Projekt 12188/01

Machbarkeitsstudie zum Projekt Umweltbildung und Umweltberatung für Betriebsräte in mittleren und kleinen Handelsunternehmen

Projektträger

Ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Potsdamer Platz 10
10785 Berlin
Telefon: 030/6956-1239

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die durchgeführte Machbarkeitsstudie sollte als Vorstufe eines Hauptprojektes unter Einsatz empirischer Methoden abklären· Inwieweit Betriebsräte des Handels zum betrieblichen Umweltschutz Stellung beziehen?
· Inwieweit sie Bedarfe für die Umweltweiterbildung im Betrieb sehen?
· Welche Inhalte für welche Zielgruppen des Handels von Interesse sind?
· Welche Bedarfe von anderen betrieblichen Experten gesehen werden? u.a.m.

Die Ergebnisse dienen sowohl der Abklärung vorhandener Bedarfe als auch der Einschätzung möglicher Kooperationsbereitschaft und der Bestimmung orientierender Faktoren für die Erarbeitung und Umset-zung einer Weiterbildungskonzeption.

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Entwicklung einer solchen Weiterbildungskonzeption war die Einschätzung, dass im Handel, als Gate-Keeper zwischen Hersteller und Verbraucher, den Betriebsräten, als Ansprechpartner von Geschäftsleitungen und Beschäftigten, eine große Bedeutung als Moderatoren und Multiplikatoren bei der Entwicklung und Umsetzung ökologischer und nachhaltiger Konzepte zukommen kann, wenn zum einen Bereitschaft bei ihnen besteht, diese Aufgabe zu bearbeiten, zum anderen die qualifikatorischen Voraussetzungen vorhanden sind bzw. geschaffen werden.

Zu den Rahmenbedingungen unter denen solche Voraussetzungen zu schaffen sind, sind dabei insbesondere zu benennen
· als schwierige: die lang andauernde ökonomische und beschäftigungspolitische Krise des Handels als Hemmnis für die Ressourcenbereitstellung auf dem Weg ökologischer Weiterentwicklungen und
· als befördernd: die erst kürzlich in Kraft getretene Novellierung des BetrVG

Auf den zweiten Punkt soll an dieser Stelle ergänzend eingegangen werden, da zum Zeitpunkt der Antragstellung die Arbeit an der Novellierung des BetrVG zwar lief, die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens jedoch noch als offen betrachtet werden mussten. Den politischen Willen des Gesetzgebers, ne-ben der Änderung anderer betriebsverfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen, dem Umweltschutz im Betrieb einen deutlich höheren Stellenwert einzuräumen, wurde auch von der Gewerkschaft ver.di sowie von deren Vorläuferorganisationen gefordert. Für Gewerkschaften, wie Betriebsräte ergibt sich nunmehr sowohl außer- wie auch innerbetrieblich eine Erweiterung des Handlungsspielraums, Umweltschutz auch innerbetrieblich eine Erweiterung des Handlungsspielraums, Umweltschutz als ein Unternehmensziel, als arbeitsorganisatorische und technisches Leitbild ihrer Arbeit zu definieren und zum festen Bestandteil inner- wie überbetrieblicher Qualifikationsmaßnahmen zu machen.

Weiterhin besteht mit der Novellierung Anlass zur Hoffnung, dass nachdem derzeit eine Stagnation der EMAS -Entwicklung in den Unternehmen zu verzeichnen ist, ein neues Treibermoment entsteht. Die überraschend positive Beteiligung der Betriebsräte aus Einzelhandelsunternehmen an der Machbarkeitsstudie war sicher auch zum Teil der öffentlich kontrovers geführten Diskussion und anschließenden Ver-abschiedung der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes durch den deutschen Bundestag in 2001 geschuldet.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Abklärung der oben genannten Fragen wurde vorgenommen über
· eine repräsentative schriftliche Befragung von Betriebsräten im Handel, an der sich 221 Betriebsräte aus 58 Handelsunternehmen beteiligten,
· Expertengespräche mit einzelnen Betriebsräten und Vertretern des Handels
· Workshops zur Entwicklung der Ausgangsthesen und Erhebungsinstrumente sowie zur Bewertung der Ergebnisse

Für die schriftliche Umfrage wurde zunächst ein standardisierter Fragebogen entwickelt. Mit diesem Fragebogen wurde die betriebliche Umweltsituation festgestellt - von uns als Umweltklima definiert. Vor diesem - betriebsbezogenen - Hintergrund wurde der Qualifikations- bzw. Bildungsbedarf in Fragen des betrieblichen Umweltschutzes von den Betriebsräten erfragt.

Die Arbeitshypothese dabei war, dass ein Bedarf an Beratungs- und Bindungsangeboten für Betriebsräte unterstellt werden kann. Inwieweit dies nun für die gesamte Branche Einzelhandel, für Teilbranchen und für Unternehmensgrößen gelten konnte oder welche Teilbedarfe (etwa nach Themen) existent sind, sollte die Erhebung erfassen.

Sollen die Umfrageergebnisse auch in öffentlichen Diskussionen Bestand haben, muss Methodik und Struktur sowie die Auswertung des Fragebogens einer Kritik standhalten können. Auf einer Reihe von Meetings in Hamburg und Düsseldorf haben die Kooperationspartner, z. T. mit Beratung gewerkschaftlicher Bildungsexperten und Handelsfachleuten, die Prämissen für die Fragebogenstandards bzw. der inhaltlichen Gliederung diskutiert und festgelegt: So wurde bei den konzeptionellen Überlegungen deutlich, dass sich bei der endgültigen Standardisierung und Auswertung Bedarf an fachwissenschaftlicher Unterstützung durch empirisch versierte Wissenschaftler ergab. Dazu wurde das Büro für Arbeits- und Organisationspsychologie (bao) Berlin hinzu gezogen.

Ein Pretest, der nochmals wichtige Hinweise für die Fragebogenerstellung ergab, wurde im Rahmen eines Seminars zum betrieblichen Umweltschutz für Betriebsräte der Kaufhof Warenhaus AG durchgeführt.

Angeschrieben wurden ca. 900 Betriebsräte aus konzernungebunden Handelsunternehmen kleiner und mittlerer Provenienz. Auf Grund der uns vorliegenden Verteilerstruktur, die auf Filialgrößen basiert, ließ sich die Beteiligung von Betriebsräten von Großunternehmen wie z. B. Karstadt, Kaufhof oder Ikea jedoch nicht völlig ausschließen. Dies hat den positiven Nebenaspekt, dass erkennbar wurde, welche Differenzen zwischen Konzernpolitik und deren Umsetzung bzw. Eigeninitiativen auf Filialebene bestehen.

Die Möglichkeit der Rückfrage beim Projektteam in der Erhebungsphase sowie eine Nachfassaktion sicherten einen hohen Rücklauf (Rücklaufquote von 24,6%) und erbrachten zudem eine Reihe von Tele-fonkontakten mit interessanten Hinweisen. Diese Kontakte konnten z. T. genutzt werden, um spätere Expertengespräch vorzubereiten bzw. zu verabreden.

Bemerkenswert ist weiterhin, dass nahezu alle angeschriebenen Betriebsräte ihre Betriebsadresse und Namen bereitwillig angaben, um eine Auswertung zu erhalten, obwohl das Verfahren auf Zusicherung der Anonymität ausgerichtet war.

Auf Basis der ersten Auswertungsergebnisse wurde von den Projektkooperationspartnern ein Leitfaden für Expertengespräche entwickelt, um in ausgewählten Handelsunternehmen mittlerer Größe einerseits Unternehmensbeauftragte (Umweltbeauftragte oder Vertretern der Geschäftsleitung), andererseits Betriebsräte gezielt und differenziert nach Umweltleistung und Qualifikationsbedarf befragen zu können.

Ziel dieser Expertengespräche war es insbesondere,
· die Ergebnisse zu ergänzen und abzusichern,
· zusätzliche Einschätzungen und Perspektiven von wesentlichen Akteuren, wie Geschäftsführungen und Zuständigen/Beauftragten zu erhalten und
· Kontakte zu potentiellen Kooperationspartnern für das Projektvorhaben aufzubauen. Neben Einzelgesprächen wurden auf Wunsch von Betriebsräten auch Gruppengespräche (z. B. mit Betriebsräten, Umweltbeauftragten und /oder Geschäftsleitungen) geführt.

Parallel zu allen Projektphasen wurde auf verschiedene Informationswegen Öffentlichkeitsarbeit getätigt (Projektankündigung, Begleitschreiben der zuständigen Bundesvorstände, Verbreitung von Zwischenergebnissen), um so direkt und indirekt die Auseinandersetzung mit der Frage des Umweltschutzes im Handel bzw. in der Betriebsratsarbeit zu befördern.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

· Veröffentlichungen in der Mitgliederzeitung der DAG und der HBV in den Juliausgaben 2001
· Bericht über das Projekt in Arbeit & Ökologiebriefe 1/2002
· Broschüre Eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit Hrg. HBV, Düsseldorf, Oktober 2001
· Veröffentlichung auf der Internet - Seite: www.eokoline.de
· Veröffentlichung auf der Internet - Seite: www.btq-hamburg.de


Fazit

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie bestätigen, dass eine große Nachfrage zur Umweltbildung entlang der spezifischen Anforderungen des Handels besteht.

Umweltschutz war für die Betriebsräte eher ein Randthema ihrer Tätigkeit und Qualifikation, bekommt jedoch mit den Entwicklungen in Handelsunternehmen und den erweiterten Mitbestimmungsrechten und -pflichten gemäß BetrVG, einen wichtigen Stellenwert. In Beziehung zu anderen, traditionellen Arbeits-themen des Betriebsrates, wie z. B. Tarifrecht, Arbeitsrecht, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, kann der Umweltschutz als ein innovatives und eigenständiges Arbeitsthema bzw. als Schnittstelle und Ergänzung zu den genannten traditionellen Arbeitsthemen des Betriebsrates gesehen werden.

Bei der Akzeptanz von Umweltthemen, so auch in der betrieblichen Interessenvertretung, bekommen die Aspekte Bewusstsein, Wissen und Qualifikation einen zentralen Stellenwert.

Teilnehmer- und aufgabenorientierte Qualifizierungsmaßnahmen zum Umweltschutz steigern die strategischen Kompetenzen der Betriebsräte und befähigen sie für ihre komplexen strategischen und fachlichen / inhaltlichen Aufgaben. Schließlich befördern Betriebsräte durch ihre aktive Beteiligung und Gestaltung den Prozess der umweltorientierten Modernisierung des Unternehmens. Dies beinhaltet das strate-gische und zielführende Co-Management als auch die Konzeption konkreter Umsetzungsmaßnahmen und deren Zielverfolgung.

Gleichfalls lässt sich die ökologisch und ökonomisch erfolgreiche Unternehmenspolitik nicht von oben verordnen, sondern bedarf der inneren Zustimmung, des entsprechenden Bewusstseins und der aktiven Mitwirkung der Beschäftigten. In einem diesbezüglichen Gestaltungs- und Kommunikationsprozess hat der Betriebsrat eine wichtige Schlüsselfunktion. In seiner Rolle als Interessenvertreter, Multiplikator, Mittler und Co-Manager und auf der Basis neu erworbener bzw. erweiterter, inhaltlicher, verfahrens- und dialogbezogener Kompetenzen, beeinflusst er entscheidend den Erfolg betrieblicher Prozesse.

Die Ergebnisse, das bestehende Engagement der Betriebsräte in Verbindung mit den erweiterten Mitwirkungs- und, zum betrieblichen Umweltschutz und der betrieblichen Weiterbildung, Mitbestimmungsrechten im novellierten Betriebsverfassungsgesetz lässt erwarten, dass ein entsprechendes Qualifizierungsangebot in der Praxis angenommen wird.

Inhaltlich muss dieses Bildungsangebot drei zentrale Fragen beantworten:
· Was kann der Umweltschutz im Handel bewirken, welches sind die Gestaltungsdimensionen und wie kann er kontinuierlich verbessert werden?
· Wie können die Betriebsräte die betrieblichen Aktivitäten unter Nutzung ihrer Mitwirkungsrechte im Interesse von Unternehmen, Beschäftigten und Kunden fördern?
· Wie können Betriebsräte insbesondere dazu beitragen, den Weiterbildungsbedarf der Mitarbeiter/innen zum Umweltschutz im Unternehmen zu konkretisieren und über ihre Mitbestimmungsrechte durchzusetzen?

Folgende wesentliche Qualifizierungsinhalte werden von den Betriebsräten genannt:
1. Weiterbildungsbedarf zu speziellen Instrumenten, Arbeitsformen und Aufgaben der Interessenvertretung
2. Weiterbildungsbedarf zu fachlichen/inhaltlichen Fragen des konzeptionellen und operativen betrieblichen Umweltschutzes
3. Betrieblicher Umweltschutz und Partizipation
4. Beteiligung des Betriebsrats bei betrieblichen umweltbezogenen Prozessen im Sinne des Co-Managements (Prozessschritte eines Umweltmanagements / -controllings)

Schlussfolgerungen des Workshops
Die Ergebnisse wurden in einem abschließenden Workshop diskutiert. Die Ergebnisse waren in dieser Deutlichkeit nicht erwartet worden. Die hohe Priorisierung des betrieblichen Umweltschutzes seitens der befragten Betriebsräte löste dabei besonderes Erstaunen aus und zog die Frage der Höhergewichtung des Themas in den gewerkschaftlichen Strategiekonzepten nach sich. Es besteht nunmehr eine deutlich hohe Bereitschaft, dem Umweltschutz einen höheren Stellenwert einzuräumen.

Die einhellige Schlussfolgerung war, dass die Entwicklung und pilothafte Umsetzung einer Weiterbildungskonzeption zum Handlungsfeld betrieblicher Umweltschutz für die Betriebsräte des Handels in einem Modellprojekt, das in der Grundkonzeption auch auf andere Branchen übertragbar wäre, wünschenswert ist.

Das Ressort und andere ver.di - Abteilungen würden dafür Ressourcen zur Verfügung stellen, benötigen aber zugleich, wegen deren Begrenztheit und aufgrund der komplexen fachlichen Anforderungen eines solchen Vorhabens, externe personelle Unterstützung durch fachlich qualifiziertes Personal und finanziel-le Unterstützung der DBU.

Übersicht

Fördersumme

51.129,19 €

Förderzeitraum

01.01.2001 - 31.12.2001

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Umweltkommunikation