Projekt 13040/06

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Verbund Industrielle Nutzung von Biokatalysatoren: Entwicklung eines biotechnologischen Verfahrens zur Produktion hochwertschöpfender Ausgangsstoffe für die Synthese innovativer Kohlenhydratpharmaka

Projektträger

Technische Universität BerlinFakultät III - ProzesswissenschaftenInstitut für BiotechnologieFachgebiet Mikrobiologie und Genetik (GG5)
Seestr. 13
13353 Berlin
Telefon: 030/314-72750

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

L-Glycerol-3-Phosphat (L-G3P) ist ein potenzielles Ausgangssubstrat für die enzymatische Synthese von Kohlenhydratbausteinen, Phospholipiden und Nukleosiden. Im Rahmen des geplanten Forschungsprojekts soll L-G3P im Sinne des produkt- bzw. produktionsintegrierten Umweltschutzes mit Hilfe der Bäckerhefe S. cerevisiae als Biokatalysator gewonnen werden. Dabei werden nachwachsende Rohstoffe eingesetzt und das Produkt ist von hoher Qualität, da stereochemisch rein. Kohlenhydrate spielen eine Schlüsselrolle bei der Interaktion von Zellen. Dies wird durch die zunehmende Aufklärung medizinisch relevanter biologischer Prozesse (z. B. Immunantwort, Entzündungsprozesse, Metastasenbildung) belegt. Für die Herstellung von Pharmaka zur Beeinflussung solcher Prozesse (z. B. Enzyminhibitoren) werden daher sowohl natürliche Kohlenhydrate als auch deren Analoga benötigt. Derartige Kohlenhydra-te müssen in aufwändigen chemischen Synthesen hergestellt werden, zumal die gezielte Wirkung von Pharmaka eine hohe stereochemische Reinheit der Produkte erfordert. In der chemischen Synthese dieser Substanzen werden aggressive Phosphorylierungsagenzien eingesetzt. Alternativ besteht die Möglichkeit, solche Kohlenhydrate über die Zwischenstufe des Dihydroxyacetonphosphats (DHAP) mit Hilfe von Aldolasen aus L-Glycerol-3-Phosphat (L-G3P) enzymatisch herzustellen. Die geplante nachhaltige Produktion von L-G3P, die zudem preiswert ist, macht die enzymatische Zuckersynthese ökonomisch realisierbar und verkörpert daher auch für die Kohlenhydratsynthese eine Maßnahme des produkt- bzw. produktionsintegrierten Umweltschutzes.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenL-G3P ist kein Endprodukt, sondern ein Intermediat des Hefestoffwechsels. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten die Konzentration eines solchen Metaboliten zu erhöhen: i) die Beschleunigung seiner Produktion und ii) die Reduktion bzw. Verhinderung seiner Verstoffwechselung. Schließlich kann man beide Wege miteinander kombinieren. Um die Biosynthese von L-G3P zu forcieren, wurde die Aktivität der Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase erhöht bzw. die Aktivität der Pyruvatdecarboxylase, des Schlüsselenzyms der alkoholischen Gärung, reduziert. Die Weiterverstoffwechselung des Zielmetaboliten wurde unterbunden, indem die beiden Gene GPP1 und GPP2 ausgeschaltet wurden, welche für die beiden Isoenzyme der Glycerol-3-Phosphatase in der Hefe kodieren. Nach Auswahl des am besten ge-eigneten Produktionstamms im Hinblick auf Wachstumsverhalten und L-G3P-Produktion wurde die Pro-duktion von L-G3P in diesem Stamm detaillierter untersucht und durch Anpassung der Fermentations-bedingungen optimiert. Es folgten Stabilitätsuntersuchungen von L-G3P im Hinblick auf enzymatische Degradation. Außerdem wurde eine umweltfreundliche Extraktionsmethode gefunden. Darüber hinaus wurden erste Schritte im Hinblick auf eine selektive und kontinuierliche Ausschleusung des Zielmetaboliten unternommen.
Für die Konstruktion der verwendeten Vektoren wurden die gängigen molekularbiologischen Methoden (Isolation von Plasmid-DNA aus E. coli, Transformation von E. coli, Agarosegelelektrophorese, PCR, Restriktion und Ligation von DNA) verwendet. Die Hefezellen wurden mit Hilfe der Elektroporations-methode transformiert. Um die Transformanden zu überprüfen, wurde eine Isolation von Gesamt-DNA aus den Hefen durchgeführt, diese anschließend in E. coli rücktransformiert (bei Nutzung von Plasmidvektoren) oder mittels PCR bzw. Southern-Blot (bei Veränderungen in der genomischen DNA der Hefe) analysiert. Für die Bestimmung der intrazellulären Konzentration von L-G3P wurden Batch-Fermentationen im Minimalmedium durchgeführt, welches 2 % Glukose und die erforderlichen Aminosäuren enthält. Die Messung der intrazellulären Konzentration von L-G3P erfolgte nach Extraktion aus den Zellen mit Hilfe einer enzymatischen Bestimmungsmethode (optischer Test). Die Lipidkonzentratio-nen wurden in Kooperation mit der Universität Graz mittels Dünnschichtchromatographie bestimmt.


Ergebnisse und Diskussion

Um eine Akkumulation des Stoffwechselzwischenprodukts L-Glycerol-3-Phosphat (L-G3P) zu erreichen, wurde der Stoffwechsel der Hefe entsprechend angepasst. Durch Veränderungen von Enzymaktivitäten gelang es, zum einen den Metabolitfluss in Richtung L-G3P auf Kosten der alkoholischen Gärung zu verstärken (Multicopy-Expression des GPD1-Gens, Deletion des PDC2-Gens) und zum anderen den Metabolitfluss von L-G3P zu Glycerol vollständig zu unterbinden (Deletion der Gene GPP1 und GPP2). Die höchste Akkumulation von L-G3P wurde in dem Stamm Dgpp1/Dgpp2/Dpdc2+GPD1 erreicht. Aller-dings führte die Deletion von PDC2 zu einer starken Beeinträchtigung des Wachstums. Einen guten Kompromiss stellt der Stamm Dgpp1/Dgpp2+GPD1 dar. Dieser Stamm produziert zwar etwas weniger L-G3P als der Stamm Dgpp1/Dgpp2/Dpdc2+GPD1, wächst aber erheblich besser und wurde deshalb für die weiteren Experimente innerhalb des dritten Jahres der Projektlaufzeit zur detaillierten Untersuchung und Optimierung der L-G3P-Produktion verwendet. Als wichtige Einflussgröße stellte sich die Verfügbarkeit von Luftsauerstoff heraus. Es konnte gezeigt werden, dass die Anwesenheit von Sauerstoff nicht nur die Bildung von L-G3P verhindert und das Wachstum des rekombinanten Hefestamms fördert, sondern auch zu einem schnellen Abbau von bereits akkumuliertem L-G3P in Zellen führt, die zuvor anaerob kul-tiviert wurden. Die maximale gemessene intrazelluläre Konzentration an L-G3P in dem Stamm Dgpp1/Dgpp2+GPD1 betrug bei sauerstofflimitierter Kultivierung etwa 25 mg/g Hefetrockenmasse. Dies entspricht etwa dem 150-fachen der Ausgangssituation im Wildtypstamm. Für das Downstream Processing ist es von Vorteil, wenn die Zielsubstanz nicht aus den Zellen, sondern aus dem Medium aufgereinigt werden kann. Interessanterweise konnte im Kulturüberstand eine L-G3P-Konzentration von etwa 20 mg/l nachgewiesen werden, obwohl die Substanz nicht membrangängig ist. Dies beträgt etwas mehr als 50% der Gesamtmenge an gebildetem L-G3P (Summe aus intra- und extrazellulärem L-G3P: 41 mg/l). Es ist bisher noch nicht geklärt, ob das L-G3P im zellfreien Überstand ausschließlich aus lysierten Zellen stammt. In jedem Fall lässt sich intrazelluläres L-G3P durch Kochen der Zellen in den zellfreien Über-stand extrahieren und kann auf diese Weise gewonnen werden. Die Tatsache, dass der erste Meilenstein des Projekts, d. h. die Konstruktion von genetisch veränderten Hefestämmen zur Produktion von L-G3P, etwas später erreicht wurde als geplant, lag vor allem an den unerwarteten Schwierigkeiten, die bei der Einführung der PDC2-Deletion aufgetreten sind. Das zweite Arbeitspaket wurde im Zuge der erhaltenen Forschungsergebnisse obsolet, da eine Trennung von Biomasse- und Produktbildung auch oh-ne molekulargenetische Eingriffe möglich ist. Da es erstrebenswert ist, L-G3P aus dem Kulturüberstand zu isolieren, wurde damit begonnen, die Zellen so zu verändern, dass sie die Zielsubstanz kontinuierlich in das Medium ausschleusen. Den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wurde zu Grunde gelegt, dass ca. 25 g Hefetrockenmasse pro Liter erhalten werden können. Die angenommenen Kosten von 15.000 € für eine Fermentation im 3000 l-Maßstab inklusive anschließender Aufreinigung des L-G3P entstammen Kalkulationen der Firma Bitop AG, Witten. Es ergeben sich Herstellungskosten von ca. 4,90 €/g L-G3P. Zum Vergleich wurde der Katalogpreis von Sigma-Aldrich herangezogen (137,7 €/g). Selbst wenn nur 10% des Verkaufspreises den Herstellungskosten entsprechen, liegen die kalkulierten Produktionskosten mit dem neuen Verfahren nur bei etwa 50%. Sollte es zusätzlich gelingen, das Produkt kontinuierlich in das Medium auszuscheiden, können die Produktionskosten noch erheblich sinken.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Nevoigt, E., Nguyen, H.T.T., Stahl, U. (2001): Biotechnologische Produktion von L-Glycerol-3-Phosphat. Biokatalyse. Sonderausgabe der DBU in Kooperation mit Biospektrum, 33-35.
Nguyen, H.T.T., Nevoigt, E., Athenstaedt, K., Truong, H.N., Stahl, U. (2002): Biotechnological Production of L-glycerol 3-phosphate. Biocatalysis, Hamburg, Germany, Posterpräsentation.
Nguyen, H.T.T., Athenstaedt, K., Truong, H.N., Stahl, U., Nevoigt, E. (2002): Engineering of Saccharomyces cerevisiae for production of L-glycerol 3-phosphate. Metabolic engineering IV, Castelvecchio Pascoli, Italien, Posterpräsentation.
Nguyen, H.T.T., Athenstaedt, K., Truong, H.N., Stahl, U., Nevoigt, E. (2003): Engineering of Saccharomyces cerevisiae for production of L-glycerol 3-phosphate. XXI International Conference on Yeast Genetics and Molecular Biology, Göteborg, Schweden, Posterpräsentation.
Nguyen, H.T.T., Dieterich, A., Stahl, U., Nevoigt, E. (2003): Genetische Optimierung der Bäckerhefe zur Produktion von L-Glycerol-3-Phosphat. Transkript Sonderheft Nachhaltige Biokatalyse, 47-49.
Nguyen, H.T.T., Dieterich, A., Athenstaedt, K., Truong, N.H., Stahl, U. und Nevoigt, E. (2003): Engineering of Saccharomyces cerevisiae for the production of L-glycerol 3-phosphate. Eingereicht zur Veröffent-lichung in Metabolic Engineering.


Fazit

Die aus Bäckerhefe isolierbare Menge an L-G3P konnte innerhalb der bisherigen Projektlaufzeit durch das durchgeführte Metabolic engineering und die Optimierung der Kultivierungs- und Extraktionsbedin-gungen auf ca. 41 mg/l (Summe aus intra- und extrazellulärem L-G3P) gesteigert werden. Dies entspricht einer mehr als 250-fachen Akkumulation im Vergleich zur Ausgangssituation im Wildtypstamm. Das Fermentationsprodukt steht damit potenziell als Baustein für die umweltfreundliche und ökonomische enzymatische Synthese von Kohlenhydraten zur Verfügung. Fermentation und Extraktion selbst folgen der Maßgabe des produktionsintegrierten Umweltschutzes: Nachwachsende Rohstoffe können eingesetzt werden, der Energieverbrauch ist gering, umweltgiftige oder gesundheitsgefährdende Stoffe kommen nicht zum Einsatz. Als enantiomerenreines Hochwertprodukt mit Produktionskosten von derzeit geschätzten 5 €/g kann sich fermentativ hergestelltes L-G3P im Vergleich mit dem Großanbieter wahr-scheinlich am Markt behaupten (Produktionskosten der Konkurrenz beruhen auf Schätzung). Der wichtigste nächste Entwicklungsschritt im Hinblick auf eine verbesserte Konkurrenzfähigkeit betrifft die selektive und kontinuierliche Ausschleusung der Zielsubstanz aus dem Produktionsorganismus.

Übersicht

Fördersumme

261.285,49 €

Förderzeitraum

01.05.2000 - 31.12.2003

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik