Projekt 08293/01

Modellvorhaben: Ressourcenschonender Erhalt eines umweltgeschädigten wertvollen Fachwerkensembles als Begegnungsstätte für jüdische Geschichte in Halberstadt einschließlich Weiterbildungsmaßnahmen (Sachsen-Anhalt)

Projektträger

Moses Mendelssohn Akademie
Rosenwinkel 18
38820 Halberstadt
Telefon: 03941/606710

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Fachwerkbau in der Judenstraße 26 in Halberstadt ist ein besonders hervorragendes Bau- und Kulturdenkmal. In dem im 17. Jahrhundert errichteten Gebäude befindet sich die Gemeindemikwe der früheren jüdischen Gemeinde aus dem Ende des 19. Jahrhdts. Diese Mikwe, eine Seltenheit in Norddeutsch-land, ist stark in Mitleidenschaft gezogen, jedoch erhaltungsfähig. Ziel ist die Erhaltung und Sanierung des vor allem durch Feuchtigkeit schwer geschädigten Fachwerkgebäudes mit massivem Keller mit handwerklich historischen und modernen Methoden der Holz- und Mauerwerkssanierung einschließlich der Gründung in dem ehemaligen Überschwemmungsgebiet.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Sanierungen müssen dem Gebäude und der Konstruktion angemessen sein, in dem auch die bauzeitlichen Schichten und ihre handwerklichen zeittypischen Eigenheiten Beachtung finden.
Intensive Voruntersuchungen erfolgen durch Bauforscher und Restauratoren, wie durch die Architekten, um möglichst viel Originalsubstanz erhalten zu können. Dies bezieht sich auf die Fachwerkkonstruktion, das Dach und die Fenster sowie die schon erwähnte Mikwe im Kellergeschoss. Bei den zum Einsatz kommenden Sanierungsmethoden spielen bauphysikalische und klimatische Aspekte in Zusammenhang mit ökologischen Methoden eine besondere Rolle. Nur so kann ein langfristiger Erhalt des Gebäudes bei sorgfältiger und regelmäßiger Pflege erreicht werden. In der ersten Bauphase erfolgt die Reinigung und Freilegung sowie die Sicherung der konstruktiven Bauteile. In der zweiten Phase kann die Außenhülle aus Fachwerkwand, Dach und Fenster folgen. Der Innenausbau mit dem Schwerpunkt Oberflächensanierung ist für 2001 vorgesehen. Die gesamte Maßnahme ist in ein Studienprogramm der TU Braunschweig und des Fachwerkzentrums Quedlinburg einbezogen. Erläuterungen auch vor Ort über die Vorgehensweise und Informationen über beispielhafte Sanierungen, Details und ökologischen Baustoffe haben bereits stattgefunden. Sie werden mit dem Baufortschritt fortgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Das Gebäude Judenstraße 26 steht unter Denkmalschutz. In einer denkmalpflegerischen Zielsetzung wurden die Erhaltungsmaßnahmen im Grundsatz festgelegt. Grundlage war eine sorgfältige bauhistorische Untersuchung einschließlich der Bewertung zeichnerischer und schriftlicher Quellen und der Erstellung restauratorischer Befunde. Die technischen Maßnahmen orientierten sich am bauzeitlich handwerklich hergestellten Original und der dabei verwendeten Materialien. Je nach Schadensbild waren individuelle Entscheidungen zu treffen, wobei sowohl der denkmalpflegerischen Sorgfalt wie auch haustechnischen und energetischen Verbesserungen in Bezug auf die neue Nutzung Rechnung getragen wurde. Durchgängige Leitlinie war, so viel wie möglich originale Bausubstanz zu erhalten, sowie bei notwendigen Reparaturen und Ergänzungen handwerklich traditionelle und ökologische Verfahren und Materialien zu benutzen.
Die Sanierungen wurden in regelmäßigen Abständen von der örtlichen Denkmalpflege sowie vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt begleitet. Darüber hinaus fanden Begehungen und Beratungen mit jüdischen Wissenschaftlern und Vertretern der jüdischen Religionsgemeinschaft zu liturgischen und rituellen Fragen, vor allem im Bereich der wiederherzustellenden Mikwe statt.
Teile der Außenwände konnten mit Lehm ergänzt und die Oberflächen mit Lehmputz versehen werden. Die extrem starken Schädigungen, vor allem auf der rückwärtigen Hofseite erforderten partiell sowohl die Erneuerung von Teilen der Holzfachwerkwand, wie auch die Ausfachung und die Neuaufbringung der Putze.
Sämtliche Malerarbeiten an historischen und neu hinzugefügten Bauteilen wurden in Abstimmung mit dem Restaurator und der Denkmalpflege ermittelt und angegeben. Auf die Verwendung historischer und umweltverträglicher Farbaufbauten wurde Wert gelegt (Leinölbasis u. a.).
Das mit Schutt verfüllte Tauchbecken in der Mikwe wurde wieder freigelegt, wobei noch eine Reihe originaler Teile des Gewölbes gefunden wurden. Auf eine komplette Wiederherstellung der Mikwe einschließlich der Gewölbe wurde verzichtet. Dagegen bestand Übereinstimmung, die noch vorhandenen originalen Teile, vor allem die Fliesen auf den Fußböden, auf den Wänden und im Tauchbecken, zu erhalten und sie restauratorisch zu säubern bzw. zu verfestigen. Das Tauchbecken ist mit eindringendem Grundwasser kontrolliert gefüllt.
Die Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen des Gebäudes Judenstraße 26 stellte ein besonders interessantes und wertvolles Projekt im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen dar.
Beteiligt waren Studenten der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen der TU Braunschweig, das Fachwerkzentrum in Quedlinburg und Studenten der Universität Potsdam mit dem Fachgebiet Jüdische Studien.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

In den Bauten der ehemaligen Jüdischen Gemeinde in Halberstadt, zu denen auch das Haus Judenstra-ße 25/26 zählt, wird als Internationale Begegnungs-, Lehr- und Forschungsstätte sowie als Museum zur deutsch-jüdischen Geschichte durch die Moses-Mendelssohn-Akademie genutzt. In den Gebäuden einschließlich des Museums mit der Gemeindemikwe werden regelmäßige Führungen (tgl. außer samstags) angeboten. Seit Eröffnung am 23.09.01 wurden über 10.000 Besucher gezählt. Die überregionale und internationale Fachpresse sowie Rundfunk und Fernsehen haben über die Einrichtung vielfach berichtet. Eine Publikation, in der auch die bauliche Sanierung dargestellt wird, ist in Vorbereitung.


Fazit

Das Projekt der Moses-Mendelssohn-Akademie in der Judenstraße 25/26 zeigt, dass auch schwergeschädigte Fachwerkgebäude (Feuchtigkeit, Abnutzung und Grundwasser) mit umweltverträglichen handwerklichen Methoden in vertretbarem Kostenrahmen saniert und erhalten werden können. Da ein Gebäudeteil durch die Akademie neu aufgebaut werden musste, war ein anschaulicher Vergleich und die Bewertung neuer und historischer Bauweisen und Baumethoden gegeben. In beiden Fällen wurden um-weltrelevante Aspekte beachtet. Da der Betrieb einer Mikwe das fliesende Wasser (hier Grundwasser) voraussetzt, fand die Sanierung des Tauchbeckens, die gefliesten Wände und Böden bei gezielt eindringendem Wasser besondere Beachtung.

Übersicht

Fördersumme

206.802,23 €

Förderzeitraum

15.02.2000 - 15.02.2002

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik