Projekt 13070/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: InnovationsCentrum Biokatalyse ICBio: Nachhaltige und effiziente Produktion neuartiger Wirkstoffe aus extremophilen Mikroorganismen durch Einsatz heterologer Expressionssysteme

Projektträger

BRAIN AG Biotechnology Research and Information Network
Darmstädter Str. 34
64673 Zwingenberg
Telefon: 06251-9331-29

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der weltweite Pharmamarkt ist eine Wachstumsbranche mit durchschnittlich zweistelligen Zuwachsraten. So stiegen die Umsätze in den 13 Schlüsselmärkten in der Zeit von September 2000 bis August 2001 um durchschnittlich 11 % an und erreichten einen Umfang von 248,5 Milliarden US $. Etwa die Hälfte der weltweit bedeutendsten Medikamente basieren auf Naturstoffen, die Entdeckung wirklich neuartiger Wirkstoffgrundgerüste ist jedoch seit Jahren stark rückläufig. Zur Auffindung neuer Substanzklassen ist es daher notwendig alternative Ressourcen zu erschließen. Gleichzeitig ist es im Rahmen eines ‚sustai-nable development von großem Interesse, bioaktive Sekundärstoffe für die Wirkstoffforschung effizient aus regenerativen, biogenen Ressourcen zu gewinnen. Die Untersuchung bislang unbekannter mikrobieller Diversität aus Nischenhabitaten ist daher einerseits ein vielversprechender Ansatz zur Entdeckung neuartiger Wirkstoffgrundgerüste, erlaubt zugleich aber auch eine ressourcenschonende und effizientere Produktion von Wirkstoffen in Fermentationsanlagen, ohne wiederholt auf die meist sensiblen Nischenhabitate zurückgreifen zu müssen. Im vorliegenden Forschungsvorhaben soll dieser Ansatz mittels konsequenter Anwendung moderner biologischer, genetischer und naturstoffchemischer Verfahren verfolgt werden, um neuartige, bioaktive Sekundärmetaboliten aus extremophilen Mikroorganismen zu isolieren und somit eine neue, wertvolle Quelle von Wirkstoffen zu erschließen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAusgehend von den bei den Projektpartnern Prof. Antranikian bzw. Dr. Kletzin vorliegenden Stammsammlungen extremophiler Mikroorganismen als Ressource sollen diese über einen dualen Ansatz auf ihre biosynthetischen Fähigkeiten hinsichtlich der Produktion neuartiger Wirkstoffe untersucht werden. Im Wesentlichen sollen einerseits Kulturüberstände und -extrakte erzeugt werden, um diese mittels Aktivitätsprofilierung zu analysieren, andererseits sollen die Isolate selbst durch PCR-Typisierung hinsichtlich des Vorhandenseins von Wirkstoffbiosynthese Genclustern charakterisiert und priorisiert werden. Von biosynthetisch produktiven Stämmen sollen anschließend aktive Reinsubstanzen isoliert und charakterisiert werden. Um darüber hinaus sowohl eine weitere Effizienzsteigerung zu erreichen, als auch in Folge einen umweltentlastenden Effekt bei der chemischanalytischen Darstellung der Wirkstoffe im Produktionsmaßstab zu erzielen, wird die rekombinante Biosynthese der Sekundärstoffe in bekannten, hochaktiven Wirkstoffproduzenten (z. B. Streptomyces) angestrebt. Dazu sollen die korrespondierenden Gene für Schlüsselenzyme bzw. Gencluster für sekundärmetabolische Stoffwechselwege dieser extremophilen Mikroorganismen, nach Etablierung geeigneter host / Vektorsysteme, als Cosmid- und BAC Expressionsklone gesichert werden, um die Wirkstoffe nachfolgend durch effiziente, heterologe Expres-sion dieser Gencluster in kompetenten Wirtsstämmen quantitativ produzieren zu können.


Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen des Projekts wurden insgesamt 105 Isolate und Stämme während der Hauptprojektphase kultiviert und mittels aktivitätsbasierter Assays sowie naturstoff-chemischer Nachweismethoden hinsichtlich ihres Wirkstoffpotenzials analysiert. In antimikrobiellen Agardiffusionstests zeigten 22 % der getesteten Stämme relevante Aktivitäten gegen einen oder mehrere Indikatororganismen, während 9 % der Stämme eine signifikante zelltoxische Wirkung auf CHO-K1 Tumorzellen hatten. Zusätzlich zeigten zehn Stämme chemisch interessante Metaboliten-Spektren. Aufgrund ihres chemisch-biologischen Potenzials wurden 16 Isolate für eine weitere Bearbeitung priorisiert. Priorisierte Stämme und Isolate wurden in Maßstäben zwischen 10-L und 50-L fermentiert, um genügend Zellmasse und Substanzmenge für die weiteren Bearbeitungsschritte bereitzustellen. Aus der naturstoffchemischen Bearbeitung dieser Stämme konnten bislang über 80 mit Sekundärstoffen angereicherte Fraktionen generiert, 13 Reinstoffe isoliert und 8 Reinstoffe charakterisiert werden. Davon sind drei in ihrer Struktur bereits literaturbekannt. Fünf Substanzen, niedermolekulare Stoffe mit MR<700, befinden sich in der Strukturaufklärung. Zur effizienten Handhabung der experimentellen Datenmenge wurde eine SQL online-Datenbank programmiert und implementiert, die allen Projektpartnern jederzeit Zugang zu den relevanten, projektspezifischen Daten gibt. Für die nachhaltige Produktion biologischer Aktivitäten aus priorisierten Isolaten wurde ein flexibles Vektorsystem konstruiert und zur Erstellung von Genbanken bereitgestellt. Ebenso wurde aus 7 der prio-risierten Isolate hochmolekulare, genomische DNA extrahiert. In der zur Verfügung stehenden Zeit konnte die genomische Information des priorisierten Isolates 3-015 in einer Fosmid-Genbank (pEpiFOS-5) gesichert werden.
Im Rahmen der Projektlaufzeit konzentrierten sich die Aktivitäten der Projektpartner zunächst auf die Kultivierung und das Primärscreening extremophiler Mikroorganismen und im weiteren Verlauf auf die Bearbeitung priorisierter Hitstämme nach biologischen und chemischen Gesichtspunkten. Mit den dabei erzielten Ergebnissen konnte das Primärziel des Projekts - also der Nachweis, dass extremophile Mikroorganismen eine interessante Quelle neuer Wirkstoffe darstellen - erbracht werden.
Gleich zu Beginn des Projekts wurde, aufgrund der Neuartigkeit der zu untersuchenden Isolate, der damit verbundenen, möglichen Unwägbarkeiten in Bezug auf verwendete Assays bzw. chemische Profilierungsansätze und aufgrund der Anforderung, auch peptidische Wirkstoffe untersuchen zu wollen, eine Pilotphase durchgeführt, die in dieser Form nicht im Projektplan vorgesehen war. Im Rahmen dieser Testphase wurde ein Protokoll zur Herstellung von bioaktiven Rohextrakten etabliert und durch den hohen Anteil antimikrobieller Aktivitäten in nachfolgend hergestellten Rohextrakten erfolgreich validiert. Bereits während dieser Etablierungsphase wurde klar, dass das geplante Teilprojekt A nicht wie geplant durchführbar sein würde. Ursprünglich geplant war eine intensive, stark parallele Kultivierungsphase zur Anzucht und Analyse möglichst vieler, der in den Sammlungen existierenden extremophilen MO. Ursache für unsere Änderung sind die beschriebenen Schwierigkeiten, entweder bei der Reaktivierung der Isolate oder der für eine parallele Kultivierung notwendigen, standardisierten Anzuchtbedingungen. Eine zeitnahe Priorisierung von Hitkandidaten nach erfolgter Durchforstung der Stammsammlungen wurde daher durch eine Änderungsplanung mit fortlaufender Primärscreeningphase und abschnittsweiser Auswahl auffälliger Stämme und Isolate ersetzt (Auswahlgruppe -1, -2, finale Priorisierung). Auswirkungen hatte dies vor allem auf die Aktivitäten des Teilprojekt B, die aufgrund der sehr späten Priorisierung im letzten Projektab-schnitt komprimiert angegangen werden mussten. Letztendlich gelang es daher in der verbleibenden Pro-jektlaufzeit nicht, die in diesem Teilprojekt geplanten Arbeitspakete vollständig zu bearbeiten.
Im Rahmen des zweiten Projektabschnitts konzentrierten sich die Aktivitäten der Projektpartner auf die Bearbeitung priorisierter Hitstämme nach biologischen und chemischen Gesichtspunkten unter der Anforderung, auch peptidische Wirkstoffe untersuchen zu wollen. Die Wiederfindung der in der Screeningphase aufgefallenen Aktivitäten priorisierter Stämme nach Fermentation verlief erfreulich positiv: so konnten bislang die Aktivitäten der Stämme 3-001, 3-002, 3-009, 0-047 und 1-004 im Extrakt verifiziert werden. Allerdings erwiesen sich die, aus den einzelnen Isolaten darstellbaren, extrem geringen Reinsubstanzmengen als größte Herausforderung für einen erfolgreichen Projektabschluss, weil in den aller meisten Fällen die erforderliche Strukturaufklärung und biologische Testung trotz der aus Eigenmitteln neu gewonnenen Technologie des automatisierten HPLC-DAD-Trenngangs zur Gewinnung von Reinsubstanzen, nicht durchzuführen war. Bei der Ursachensuche müssen folgende Fragen experimentell untersucht werden, was in dieser Projektlaufzeit nicht möglich war:
1) Sind die Wirksubstanzen im Extrakt tatsächlich in derart geringer Menge vorhanden und zeigen trotzdem so starke Aktivität? Dann wären diese Stoffe sehr außergewöhnlich unter den Biotika und von besonders hohem Interesse.
2) Sind die Wirksubstanzen chemisch sehr labil, z. B. gegen Luftsauerstoff, acide Lösungsmittel?
3) Sind es nicht die Reinstoffe, die die Wirkung vermitteln, sondern Substanzgemische, so dass bei den aufreinigenden Chromatographieschritten die Wirkung verloren geht?
4) Die außergewöhnlich hohe Polarität vieler Zielverbindungen stellt eine weitere Schwierigkeit dar. Hier müssen veränderte Chromatographiesequenzen jeweils individuell neu überprüft werden.
Die Zahl der bisher als Reinsubstanzen in ausreichender Menge isolierbaren Wirksubstanzen entspricht daher bisher nicht den Erwartungen. Eine Fermentation im bisherigen Maßstab (10 - 50 L) reicht nicht aus, um das Wirkprinzip zu isolieren, in seiner Struktur aufzuklären und biologisch zu testen. Andererseits zeigen einige Stämme eine derartige Fülle von Verbindungen (z. B. 0-047), dass man sie erfreuli-cherweise als sehr begabte Sekundärstoffproduzenten einstufen muss. Sorgfältige, wenn auch zeitintensive Fermentationsoptimierungen können hier für eine um das Vielfache höhere Produktion sorgen. Methoden sind die Zugabe von Polystyrol-XAD-Adsorberharzen oder die Zugabe von Aminosäuren zur wachsenden Mikroorganismen-Kultur. Gelingt auf diese Weise die Strukturaufklärung neuartiger Wirkstoffe, erlaubt diese möglicherweise Rückschlüsse auf die Biosynthese der Substanzen und liefert damit die Basis für ein genetisches Screening erstellter Genbanken der priorisierten Isolate. Da der für ein der-artiges F&E-Projekt zur Verfügung stehende Zeitrahmen von vorne herein als zu kurz angesehen wurde, müssen diese weitergehenden Charakterisierungen, vor allem in den Bereichen nachhaltige Produktion und Substanzentwicklung neu entdeckter Wirkstoffe in einem nachgeschalteten Projekt verstärkt angegangen werden. Als Paradebeispiel seien hier die Arbeitsgruppen Höfle und Reichenbach/GBF Braunschweig genannt, die erst durch extrem hohen Aufwand (1.000 L-Fermentationen) Wirkstoffe aus Myxo-bakterien isolieren konnten. Die konsequente Weiterführung des Projektansatzes über drei Jahrzehnte (!) führte zum weltweit einmaligen Erfolg. Heute gelten Myxobakterien als unerreicht begabte, überaus erfolgreiche Wirkstoffproduzenten. Das Epothilon ist als Krebstherapeutikum in Phase II klinischer Prüfungen und gilt auf dem Weltmarkt derzeitig als Millionen-Dollar-Naturstoff. Andererseits validieren gerade diese, in der Naturstoffforschung hinlänglich bekannten Schwierigkeiten den in diesem Projekt gewählten Ansatz der nachhaltigen Produktion durch heterologe Expression, der gerade auch beim Epothilon erfolgreich umgesetzt werden konnte.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen der vom ICBio koordinierten Öffentlichkeitsarbeit wurde das Projekt bislang im transkript
Sonderheft ‚Nachhaltige Biokatalyse (1) und durch einen ‚flyer zur Biotechnica 2003 vorgestellt.
(1) Meurer G. Grond S., Kletzin A., Grote R. und Antranikian G. 2003. transkript Sonderband 9: 43-46.


Fazit

Zusammenfassend ist es dem Forschungsverbund in der vergangenen Projektlaufzeit von nur 24 Monaten gelungen, erstmalig die extremophilen Mikroorganismen der unterschiedlichsten Gattungen als Wirkstoffproduzenten mit den modernen Methoden der Projektpartner eingehend zu untersuchen und den Nachweis zu erbringen, dass dieser Mikroorganismengruppe begabte Wirkstoffproduzenten angehören (proof-of-concept). Erwartungsgemäß braucht aber der Weg bis zum Mrd.-Dollar-Wirkstoffproduzenten sicher noch eine längere, intensive Forschungszeit in weitaus größeren Projektverbünden. Hier kann der bestehende Forschungsverbund mit dem Ziel, zunächst wenige Produzenten und ausgewählte bioaktive Prinzipien mit der Firma BRAIN in eine industrielle Entwicklung zu bringen, einen ganz entscheidenden Beitrag leisten. Das Konzept zukünftiger Arbeiten des etablierten Verbunds ist bereits erstellt. Dieser Beitrag wird die Wirkstoffforschung und hier vor allem die nachhaltige Produktion von Naturstoffen mit Mikroorganismen und molekularbiologischen Methoden weiter anregen.
Extrakte extremophiler Mikroorganismen zeigen überraschend vielfältige antimikrobielle und zytotoxische Wirkungen, die Anzucht der Organismen und vor allem die Ausbeuten an Reinsubstanzen aus Fermentationen stellen jedoch erwartungsgemäß eine erhebliche Limitierung dar. Eine nachhaltige Erschließung dieser Ressource muss daher einerseits kurzfristig über Großfermentationen zur Wirkstoffcharakterisierung und mittel- bis langfristig zur Wirkstoffentwicklung über die heterologe Darstellung der Wirksubstanzen in kompetenten Produktionsstämmen erfolgen.

Übersicht

Fördersumme

529.950,00 €

Förderzeitraum

01.07.2002 - 30.11.2004

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik