Projekt 13025/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Eröffnung eines gesellschaftlichen Diskurses über kritische Fragen der Entwicklung und Nutzung von Biotechnologien

Projektträger

Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft e. V. (F.E.S.T.) Institut für interdisziplinäre Forschung
Schmeilweg 5
69118 Heidelberg
Telefon: 06221/9122-43

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Biotechnologie ist während der 80er Jahre über den Bereich der Grundlagenforschung hinausgewachsen, sie ist heute Gegenstand staatlicher Förderungspolitik und industrieller Verwertungsinteressen. Die Biotechnologie stand aber auch von Anfang an im Brennpunkt der öffentlichen Kritik. Auf ihre Entwicklung und Nutzung richten sich hohe Erwartungen, zugleich werden aber auch von vielen Menschen inhärente Gefahrenpotenziale gesehen und ethische Bedenken vorgetragen, ohne dass entsprechende Foren zur Verfügung ständen. Das von der Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft in Kooperation mit der Evangelischen Akademie der Pfalz durchgeführte Projekt zielt auf die Eröffnung eines gesellschaftlichen Diskurses über kritische Fragen der Entwicklung und Nutzung von Biotechnologie. Das Vorhaben ist auf die BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck zugeschnitten und auf 34 Monate angelegt. Für die wissenschaftliche Begleitung ist die Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg zuständig, für die Durchführung der öffentlichen Veranstaltungen die Evangelische Akademie der Pfalz in Speyer. In Konsultationen und öffentlichen Veranstaltungen bieten die Kooperationspartner ein Forum, auf dem die beteiligten und betroffenen Gruppen ihre unterschiedlichen Interessen und Positionen, Überzeugungen und Bewertungen offen legen und begründen sowie prüfen und bewerten können. In einem verstetigten Gesprächszusammenhang soll zu einer differenzierteren Urteilsbildung in einzelnen Konfliktfeldern beigetragen und zu selbsttragenden Folgeaktivitäten angeregt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenUm eine sachgerechte und problemorientierte Diskussion der mit der Entwicklung und Anwendung moderner Biotechnologien und Gentechnik verbundenen Chancen und Risiken zu ermöglichen und zu unterstützen, wurde der Projektarbeit ein integratives Diskurskonzept zugrundegelegt, das den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs sowie die Arbeit mit Multiplikatoren verknüpft. Auf diese Weise wurde es den Experten ermöglicht, die Öffentlichkeit über die Zielsetzungen ihrer Arbeit und die verwendeten Methoden zu informieren und zu einer sachlichen Aufklärung beizutragen, zugleich bot sich der Öffentlichkeit die Möglichkeit, ihre Bedenken und Vorbehalte vorzutragen und die den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen zugrundeliegenden Prioritäten zu hinterfragen. Dieses Diskurskonzept, das darauf zielt, Dissense zu präzisieren, Konsensbereiche zu identifizieren und nicht erkannte Konsenschancen zu Tage zu fördern, wurde in der BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck exemplarisch durchgeführt.
- Wissenschaftlicher Diskurs:
In den Arbeitskreisen, in denen Repräsentanten aus Forschungsinstituten und Wirtschaftsunternehmen sowie Vertreter aus Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen teilnahmen, wurden solche Forschungsrichtungen und Anwendungsbeispiele im Kontext der modernen Biotechnologie und Gentechnik zum Gesprächsgegenstand gemacht, die in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion kontrovers behandelt werden.
- Öffentlicher Diskurs:
Die im interdisziplinären Gespräch herausgearbeiteten Fragestellungen und Positionen wurden in öffentlichen Tagungen zur Diskussion gestellt. Durch die Verbindung von wissenschaftlichem und öffentlichem Diskurs wurde sichergestellt, dass Themenfelder und Fragestellungen zu einem frühen Zeitpunkt in den öffentlichen Diskurs eingespeist wurden, dass die wirklich relevanten Aspekte der Themen zum Gegenstand der Veranstaltung gemacht wurden, usw.
- Arbeit mit Multiplikatoren:
Der wissenschaftliche und öffentliche Diskurs wurde durch die begleitende Arbeit mit Multiplikatoren unterstützt. Besonderes Augenmerk wurde auf die Multiplikatorengruppen Lehrer und Pfarrer gerichtet. Die Arbeit mit Multiplikatoren wurde durch die im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen qualifiziert und befördert.


Ergebnisse und Diskussion

In den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen wurden verschiedene Fallbeispiele und Themenfelder im Kontext moderner Biotechnologie und Gentechnik behandelt. Verlauf und Ergebnis dieser Urteilsbildungsprozesse haben insbesondere zu den folgenden Einsichten geführt:
1. Das von Bender/Platzer/Sinemus entwickelte und den Urteilsbildungsprozessen zugrundegelegte Strukturmodell ethischer Urteilsbildung im Kontext moderner Technologien erfährt eine Erweiterung um eine vorgängige Ebene: Wahrnehmungsweisen und Verstehenshorizonte. Auf dieser Ebene wird im Vorfeld des konkreten Problems eine gemeinsame Verständigung über die vorausgehenden erkenntnis- und handlungsleitenden Orientierungen im vortheoretischen bzw. vor- oder außerrationalen Bereich - hiermit sind sinnliche Wahrnehmungsweisen, Gefühlsbezogenheiten, Ideale, Träume, usw. bezeichnet - und im theoretischen bzw. rationalen Bereich - hierunter fallen Abstraktionsweise, Methodenwahl, Erkenntnismodell, Wissenschaftsideal, usw. - angestrebt. Auf diese Weise kann der Komplexität der Situationen bzw. Kontexte sowie der Uneindeutigkeit der relevanten Begriffe und moralischen Intuitionen Rechnung getragen werden.
2. Die allgemeinen Erkenntnisse betreffen zum anderen die Zielsetzungen, die mit diskursiven Prozessen verfolgt werden. Im Diskurs geht es um grundsätzliche Fragen mit normativen Gehalten. Sie sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Suchprozesses. Diskurse müssen interdisziplinär organisiert sein, d.h. sie sollen Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler, aber auch politisch Verantwortliche, Betroffene und Laien. Sie müssen in der Weise organisiert und geleitet werden, dass die unterschiedlichen Kompetenzen, Interessen, Erfahrungen und Positionen gleichberechtigt eingebracht werden können. Die Ergebnisse werden vermutlich keine umfassenden Konsense sein, oft auch keine Minimalkonsense, eher Kataloge von Dissensen und Konsensinseln, die Ausgangspunkt für moralisch begründetes Urteilen, Entscheiden und Handeln sein können.
nsgesamt kann es nicht um Problemlösung durch eindeutige Klärung moralisch-ethischer Richtigkeit gehen, sondern um die gemeinsame Auseinandersetzung mit den ethischen Problematiken im konkreten Bezug auf situative Bedingungen. Die Ethik wird im Prozess der Problembewältigung dazu aufgefordert, die lebensweltliche Konkretheit ihrer Diskurse und damit Fragen einer Beziehungsethik zu ihrem eigenen Programm zu machen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation des Projektes erfolgt durch Vorträge, Beratungen und Veröffentlichungen, wie z.B.:
Platzer, K.: Ethische Urteilsbildung und Gentechnik: Erfahrungen mit fächerübergreifenden Lehrerfortbildungen. In: Frey, H.D.: Landesbiologentag Gentechnik und Ethik in der Diskussion, Tübingen, 1998, S. 61-68.
Hörner, V./Platzer, K.: Die Würde des Menschen ist (un)antastbar? Bioethik in der Diskussion, Reihe: Speyrer Texte H. 4, Speyer, 1999.


Fazit

Das integrative Diskurskonzept, das den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs sowie die Arbeit mit Multiplikatoren verbindet, hat sich bewährt. Themenfelder und Fallbeispiele, die in zukünftigen Vorhaben dieses Zuschnitts bearbeitet werden sollten, betreffen im Bereich der Grünen Gentechnik die Themen Functional Food und Novel Food. Im Bereich der Roten Gentechnik sollte das im Rahmen dieses Projekts bearbeitete Themenfeld Stammzellforschung weiter verfolgt werden. Der Fokus der Arbeit sollte nicht auf der Statusdiskussion, sondern auf den ethischen Implikationen und gesellschaftlichen Folgewirkungen liegen, die mit der Forschung an humanen Stammzellen verbunden sind.

Übersicht

Fördersumme

98.423,69 €

Förderzeitraum

01.05.1998 - 18.10.2001

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Umweltkommunikation
Umwelttechnik