Projekt 07623/01

Prozeßuntersuchungen und -optimierung zur elektrochemisch-katalytischen Nitratreduktion unter besonderer Berücksichtigung saurer und basischer Milieubedingungen

Projektträger

Technische Universität DresdenInstitut für Wasserchemie und ChemischeWassertechnologie
01062 Dresden
Telefon: 0351/463-2759

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In den letzten Jahren wurden neben biologischen Denitrifikationsverfahren eine Reihe alternativer chemischer und physikochemischer Verfahren (z. B. Ionenaustausch, Umkehrosmose, Elektrodialyse) u. a. zur Nitratelimination angewandt und weiterentwickelt. Bei diesen Verfahren fallen hochkonzentrierte Nitratlösungen an, deren umweltgerechte Entsorgung gegenwärtig ungelöst ist. Parallel dazu wurden elekt-rochemische und katalytische Verfahren zur Umwandlung von Nitrat zu Stickstoff entwickelt, die jedoch nur zur Behandlung von Wässern mit relativ geringen Nitratkonzentrationen einsetzbar sind.
Das Ziel des Vorhabens bestand in der Entwicklung eines praxisreifen Verfahrens zur umweltgerechten Entsorgung dieser Abwässer. Wichtige Voraussetzung dafür waren Prozeßstudien und die Optimierung der Reaktions- und Prozeßbedingungen bei der elektrochemisch-katalytischen Nitratreduktion in saurem und basischem Milieu. Dabei sollte mit Hilfe von Edelmetallkatalysatoren und N4-Chelaten eine möglichst vollständige Umsetzung von Nitrat zu Stickstoff bei Minimierung des Anfalls an Stickoxiden und N-haltigen Metaboliten erreicht werden.
Im Vorhaben wurde die elektrochemisch-katalytische Umsetzung von Nitrat in konzentrierten wäßrigen Lösungen an Schwermetallkatalysatoren auf der Basis von Pd, Cu/Pd, Ni, Ni/Al und N4-Chelaten untersucht und optimiert. Unter sonst gleichen Bedingungen (Durchfluß, Katalysatormasse, Stromdichte, Potential, Leitsalzkonzentration, pH-Bedingungen u.a.) wurde ein Vergleich verschiedener Katalysatortypen hinsichtlich Effizienz, Reaktions-geschwindigkeit, Endproduktanfall und Katalysatorstandzeit vorgenommen. Die Prozeßuntersuchungen und die Testung der Katalysatoren erfolgten zum einen in Labor- und zum anderen in halbtechnischen Zellen unter Einsatz eines speziell für diesen Zweck neu entwickelten modularen bipolaren Reaktors mit angepaßter Peripherie.
Zur Einschätzung der Wirksamkeit der eingesetzten Katalysatoren gaben Stoff- und Ladungsbilanzen wichtige Hinweise zum Reaktionsverlauf. Durch oberflächenanalytische Charakterisierung der Katalysatoren wurden wissenschaftlich begründbare Zusammenhänge zwischen katalytischer Aktivität, Katalysatorstandzeit und Nebenproduktbildung ermittelt. Für die Quantifizierung der Reaktionskinetik war eine ausgefeilte Analytik der Ausgangsstoffe, der entstehenden N-haltigen Metaboliten in der wäßrigen und in der Gasphase sowie Aussagen zum Schwermetallausbau aus den Katalysatoren erforderlich. Dazu wurden empfindliche Meßmethoden, wie Photometrie, Ionenchromatographie, Atomabsorptionsspektroskopie und Gaschromatographie eingesetzt, die auch bei sehr hohen Chlorid- und Sulfatkonzentrationen noch zuverlässig arbeiten.
Im Ergebnis der Untersuchungen wurde ein praxisreifes Verfahren zur elektrochemisch-katalytischen Nitratreduktion entwickelt, das den modernsten Anforderungen des Umweltschutzes gerecht wird.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenMit Hilfe der in Abbildung 1 schematisch dargestellten Versuchsapparatur wurde unter galvanostatischen und potentiostatischen Bedingungen der Einfluß wesentlicher Parameter, z.B. Stromdichte, Spannung, pH-Wert, Katalysator-zusammensetzung, Durchflußgeschwindigkeit, u.a. auf die elektrochemisch-katalytische Nitratreduktion im diskontinuierlichen Betrieb an Hand von Modellösungen untersucht. Die verwendete Versuchsanlage bestand aus einer Gas-Lift-Elektrolysezelle des Projektpartners Eilenburger Elektrolyse- und Umwelttechnik GmbH mit peripheren Geräten zur Säuredosierung und zur Meß- und Regelung des Elektrolyseprozesses. Als Katode diente eine ca. 1m lange Silberelektrode mit einer elektrochemisch wirksamen Oberfläche von ca. A= 100 cm². Die Anode bestand aus einem Platinstreifen, der in einem Graphitblock eingebettet war. Anoden- und Katodenraum waren durch eine Kationenaustauschermembran (Nafion) voneinander getrennt. Ein in die Dichtung eingelassener Spacer aus beständi-gem Kunststoffnetz diente als Abstandhalter zwischen Kationenaustauschermembran und Anode. Der Anodenraum war mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt, die mit Hilfe des dort entwickelten Sauerstoffs im Gas-Lift durch die Zelle transportiert wurde. Die zu denitrifizierende Lösung, versetzt mit dem entsprechenden Katalysatormaterial, wurde mit Hilfe einer Kreiselpumpe entgegen dem Gas-Lift durch den Katodenraum in das Entgasungsgefäß (6) gepumpt.

Abbildung 1: Aufbau der Versuchsanlage zur elektrochemisch-katalytischen
Nitratreduktion (schematisch)

Durch konische Ausführung des Gefäßbodens wurde verhindert, daß sich Katalysatormaterial absetzen konnte. Bei der Zersetzung von verdünnter Schwefelsäure an der Anode werden neben Sauerstoff auch Protonen gebildet. Sie diffundieren durch die Kationenaustauschermembran und stehen zusätzlich zu den von außen in Form von Schwefelsäure zudosierten H+-Ionen dem katodischen Teilprozeß zur Verfügung. Zum Betrieb der Elektrolysezelle wurde ein Gleichspannungsregler Statron vom Typ 3216 und ein Potentiostat Model 273 eingesetzt.
Die Analysen der gasförmigen Stickstoffspezies wurden mit einem Gaschromatographen der Fa. Hewlett Packard vom Typ 5890 Series II durchgeführt. Durch Reihenschaltung eines Molsiebes und einer gepackten Säule lassen sich Kohlendioxid, Distickstoffmonoxid, Sauerstoff, Stickstoff und Stickstoffmonoxid gaschromatographisch trennen.
Die Gasdetektion erfolgt mit Hilfe in Reihe geschalteter Detektoren mit unterschiedlichem Detektionsprinzip. Zuerst erfaßt ein Wärmeleitdetektor (WLD) Kohlendioxid, Distickstoffmonoxid, Sauerstoff, Stickstoff und Stickstoffmonoxid. Mit einem Elektroneneinfangdetektor (ECD) werden die Konzentrationen von Stickstoffmonoxid und Disktickstoffoxid bestimmt. Die Probenschleife und das Ventil waren in die Abgasleitung der Versuchsapparatur integriert.
Vor dem Durchströmen des im Katodenraum gebildeten Gasgemisches durch das Gasflowmeter und die Probenschleife des Gaschromatographen wurde das Gas mit konzentrierter Schwefelsäure getrocknet. Mit dieser Versuchsanordnung waren die Konzentrationen von Distickstoffmonoxid sowie Stickstoffmonoxid in Zeitabständen von ca. 10 Minuten meßbar.
Um eine Stickstoffbilanz zu erstellen, war es notwendig, die Gesamtstoffmenge der anfallenden Stickoxide zu ermitteln. Mit einem Durchflußmesser vom Typ 1258C, gekoppelt mit dem Steuergerät der Fa. MKS Instruments, PR3000 wurde in der Abgasleitung der Versuchsapparatur der Gasstrom gemessen und mit einem PC über einen Analog/Digitalwandler aufgezeichnet. Aus dem Integral des Gasstromes über die Zeit ließen sich mit Hilfe der gaschromatographisch ermittelten Konzentrationen der gasförmigen Stickstoffspezies, die Gesamtstoffmengen der entstandenen Stickoxide relativ genau bestimmen.


Ergebnisse und Diskussion

Der Nitratabbau zu Stickstoff aus konzentrierten Lösungen ist mit Hilfe des neu entwickelten elektro-chemisch-katalytischen Verfahrens bei konsequenter Trennung der Verfahrensstufen Nitrat- und Nitritreduktion in einer Membranelektrolysezelle effizient durchführbar. Da sich bei diesem Verfahren eine Fülle elektrochemischer, chemischer und katalytischer Prozesse überlagern, ist die Zusammensetzung der Endprodukte und die Stromausbeute stark von den Reaktionsbedingungen abhängig.
Zur selektiven Reduktion von Nitrat zu Stickstoff wurden die einzelnen Reaktionen entkoppelt und so eine gezielte Steuerung der komplexen Prozesse möglich. Der Gesamtprozeß der elektrochemisch- katalytischen Nitratreduktion zu Stickstoff läßt sich in folgende Teilprozesse untergliedern:
1. Elektrochemische Nitratreduktion zu Nitrit
2. Selektive katalytische Reduktion von Nitrit zu Stickstoff bei gleichzeitig bedarfsgerechter Bereitstellung des Reduktionsmittels Wasserstoff
Die elektrochemische Nitratreduktion wurde unter potentiostatischen Bedingungen mit Silber als Katodenmaterial, das eine geringere Überspannung für Nitrat im Vergleich zu Wasserstoff und Nitrit besitzt, betrieben.
Dadurch wurde es möglich, Nitrat selektiv zu Nitrit zu reduzieren und den Strom so zu regeln, daß auch bei Abnahme der Nitratkonzentration in der Lösung das Katodenpotential nicht den Wert der Wasser-stoffentwicklung und der Nitritreduktion erreicht. Als optimal erwies sich eine Stromdichte von I/A= 4-12 mA/cm2 und ein pH-Wert im Bereich von 2 bis 9.
Um die Nitrat- und Nitritreduktion kontrolliert, aber getrennt von einander ablaufen zu lassen, war der Ersatz des zuvor benutzten Bimetallkatalysators Cu-Pd/C nicht mehr notwendig. Gleichzeitig wurde damit der Kupferaustrag aus dem Katalysator vollständig verhindert und eine Vergiftung des Pd-Katalysator vermieden.
Reine Pd-dotierte Hydrierkatalysatoren sind in der Lage, Nitrit, nicht aber Nitrat mit Wasserstoff zu reduzieren. Die Produktpalette, die die katalytische Nitritreduktion liefert, ist stark vom pH-Wert, vom ver-wendeten Katalysator und von der Aktivkomponente des Katalysators sowie von der Wasserstoff- und der Nitritkonzentration abhängig. Vorteilhaft im Vergleich zur katalytischen Nitratreduktion ist der Umstand, daß für den ersten Reduktionsschritt (Nitrat-Nitrit) kein Wasserstoff benötigt wird.
Zur Bereitstellung des Wasserstoffs wurde vorerst eine externe Wasserstoffquelle benutzt. Denkbar ist aber auch eine entsprechend den Erfordernissen gestaltete Elektrolysezelle innerhalb des Reaktions-systems.
Die selektive katalytische Reduktion des intermediär gebildeten Nitrits zu Stickstoff ist von der Wasserstoffkonzentration in der Suspension abhängig. Je größer die überstöchiometrische Menge an Wasser-stoff in Bezug zu Nitrit in der Lösung ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit der Ammoniumbildung. Durch eine Versuchsanordnung wurde die Begasung der Suspension automatisch so geregelt, daß die Wasserstoffkonzentration stets gering unterhalb der Sättigung gehalten wurde. Damit konnte die Ammoniumbildung wesentlich reduziert werden.
Mit dieser Verfahrensgestaltung war es möglich, die einzelnen Prozesse unabhängig voneinander zu untersuchen, zu optimieren und so aufeinander abzustimmen, daß ca. 96 % des umgesetzten Nitrates zu Stickstoff reduziert werden konnten.
Das entwickelte Verfahren verbindet die Vorteile der biologischen Verfahren für geringe Nitratkonzentrationen (hohe Nitratspezifität und Selektivität zur Stickstoffbildung) mit denen physikalisch-chemischer Verfahren (hohe Verfahrensstabilität und Verfügbarkeit). Im Vergleich zu den biologischen Verfahren werden jedoch wesentlich höhere Nitratabbauleistungen sowie keine Akkumulation von toxischem Nitrit und ein unproblematisches Anfahrverhalten
der Reaktoren auch nach längeren Betriebspausen erzielt. Das elektrochemische Verfahren weist eine hohe Flexibilität auf, die den Bedarfsschwankungen im Wasserverbrauch (Industrie: Tag-Nacht, Arbeitstage-Wochenende) angepaßt werden kann.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

· Vortragspräsentation auf der Fachtagung Wasserchemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker im Mai 1997 in Lindau/Bodensee
· Posterpräsentation auf der Fachtagung Wasserchemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker im Mai 1998 in Lübeck
· Vortrags- und Posterpräsentation auf dem Fachsymposium EKOANALYTIKA-98 im September 1998 in Twapse, Rußland
· Patentanmeldungen:
1. Verfahren zur reduktiven, elektrochemisch-katalysierten Elimination von Nitrat aus konzentrierten Lösungen (Az 198 15 669.3-41)
2. Verfahren zur elektrochemisch vermittelten Umsetzung von Ammonium aus salzhaltigen Lösungen (Az 198 53 182)

· Veröffentlichungen in der Publikationsreihe VOM WASSER

Elektrochemisch-katalytische Nitratreduktion an Edelmetallkatalysatoren
Teil 1: Prozeßuntersuchungen in konzentrierten, nitrathaltigen Lösungen unter sauren Bedingungen, VOM WASSER, 89, (1997), S. 191-203
Teil 2: Verfahren zur elektrochemisch-katalytischen Nitratreduktion zur Behandlung konzentrierter, nitrathaltiger Lösungen, VOM WASSER, 91 (1998), S. 225-239


Fazit

Das stark interdisziplinär geprägte Forschungsthema wurde von Naturwissenschaftlern (Wasserchemikern, Elektrochemikern, Werkstoffwissenschaftlern) und Technikern (Verfahrenstechnikern) in enger Kooperation bearbeitet. Im Ergebnis konnte ein weltweit neues Verfahren zur umweltgerechten Entsorgung von hochkonzentrierten, nitrathaltigen Abwässern und Eluaten entwickelt werden. Damit wurde ein ent-sprechendes Umweltentlastungspotential geschaffen.
Die Optimierung des Verfahrens ist hinsichtlich der verbleibenden 4 % Schadstoffe, die sich aus Ammonium und Lachgas zusammensetzen, noch nicht abgeschlossen. Reserven liegen noch in der Art und Weise, wie der Wasserstoff in die Lösung eingebracht wird. Durch aufsteigende Gasblasen bei der Einleitung von Wasserstoff wird ein Teil des gelösten Lachgases aus der zu behandelnden Lösung ausgetragen.
Ein wichtiges Problem hinsichtlich der technologischen Gestaltung des Verfahrens stellt die Form des derzeit verwendeten Katalysators dar. Günstig wäre ein Übergang von der Suspensions- zur Festbettkatalyse, da hier der relativ hohe Aufwand zur Abtrennung des feinpulvrigen Katalysators aus der Lösung entfällt.
Zur Lösung dieses Problems wird zusätzlich zur Ag-Katode eine palladium-beschichtete Kohleelektrode mit großer Oberfläche eingesetzt. Durch Aufprägung eines Potentials von 0 bis -350 mV (vs NHE) soll eine elektrokatalytische Wasserstoffentwicklung erfolgen. Der an der Elektrode gebildete Wasserstoff bleibt metallisch gebunden, bis er zur Reduktion des Nitrites gebraucht wird. Bei diesem Potential wird nur atomarer Wasserstoff entwickelt.
Der Vorteil einer solchen Anlage besteht darin, daß ein Festbettreaktor genutzt werden kann, der durch Steuerung des Potentials den benötigten Wasserstoff exakt in Abhängigkeit von der Nitritkonzentration nachliefert. Das ist von besonderem Interesse für den technischen Einsatz dieses Verfahrens, da die Bildung von freiem (molekularem) Wasserstoff zuverlässig verhindert werden muß, um die Gefahr einer Knallgasexplosion sicher auszuschließen.
Die Aufsalzung der Lösung mit Sulfationen, die derzeit noch durch Zugabe von Schwefelsäure zur Konstanthaltung des pH-Wertes (pH= 4 - 9) erfolgt, kann vermieden werden, wenn die behandelte Lösung zusätzlich durch den Anodenraum der Elektrolysezelle gepumpt wird.

Übersicht

Fördersumme

410.321,45 €

Förderzeitraum

01.05.1996 - 18.07.2000

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik