Projekt 10279/01

Publikation: Umweltschutz – Normsetzung durch private Verbände

Projektträger

Volker M. Brennecke
Sulzbachstr. 69
40629 Düsseldorf
Telefon: 0211/6214-

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Verfahren der umwelttechnischen Normsetzung sind zunehmend in die Diskussion geraten. Das Umweltgutachten 1996 des Umweltrates thematisiert z.B. in einem gesonderten Kapitel die Standardsetzung und schlägt dabei neue Verfahrensformen vor. Dennoch ist über die Verfahren umwelttechnischer Grenzwertfindung in privaten Normungsverbänden heute immer noch wenig bekannt. Die Monographie Normsetzung durch private Verbände im Werner-Verlag in der Reihe Umweltrechtliche Studien möchte hier einen Beitrag leisten. Sie arbeitet die Voraussetzungen und Erfolgskriterien für keineswegs selbstverständliche Konfliktlösungen zwischen staatlichen und industriellen Interessen bei der Konkretisierung des Standes der Technik im Immissionsschutz heraus.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie sozialwissenschaftliche Untersuchung stützt sich auf die Auswertung v.a. der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, zum größten Teil jedoch auf eigene Erhebungen. Dazu wurden in größerem Umfang Experteninterviews (UBA, BMU, Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN, LAI, Industrie etc.) durchgeführt.
Die Untersuchung geht von einem theoretischen Bezugsrahmen der Sozialwissenschaften aus, nach dem gesellschaftliche Konflikte einerseits durch die Ausübung von Hierarchie (vor allem durch den Staat) und andererseits durch Verhandlungen (vor allem im Rahmen verbandlicher Selbstregulierung) gelöst werden. Dieses Analyseraster wird in der Untersuchung auf die umwelttechnische Normsetzung zwischen Staat und privaten Normungsverbänden übertragen. Die Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Steuerungsmodi stehen im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung. An Fallbeispielen der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN, einer der größten privaten Normungsorganisationen im Umweltschutz, analysiert die Arbeit die Konfliktlösungen zwischen Staat und Wirtschaft.


Ergebnisse und Diskussion

Die empirische Untersuchung der Entscheidungsverfahren an Fallbeispielen der verbandlichen Normsetzung konnte deutlich die staatliche Relevanz zeigen. In Abhängigkeit von der staatlichen Intensität des Interesses (ausgedrückt durch eigene Aktivitäten zur Normsetzung) wurden in verbandlichen Verfahren unterschiedliche Verschränkungen von Hierarchie und Verhandlung erreicht. Die Arbeit hat ein Spektrum von Verschränkungslösungen erarbeitet.

In der Praxis der Arbeitsausschüsse im Normungsverband wirkt sich diese Verschränkung durch sowohl kooperatives als auch konfrontatives Verhalten der beteiligten Akteure aus Staat und Industrie aus. Die Feststellung und Beurteilung des Standes der Technik im Immissionsschutz wird dabei einerseits durch gemeinsame Interessen der optimalen technischen Problemlösung bestimmt, andererseits ebenso durch konkurrierende Interessen zwischen beiden Seiten. Die Verhandlungspartner schwanken somit zwischen Kooperation und Konflikt. Diese Konstellation führt die Verfahren allerdings in ein Dilemma: Weil die konstruktiven, auf Problemlösung gerichteten Verhaltensweisen besonders leicht ausgebeutet werden können und so gerade dem eigenen Aushandlungserfolg abträglich sind, hindern umgekehrt effektive konfrontative Verhandlungsstrategien die Beteiligten allerdings daran, ihr gemeinsames Problem zu lösen und den insgesamt erreichbaren Kooperationsgewinn zu erhöhen.

Dieses besonders auch von Fritz Scharpf spieltheoretisch analysierte Verhandlungsdilemma zeigt sich bei der mangelnden Durchsetzung des integrierten Umweltschutzes besonders: Obwohl für beide Seiten integrierte Technologien effektiver wären, hindert der dafür notwendige höhere Kooperationsaufwand die Beteiligten daran. Trotz eines gemeinsamen Interesses an integriertem Umweltschutz muß der Staat befürchten, daß eine Abkehr von hierarchischen Vorgaben und eine stärkere Kooperation mit der Wirtschaft bei der Entwicklung integrierter Verfahren seine Durchsetzungsmacht schwächen könnte. Gleichzeitig muß die Industrie befürchten, daß bei einer Offenlegung von technischen Optionen ihrerseits diese vom Staat kurzfristig zum Stand der Technik erklärt und so in der betrieblichen Praxis die Standards verschärft werden würden. Diesem Dilemma könnte nach Auffassung des Verfassers durch eine gezielte Verschränkung von staatlicher und verbandlicher Normsetzung sowie der Weiterentwicklung von Schlichtungsverfahren (Mediation) in den Normungsverbänden begegnet werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Studie wurde in der von Battis, Rehbinder und Winter herausgegebenen Reihe Umweltrechtliche Studien veröffentlicht. Durch diese Plazierung sollen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden: Rechts- und Sozialwissenschaftler und Ingenieure im Umweltschutz, Verbände, Umweltbehörden und -verbände, Ministerien, Umweltschutzabteilungen großer Unternehmen und die umweltpolitisch interessierte Öffentlichkeit. Der interdisziplinäre Dialog unter Einbeziehung weiterer einschlägiger Studien (z.B. Umweltrat, Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestages, UBA etc.) wird vom Autor angestrebt.


Fazit

Die Verfahren der umwelttechnischen Normsetzung zwischen Staat und privaten Normungsverbänden sollten in inhaltlicher und strategischer Hinsicht weiterentwickelt werden. Dabei kommt der Lösung unvermeidbarer Interessenkonflikte eine große Bedeutung zu. Gerade die mangelnde Trennbarkeit von Sach- und Interessenkonflikten macht eine interdisziplinäre Perspektive (Rechts-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften) notwendig. Die Studie will zu einer solchen Diskussion Grundlagen schaffen und einen Anstoß geben.

Übersicht

Fördersumme

2.045,17 €

Förderzeitraum

06.08.1996 - 08.12.1997

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Umweltkommunikation