Projekt 03426/01

Einsatz bleifreier Lote für die umweltfreundliche Herstellung elektronischer Produkte

Projektträger

Technische Universität MünchenLehrstuhl für FügetechnikInstitut für Werkstoffe und Verarbeitung
Boltzmannstr. 15
85748 Garching
Telefon: 089/289-15344

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Lotwerkstoffe, die derzeit zur Herstellung elektronischer Baugruppen verwendet werden, enthalten ca. 36 - 40% Blei. Ziel der durchgeführten Arbeiten war die Untersuchung und Realisierung des Einsatzes bleifreier Weichlote. Da die Verwendung von Blei in elektronischen Komponenten derzeit gesetzlich nicht beschränkt ist, wurden als besonders geeignete Anwendungsbereiche die Sensor-, Automatisierungs- und Automobilelektronik ausgewählt, die aus technischen Gründen geneigt sind, zuverlässigere und thermisch stärker belastbare Lote einzusetzen. Exemplarisch wurde die Einführung eines bleifreien Alternativlotes mit dem genannten Eigenschaftsprofil beim Unternehmen Endress+Hauser GmbH+Co., Meßtechnik und Automation, Maulburg, begleitet und abgesichert.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Wahl bleifreier Weichlotlegierungen erfolgte aus der Abschätzung der Verfügbarkeit, technischer Eigenschaften und Kosten sowie der Auswertung bekannter Literaturstellen und eigener Vorarbeiten.
Zur Bestimmung der Lötbarkeit der Legierungen wurden Benetzungskraftmessungen mit verschiedenen Flußmitteln und Anschlußmetallisierungen durchgeführt. Mit den betrachteten Legierungen wurden im Wellen- und Reflowverfahren sowohl spezielle Test- und Serienbaugruppen des Kooperationspartners als auch applikationsneutrale Testleiterplatten mit einem repräsentativen Bauelementspektrum verarbeitet. Zur Beurteilung des Prozeßverhaltens wurden eine visuelle Inspektion des Lötergebnisses, Lotbadanalysen und Messungen zur thermischen Belastung der Bauteile und Leiterplatten durchgeführt. Die Zuverlässigkeit der Lötstellen auf Serien- und Testleiterplatten bei unterschiedlichen Belastungscharakteristiken wurde in Biege- und Temperaturwechselversuchen sowie Auslagerungstests ermittelt. Die Auswertung erfolgte durch makroskopische Beurteilung der Lötstellen, mit Schliffanalysen und mittels Rasterelektronenmikroskopie. Um Alternativlegierungen referentiell zu Standardlegierungen beurteilen zu können, wurden alle experimentellen Arbeiten an Standard- und Alternativloten durchgeführt.
Im Hinblick auf umweltrelevante Auswirkungen wurden das Potential zur Verringerung der anfallenden Elektronikschrottmenge durch zuverlässigere Lotwerkstoffe untersucht und Unternehmen aus der Recyclingbranche in einer schriftlichen Befragung zum Einfluß bleifreier Lote auf die Aufarbeitung elektronischer Baugruppen an das Projekt angebunden.


Ergebnisse und Diskussion

Zu den Standardlegierungen Sn60Pb, Sn63Pb und Sn62PbAg2 existieren bleifreie Alternativen, die vom Handel angeboten werden und deren Legierungsbestandteile zumindest für branchenspezifische Anwendungen in ausreichendem Maße vorhanden sind. Ausgewählt wurden die Lote SnBi9,5Cu0,5 , SnCu1 und als Schwerpunkt SnAg3,5 , die Zinn als Hauptlegierungsbestandteil enthalten und Kupfer, Wismut oder Silber in niedrigen Konzentrationen als Nebenlegierungselemente. Die Schmelzpunkte der Legierungen liegen 20 - 40°C über den Werten der Standardlote. Ebenfalls verfügbar sind bleifreie Anschlußmetallisierungen für die Leiterplatten. Bauteilanschlüsse sind mit verschiedenen Metallisierungen versehen, die zum Teil auch Blei enthalten. Hier nimmt jedoch aus technischen und wirtschaftlichen Gründen der Anteil der bleifreien Metallisierungen wie z.B. Nickel/Palladium zu.
Die in Benetzungskraftmessungen untersuchten Lote SnAg3,5 und SnCu1 besitzen auf Heißluftverzinnung, AlphaLevel-, chem. Nickel/Gold- und chem. Zinn-Oberfläche bei Verwendung feststoffarmer Flußmittel gleichwertiges oder besseres Benetzungsverhalten wie die Standardlegierung Sn63Pb und lassen damit auf eine gute Lötbarkeit in automatisierten Verfahren schließen.
Die Lote SnAg3,5 und SnCu1 erweisen sich bei der Verarbeitung im Wellenlötverfahren als unkritisch. Die Qualität des Lötergebnisses wird ebenso wie bei Standardlegierung primär von der Optimierung der Maschinenparameter für die zu verlötenden Baugruppentypen bestimmt. Auf Anlagen des Typs KIRSTEN-Jet liegt die thermische Belastung der Bauteile und Leiterplatten auf etwa gleichem Niveau wie bei Standardlegierung, so daß Hitzeschäden vermieden werden. Wellenlöten mit Zinn/Silber-Lot wurde erfolgreich in die Serienfertigung des Kooperationspartners Endress+Hauser eingeführt. Mehr als 200.000 Baugruppen wurden bislang gefertigt.
Beim Reflowlöten im Konvektionsofen ohne Schutzgasatmosphäre erfordern die erhöhten Schmelzpunkte der Lotpasten eine sehr exakte Temperaturführung, um das Lot vollständig aufzuschmelzen und eine thermische Schädigung der Bauteile zu vermeiden. Für ein breites Bauteilspektrum konnten hier gute Ergebnisse erzielt werden. Probleme bereiten spezielle Bauformen mit strömungsungünstigen Anschlüssen. Beobachtete Qualitätsprobleme bei den Lotpasten, wie Perlenbildung und mangelnde Konturenstabilität, müssen durch Entwicklungsmaßnahmen seitens Pastenherstellern beseitigt werden, um das Qualitätsniveau von Standardpaste zu erreichen. Reflowlöten mit SnAg3,5-Paste wird eingeschränkt in der Serienfertigung des Kooperationspartners Endress+Hauser durchgeführt. Weitere Erkenntnisse und Verbesserungen können durch Prozeßuntersuchungen unter Schutzgasatmosphäre gewonnen werden.
Unter rein mechanischer Belastung bei Raumtemperatur zeigen die drei Alternativlegierungen und Standardlot an einem großen Bauelementspektrum ähnliche Zuverlässigkeitseigenschaften. Bei höheren Temperaturen, d.h. thermomechanischer Belastung, differiert das Verhalten. Umfangreiche Vergleiche wurden zwischen Sn63Pb-Standardlot und SnAg3,5 an einer Serienbaugruppe mit bedrahteten Bauteilanschlüssen durchgeführt. Zinn/Silber-Lötstellen zeigten bei diesem Belastungsprofil eine deutlich längere Lebensdauer und erwiesen sich für Maximaltemperaturen bis zu 150°C als geeignet.
Durchgeführte Untersuchungen zum Recycling von Elektronikschrott zeigen, daß der Marktwert des Elektronikschrotts mit dem Edelmetallgehalt steigt und mit dem Schadstoffanteil sinkt. Recyclingunternehmen erwarten durch den Einsatz bleifreier Lote eine wirtschaftlichere Aufarbeitung elektronischer Leiterplatten. Eine verbesserte Zuverlässigkeit der Lötstellen bzw. längere Lebensdauer der Baugruppen verringert die anfallende Menge an Elektronikschrott unmittelbar und geht einher mit Bemühungen, die Möglichkeiten einer Wieder- und Weiterverwendung von Baugruppen zu verbessern


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

· Neue Lote für den automatisierten Prozeß, VTE 8 (1996), Heft 1 und 2
· Applikation bleifreier Lote beim Wellen- und Reflowlöten, Tagungsband, SMT 1996, Nürnberg
· Prozeßfähigkeit und Zuverlässigkeit alternativer Lote, Tagungsband Weichlöttagung 1996, München
· European Conference on Electronic Packaging Technology, EuPac ´96, 31.01.- 02.02.96, Essen
· Alternative Lote für die Herstellung elektonischer Baugruppen, Tagungsunterlagen, SMT 1997, Nürnberg
· Alternative Lote in der industriellen Anwendung, Tagungsband, ZVE-Technologieforum 1997, München


Fazit

Mit dem bearbeiteten Projekt wurde ein Referenzfall geschaffen, in dem eine bleifreie Weichlotlegierung nicht nur unter Laborbedingungen untersucht, sondern erfolgreich in die Serienfertigung eines mittelständischen Unternehmens eingeführt wurde. Die Vermeidung von Blei ohne gesetzlichen Zwang beruht auf den Werkstoffvorteilen, die Zinn/Silber-Lot bietet. Die Serienprodukte bewähren sich im Feldeinsatz und übertreffen die Lebensdauer baugleicher Standardlot-Produkte. Aufgedeckte Probleme bei der Verarbeitung höher schmelzender Pasten im Reflowverfahren könnten vermutlich durch weitere Entwicklungs- und Optimierungsmaßnahmen minimiert oder gelöst werden.

Übersicht

Fördersumme

124.158,03 €

Förderzeitraum

14.03.1994 - 20.03.1998

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik