Projekt 06142/01

Lernmodell: Umweltlernen in der Einen Welt und für die Eine Welt

Projektträger

Türkische Umweltinitiative in Deutschland (TUD) e. V.c/o Ökochemie der Technischen Universität Braunschweig
Hagenring 30
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-5960

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In diesem Projekt sollten Materialien für die Lehrerfortbildung zum Unterricht in kulturell gemischten Klassen entwickelt werden. Voraussetzung dafür war die Kenntnis der Natur- und Umweltbeziehungen der betroffenen Schüler, die durch Befragung der Kinder aber auch von türkischen Erwachsenen ermittelt werden sollte. Auf dieser Basis sollten erlebnisorientierte Unterrichtsmaterialien entwickelt und erprobt werden, die später als Lehrerfortbildungsmaterial zum Einsatz kommen könnten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie TUD als Projektnehmerin führte dieses Projekt in Verbindung mit der Abteilung für Biologiedidaktik der Technischen Universität Braunschweig durch. Hierdurch konnten das fachdidaktische know how der betreffenden Wissenschaftler in das Projekt eingebunden werden.
Für die Dauer des Projekts wurde ein ständig arbeitendes Team aus diesem Institut der TUBS sowie erfahrenen türkischen und deutschen Lehrkräften gewonnen. Die zu berücksichtigenden Schüler wurden auf dritte und vierte Klassen begrenzt und in das Konzept empirische Untersuchungen zu Naturbeziehung und Umweltbewusstsein türkischer und deutscher Grundschulkinder der betreffenden Jahrgänge eingefügt. Die Beschränkung auf die türkische Minderheit hatte vor allem den Grund, dass damit eine gewisse Übersichtlichkeit gewahrt blieb. Die empirische Untersuchung an den Grundschulkindern wurde im Rahmen einer Dissertation durchgeführt. Schließlich wurde eine kleine Zahl von Grundschullehrkräften zu ihren Erfahrungen mit Minoritäten, insbesondere der türkischen Minorität, im Hinblick auf natur- und umweltbezogene Unterrichtsthemen befragt. Es wurde ein dreitägiger Workshop mit Grundschullehrern türkischer und deutscher Herkunft durchgeführt. Auch wurde ein türkischer Professor der Biologiedidaktik aus Ankara im Rahmen seines Stipendiums von der Alexander von Humboldt Stiftung in diese Untersuchung integriert und lieferte wertvolle Beiträge zur Umwelterfahrung türkischer Erwachsener. Im Ergebnis wurden vier schulpraktische Konzepte und Projekte entwickelt und eines - Das Gartenjahr - von einer türkischen Lehrerin durchgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Das Projekt der Entwicklung von Studieneinheiten für die Lehrerfortbildung wurde für gemischte Grundschulklassen der dritten und vierten Jahrgangsstufen durchgeführt. Da die türkische Minderheit die zahlenmäßig weitaus größte in Deutschland ist, wurde das Umweltbewusstsein von deutschen und türkischen Grundschülern exemplarisch befragt. Gerade Umweltbildung bietet aufgrund ihres konzeptionellen Ansatzes, ihrer Interdisziplinarität und projektorientierten Unterrichtsformen, d. h. aufgrund ihrer Vielfältigkeit in Themen und Methoden, die Möglichkeit, interkulturell ausgerichtete Lernprozesse zu initiieren und das Zusammenlebender Deutschen mit ethnischen Minderheiten zu fördern. Durch die Arbeit an Themen, die alle betreffen, lassen sich auf indirektem Wege viele Umgangsweisen mit Natur und Umwelt in die gemeinsamen Bemühungen von Kindern, Lehrern und Eltern einbringen. Durch die Mitarbeit eines türkischen Professors der Biologiedidaktik aus Ankara konnte auch eine Anzahl in Deutschland lebender türkischer Erwachsener in Form einer Befragung in das Projekt einbezogen werden.
Eine kleinere Zahl von Grundschullehrkräften wurde zu ihren Erfahrungen mit Minoritäten, insbesondere der türkischen, im Hinblick auf natur- und umweltbezogene Unterrichtsthemen befragt: Insgesamt konnte man feststellen, dass in den Gesprächen in der Mehrzahl ein differenziertes Bild von der türkischen Minderheit sichtbar wurde, die ethnischen Unterschiede wahr- und auch aufgenommen wurden. Allerdings entsteht häufig eine stereotype Routine im Umgang mit diesen Minderheiten.
Umweltfragen sind universell, betreffen alle Menschen gleichermaßen und sind nicht an bestimmte Länder oder gar deren Curricula gebunden. Sie bedürfen allerdings der Bearbeitung aus unterschiedlichen Perspektiven. Das betrifft insbesondere ethnisch bedingte unterschiedliche Zugänge zu den Dingen und Phänomenen und den Umgang mit unserer natürlichen und anthropogenen Umwelt. Es war erkennbar, dass türkische Kinder auch dann, wenn sie im Unterricht nur wenig oder gar nicht mehr als Kinder mit einem ganz eigenen kulturellen Hintergrund erkennbar sind, mit Natur und Umwelt dennoch anders umgehen als Kinder mit deutschem kulturellen Hintergrund.
Es wurde ein dreitägiger Workshop mit Grundschullehrern türkischer und deutscher Herkunft durchgeführt. Die Gespräche zwischen diesen Lehrkräften ergaben, dass es erhebliche Defizite im Wissen um die Situation des jeweils anderen gibt. Es fehlt an einem Informationsaustausch zwischen den deutschen Regelschullehrern und den türkischen Lehrkräften, die - bedingt durch ihren Einsatz an verschiedenen Schulen - ihr vorhandenes Wissen über die Problemlagen der türkischen Kinder und die Interessen der Eltern kaum weitergeben können. Es bedarf mehr (Zeit-) Raum für eine solche pädagogische Verständigung. Die Anregung einer verstärkten interkulturellen Bildungsarbeit wurde positiv aufgenommen. Gleichzeitig wurden die Grenzen einer Kooperation erkennbar. In zahlreichen Diskussionsbeiträgen wurde auf organisatorische Hindernisse hingewiesen: Lehrplandruck, fehlende Kooperationsbereitschaft türkischer und deutscher Eltern, Sprachprobleme, zu hoher Arbeitsaufwand u.a.m.
Im Ergebnis konnte in diesem Projekt ein Gesamtbild der Schul- und Unterrichtssituation im Hinblick auf Umweltbildung für die Schülergruppe des dritten und vierten Schuljahres erstellt werden, das eine notwendige Voraussetzung für schulpraktische Konzepte und Projekte ist. Vier schulpraktische Konzepte wurden entwickelt, eines - Das Gartenjahr - wurde von einer türkischen Lehrerin durchgeführt und dokumentiert. Dieses Beispiel errang in einem Wettbewerb von über achtzig eingereichten Arbeiten einen beachtlichen fünften Platz.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Dieses Projekt wurde im Rahmen von zwei Jahrestagungen der TUD über Interkulturelle Umweltbildung (1997 in Braunschweig, 1999 in Hattingen, NRW) sowie des bereits erwähnten Workshops (1998 in Braunschweig) der Öffentlichkeit präsentiert. Über die Ergebnisse dieses Projektes wurde in zwei Buchpublikationen berichtet:
Strey, Gernot, Bahadir, Müfit (Hrsg.): Umweltlernen in der einen Welt für die eine Welt; Teubner-Reihe Umwelt (M. Bahadir, H.-J. Collins, B. Hock, Hrsg.), B. G. Teubner Verl., Stuttgart - Leipzig 1999
Maack-Rheinländer, Kathrin: Umweltbewusstsein und Umwelthandeln türkischer und deutscher Schülerinnen und Schüler der 3. und 4. Grundschulklasse. Eine empirische Studie im Rahmen des Projekts Entwicklung und Erprobung eines Lehr- und Lernmodells zur Umweltbildung unter besonderer Berücksichtigung ethnischer Minderheiten für die Lehrerfortbildung; Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt 1999


Fazit

Alle Akteure - Kinder, Lehrkräfte, Eltern - kamen im Sinne einer Partizipation in diesem Projekt zu Wort. Damit konnte zum ersten Mal ein komplettes Bild der Situation des Unterrichts zu Umweltfragen in ethnisch gemischten Grundschulklassen gezeichnet werden. Interkultureller Umweltbildungsunterricht mehr ist als ein einmaliges Modellprojekt, sondern vielmehr eine kontinuierlich durchzuführende Aufgabe. Für die Gegenwart und Zukunft ist es daher erforderlich, dass die Heranwachsenden lernen, mit Vielfalt und unterschiedlichen Welt- und Naturinterpretationen umzugehen.

Übersicht

Fördersumme

157.529,03 €

Förderzeitraum

21.11.1994 - 15.08.2001

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Umweltkommunikation