9
60438 Frankfurt
Telefon: 069-798-2-9525/6

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Pathogene Mikroorganismen sind aufgrund stetig steigender Resistenzen ein schwerwiegendes Problem für Mensch und Umwelt und erfordern die Entwicklung hochspezifischer Wirkstoffe. Die entwickelten TOP-Screening Verfahren können, (1) die Anzahl der zu testenden Substanzen deutlich reduzieren, (2) ihre Zell- und Target-Spezifität schon im Screening erfassen und (3) RNA-Aptamere als neue Substanzklasse für das in vivo Screening erschließen. Dadurch werden Entwicklungskosten nachhaltig gesenkt und die Verträglichkeit für Mensch und Umwelt schon in das frühe Screeningverfahren einbezogen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie im Projektverlauf eingesetzten und weiterentwickelten TOP-Testsysteme auf Basis des Modellorganismus Saccharomyces cerevisiae greifen Vorteile der bisherigen in vitro und in vivo Testverfahren auf und kombinieren sie so, dass Zellspezifische, Target-spezifische und gleichzeitig intrazellulär wirksame Stoffe entwickelt werden können.
Das TOP-SE-Verfahren ist ein bioinformatisches Verfahren zur gezielten Vorselektion einer Substanz-Bibliothek. Es trainiert mit bekannten Inhibitoren der Zielorganismen ein neuronales Netzwerk.
Das TOP-HS-Verfahren identifiziert den Wirkort von Substanzen bereits während der Wirkstoffsuche und trifft Aussagen über Potenzial und Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf Toxizität und Umweltrelevanz.
Das TOP-DS-Verfahren nutzt Unterschiede zwischen funktionsgleichen Proteinen aus. Trotz hoher Selektivität ist dabei eine tiefgehende Kenntnis über die physiologische Aufgabe der Zielstruktur nicht notwendig.
Für das Screening von RNA-Aptameren als Target-spezifische Inhibitoren steht ein zweistufiges Verfahren zur Verfügung. Zunächst wird ein hochkomplexer RNA-Aptamerpool mit dem Selex-Verfahren an ausgewählten Protein-Targets in vitro angereichert, der anschließend in einem in vivo Selektionsverfahren (TOP-SCD) eingesetzt wird. Das TOP-SCD-Verfahren ermöglicht das Differenz-Screening von RNA-Aptamer-Bibliotheken in einer einzigen Testzelle und damit die in vivo Selektion von RNA-Aptameren, die Target-Proteine spezifisch inhibieren.
Mit den genannten Verfahren werden Ressourcenschonende Technologien zur Verfügung gestellt, die es erlauben, die Zahl der zu testenden Substanzen erheblich zu reduzieren und mit denen neue hochselektive Wirkstoffe entwickelt werden können.


Ergebnisse und Diskussion

Alle wesentlichen Antragsziele des Projekts konnten erreicht werden. Abweichend vom Projektantrag wurden für das Substanzscreening keine Naturextrakte eingesetzt. Alternativ hierfür wurden bioinformatische Verfahren erarbeitet, die das Erstellen fokussierter Substanzbibliotheken ermöglichten. Die Arbeiten zur in vitro Anreicherung von RNA-Aptameren waren zeitlich umfangreicher, da sich die RNA-Aptamerselektion gegen Proteine als wesentlich schwieriger erwies als eine RNA-Aptamerselektion ge-gen Peptide, für die Expertise zu Projektbeginn vorlag. Inzwischen konnte die in vitro Aptamerselektion für die Dihydrofolat Reduktase erfolgreich abgeschlossen werden. Experimentelle Schwierigkeiten sind bei der in vivo Selektionsphase aufgetreten. Zum einen ergaben sich deutlich unterschiedlicher Expressionsstärken zwischen der C. albicans und der humanen Dihydrofolat-Reduktase, wodurch ein selektives Inhibieren der 200-fach aktiveren C. albicans Dihydrofolat-Reduktase durch die in vitro vorselektierten RNA-Aptamere nicht zu erwarten ist. Zum anderen ist die Expression der RNA-Aptamere im Cytoplama zurzeit zu gering, um auch bei niedriger Dihydrofolat-Reduktase Aktivität eine Inhibierung zu erwarten. Dieser Ansatz wird aber nach wie vor als Erfolg versprechend beurteilt, weshalb die Arbeiten von der SRD GmbH und der Goethe-Universität weitergeführt werden. Ein nachhaltiger Durchbruch bei der Erstellung von Substanzbibliotheken ist mit den entwickelten bioinformatischen Verfahren und den sich daran anschließenden Ganzzell-Assays gelungen. Bereits bei einem Bibliotheksumfang von nur 2.000 Substanzen ist die Identifizierung von 3 höchstspezifischen Wirkstoffgrundstrukturen gelungen, die stark zytotoxische Effekte auf die Hefen S. cerevisiae, C. albicans und C. glabrata aufweisen, jedoch keine zytotoxischen Effekte mit einer humanen Zelllinie (HaCaT - immortalisierte humane Keratinozyten Zelllinie) zeigen. Das TOP-HS (TOP Haplotoxizitäts-Screening) ist eine Assay-Plattform zur Vorhersage von Wirkstoff-Target-Beziehungen. Es verknüpft auf einzigartige Weise die Spezifität eines targetorientierten Ver-fahrens mit der Aussagekraft und der Robustheit eines Ganzzell-Assays. Die konkurrierende Mikroarray-Technologie war jedoch für viele Substanzen mit bekanntem Wirkmechanismus nicht in der Lage, das literaturbeschriebene Target korrekt zu identifizieren. Der direkte Vergleich mit ersten Validierungs-Daten, die im TOP-HS erzielt wurden, deutet daher darauf hin, dass das TOP-HS für viele Wirkstoffklassen besser geeignet ist. Mit Hilfe der TOP-HS Wirkprofile für Methotrexat als auch für Benzimidazole konnte der Wirkmechanismus dieser Substanzen nachvollzogen werden. Hier waren die Ergebnisse von besserer Qualität als die des Mitwettbewerbers Rosetta Inpharmatics, der anhand des Wirkprofils für Methotrexat keinen Wirkmechanismus zuordnen konnte. Mit dem TOP-HS-Verfahren ist es gelungen, den Wirkmechanismus bei beiden neuen Grundstrukturen zu beschreiben. 23E10 hemmt spezifisch ein Protein der Ergosterolbiosynthese, während 37H07 spezifisch ein Regulationsprotein der ribosomalen Biogenese angreift. Beide Grundstrukturen sind als neu zu bewerten und vielversprechende Substanzen für eine anschließende Wirkstoffentwicklung z. B. im Rahmen einer iterativen Wirkstoffoptimierung unter Verwen-dung der TOP-DS-Plattform. Das TOP-DS-Verfahren konnte für die in vivo Selektion von RNA-Aptameren weiterentwickelt (TOP-SCD) und ein Proof of Concept erarbeitet werden. Dieser Ansatz ermöglicht erstmals die Untersuchung der Wirkung von RNA-Molekülen in der Zelle auf Zielstrukturen. Mit Hilfe dieses Ansatzes ist es möglich, RNA-Moleküle bzw. Aptamere zu identifizieren, die kleinste Unter-schiede ähnlicher Proteine spezifisch erkennen und nur die Zielstrukturen hemmen ohne ähnliche Strukturen des Wirts bzw. des Menschen zu beeinflussen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Über das Projekt wurde in der folgenden Veröffentlichung berichtet: Entian, K.-D., Eschrich, D., Reckten-wald, J., Gassenmeier, T., Sättler, A., Hauf, D., Klein, J. und Rimmele, M. (2003): Transkript Sonderband 2003, 42-43. Die Arbeiten wurden als Posterpräsentation bei der Veranstaltung BioPerspectives am 04.06.04 in Wiesbaden vorgestellt. Aus den Arbeiten ist ein Wirkstoffpatent hervorgegangen, das am 18.02.2005 angemeldet wurde: Patentanmeldung H06535


Fazit

Im Projektverlauf konnten die TOP-Screeningsysteme erfolgreich aufgebaut und verifiziert werden. Es ist gelungen 3 antifungale Substanzen zu identifizieren, die spezifisch das Wachstum von C. albicanse nicht aber humaner Zellen inhibieren. Für das neu entwickelte TOP-SCD existieren keine vergleichbaren Verfahren. Zwar sind einige kleine Biotechnologie-Unternehmen, die sich auf die Herstellung von Aptameren fokussieren, etabliert, jedoch beruhen die Methoden zu deren Selektion auf rein biochemischen in vitro Verfahren. Die Verknüpfung von in vitro Vorselektion und in vivo Screening ist neu und wird in dieser Form von keinem Wettbewerber angeboten, allerdings sind hier über den Projektzeitraum noch experimentelle Fragestellungen (Expressionsstärken der Targetproteine und cytoplamatische Expression der RNA-Aptamere) zu lösen. Das TOP-HS-Verfahren hat sich bei der Targetidentifizierung antifungaler Substanzen bewährt. Es existieren sehr wenige Technologien, die sich mit der Targetidentifizierung antifungaler Substanzen befassen. Rosetta Inpharmatics nutzt eine dem TOP-HS vergleichbare Technologie. Das TOP-HS-Verfahren erwies sich jedoch als aussagekräftiger. Durch den Einsatz einzelner Stämme mit jeweils seinem Wildtyp-Referenzstamm anstelle eines Stammgemischs ist das TOP-HS-Verfahren weniger fehleranfällig, robuster und außerdem sensitiver. Zudem ist die Auswertung einfacher. Mit dem TOP-HS konnte z. B. das von Rosetta nicht gefundene Target von Methotrexat klar identifiziert werden.

Übersicht

Fördersumme

249.840,00 €

Förderzeitraum

01.07.2003 - 30.09.2005

Internet

www.uni-frankfurt.de

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik