Projekt 04376/01

Untersuchungen zur Bedeutung von Narkosegasen als Spurengase in der Atmosphäre

Projektträger

Georg-August-Universität GöttingenZentrum Anästhesiologie, Rettungs- undIntensivmedizin
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
Telefon: 0551/39-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In der Anästhesie werden neben dem Lachgas fünf zu den teilhalogenierten Kohlenwasserstoffen bzw. Ethern zählende volatile Anästhetika verwendet. Diese Gase werden kaum metabolisiert und ungefiltert in die Umgebung entlassen. Sie haben ähnliche Eigenschaften wie die ozonzerstörenden FCKW. Daher ist bei einer geschätzten Menge von weltweit 10000 Tonnen/Jahr eine Schädigung der Atmosphäre durch Beiträge zum Treibhauseffekt und zur Ozonzerstörung nicht auszuschließen. Außerdem nimmt der Anteil dieser Substanzen an diesen Effekten zu, wenn die Vereinbarungen zum Produktionsverbot von FCKW (Montreal Protocol und folgende) greifen. Ziel des Projektes ist es, die Wirkung gasförmiger Anästhetika in der Atmosphäre zu quantifizieren.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt gliederte sich in vier Arbeitspakete: 1) Qualitative und quantitative Analyse der gasförmigen Emissionen eines Krankenhauses (hier des Göttinger Klinikums) unter besonderer Berücksichtigung volatiler Anästhetika; 2) Bestimmung der relevanten physiko-chemischen Daten zur Abschätzung der Schädigungspotentiale der Gase; 3) Bestimmung der Reaktionen und Reaktionsprodukte durch Wechselwirkung der Anaesthesiegase mit den anderen emittierten Stoffen; 4) Konzentrationsbestimmung der Anäs-thesiegase in Bodennähe und in höheren Atmosphärenschichten. Die Arbeitspakete 1), 3) und 4) wurden im Institutslabor und im Max-Planck-Institut für Aeronomie (MPAe), Arbeitspaket 2) mit der Arbeitsgruppe von Prof. Zellner in Essen bearbeitet. Letzteres stand am Beginn des Projektes. Hier wurden die Lebensdauern der Anästhetika aus ihrer Stabilität gegen UV-Photonen und gegen Stöße mit OH-Radikalen ex-perimentell bestimmt und daraus der relative Beitrag zu Ozonzerstörung und Treibhauseffekt abgeleitet. Für die drei anderen Arbeitsschwerpunkte wurden Luftproben aus den Abluftschächten, der näheren Umgebung und - in Ergänzung zur ursprünglichen Fragestellung - der Innenbereiche des Klinikums gaschromatographisch und massenspektrometrisch analysiert. Die Proben wurden aktiv (Pumpen) und passiv (Diffusion) mit Aluminiumbeuteln und Aktivkohleröhrchen genommen. Die Passivproben wurden im Auftrag vom TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt untersucht.


Ergebnisse und Diskussion

I.) Bestimmung der Lebensdauer volatiler Anästhetika (Arbeitspaket 2)
Mit dem Essener Kooperationspartner wurden experimentell die Lebensdauern der fünf halogenierten Anästhetika Halothan, Enfluran, Isofluran, Sevofluran und Desfluran durch Messung der Stabilität gegenüber UV-Strahlung und der Stoßreaktion mit freien OH-Radikalen bestimmt. Dazu wurden die UV-Spektren der Anaesthetika und die Ratenkonstanten der OH-Reaktionen gemessen. Die Ratenkoeffizienten reichen von 0.44 ´10-14 cm3 molec-1 s-1 bis 2.7 ´10-14 cm3 molec-1 s-1. Halothan, Enfluran und Isofluran zeigen eine Absorption im UV zwischen 200 und 350 nm, Sevofluran und Desflurane hingegen nicht. Daraus ergeben sich Lebensdauern von 4 bis 21.4 Jahren. Damit können bis zu 20% der emittierten Narkosegase die Stratosphäre erreichen und zur Anreicherung mit Halogenen beitragen. Das Ozonzerstörungspotential variiert von 0 bis 1.56 (F11=1). Der stratosphärische Eintrag volatiler Anästhetika und ihr Einfluss auf die Ozonzerstörung ist daher von Bedeutung. Dagegen ergeben Abschätzungen des Treibhauspotentials Werte von 0.02 bis 0.14 (F-12=1), so dass der Einfluss der volatilen Anästhetika auf den Treibhauseffekt vernachlässigbar ist.
II.) Analyse von Luftproben (Arbeitspakete 1,3,4)
Weit über 100 Luftproben wurden in den 13 Abluftschächten des Zentralgebäudes, in der Umgebung und in Innenräumen des Klinikums Göttingen auf verschiedene Weise (s.o.) genommen und mit unterschiedlichen Techniken analysiert.
a) Untersuchungen der Narkosegase in der Abluft des KlinikumsDie Analyse der Schachtproben ergab Konzentrationen der volatilen Anästhetika und - wie zu erwarten - einer Vielzahl von Substanzen aus Reinigungs- und Laborbedarfsartikeln in der Größenordnung pptv bis ppbv. Damit ließ sich eine jährliche Emission von 163 kg Isofluran, 43 kg Halothan und 14 kg Sevofluran berechnen. Enfluran wird gar nicht mehr und Desfluran nur sporadisch eingesetzt. Der Vergleich mit Einkaufszahlen zeigt innerhalb der statistischen Fehler eine geschlossene Bilanz für Halothan. Isofluran hat eine Senke außerhalb der Abluftschächte, so dass der ermittelte Wert nur als untere Grenze zu verstehen ist. Die Extrapolation ergibt globale Emissionsmengen von 2500 t/y Isofluran und 590 t/y Halothan. Die Analysen der Umgebungsproben ergaben in der Regel Werte unterhalb der Nachweisgrenzen, so dass mangels ausreichender Daten eine Ausbreitungsmodellierung nicht möglich war. Messungen der Lindauer Kollegen ergaben jedoch Werte von 20 (Halothan) und 27 (Isofluran) ppqv. Reaktionen zwischen den Anästhetika und anderen emittierten Stoffen im Luftstrom oder an den Schachtwänden zu neuen, möglicherweise problematischen Substanzen führt, wurden nicht gefunden.
b) Untersuchungen der Innenluft im KlinikumDie Untersuchung von Raumluft- und personenbezogenen Proben wies im ganzen Haus Konzentrationen der Anästhetika (außer Enfluran und Desfluran) im pptv- Bereich nach. Der OP-Arbeitstag spiegelt sich im Tagesgang in den ausserhalb des OP-Bereichs genommenen Proben wider, wobei die MAK-Werte allerdings weit unterschritten werden. Auch in den Proben aus dem OP-Bereich. lagen die Konzentrationen um einen Faktor 20 - 40 (Personenmessungen) bzw. 500 (Raummessungen) unter den Grenzwerten. Die mit Aktivkohleröhrchen gesammelten Proben wurden auch auf andere Substanzen untersucht. In den aktiv genommenen Proben waren nur Ethanol und Isopropanol mit 1-3 ppbv nachzuweisen. Die Konzentrationen von 47 potentiell gesundheitsschädlichen Spurengase auf den Passivsammlern lagen in der Regel unter den Nachweisgrenzen. Lediglich Toluol überschritt in einigen Proben den Grenzwert. Insgesamt ist das Personal in den Operationssälen und in anderen Bereichen des Klinikums nur äußerst geringen unmittelbaren Gefahren durch Anästhetika und andere gesundheitsschädigende Stoffe ausgesetzt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Projektergebnisse wurden in zwei Beiträgen veröffentlicht: 1.) T.Langbein et al. (1999) British Journal of Anaesthesia, 82, 101-108. 2) Trapp D.et al. (1998) Poster presentation. EACTA-meeting (European Assosiation of Cardiothoracic Anaesthesiologists), 17.-20. Juni 1998, Bergen, Norwegen; in Vorbereitung sind: 1) Trapp D, Langbein T., Sonntag H. and Borchers B. Release of halogenated anaesthetics from a 1500 bed hospital. 2) Trapp D., Langbein T., Sonntag H., Stafforst D. and Borchers B. Halogenated anaesthetics as indoor pollutants. 3) Trapp D., Langbein T., Sonntag H. (1999) Krank durch Ozon - zum Einfluss von Narkosegasen auf troposphärisches und stratosphärisches Ozon, Beitrag zum Gesundheitsforum der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen


Fazit

Die Ergebnisse zur Reaktionskinetik und zu den Emissionsmengen der Gase zeigen den Erfolg des gewählten Vorgehens und bestätigen, dass der Beitrag zur Schädigung der Atmosphäre nicht zu vernachlässigen ist. Dagegen hat die Analyse der Außenluftproben nicht zu den nötigen Daten für ein Ausbreitungsmodell geführt. Die Belastung des Personals ist äußerst gering, es gibt allerdings keine Untersuchungen zur Wirkung einer niedrigen Langzeitexposition.

Übersicht

Fördersumme

335.737,77 €

Förderzeitraum

01.07.1995 - 15.06.1999

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik