Projekt 01946/01

Biofilme bei der Wasseraufbereitung

Projektträger

Universität StuttgartInstitut für Siedlungswasserbau, Wassergüte-u. Abfallwirtschaft
Bandtäle 1
70569 Stuttgart
Telefon: 0711/685-

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Anlaß des Vorhabens waren die Schäden, die durch Biofilme in technischen Systemen (Biofouling) entstehen sowie die Belastungen von Abwasser und Umwelt, welche durch die heute üblichen Gegenmaßnahmen entstehen, nämlich den Einsatz von Bioziden. Zielsetzung war es, eine Anti-Fouling-Strategie zu entwickeln, bei der auf die Verwendung solcher Biozide ganz oder weitgehend verzichtet werden konnte; sie beruht darauf, das Biofilm-Wachstum durch Nährstoff-Limitierung unter einer Toleranz-Schwelle zu halten. Dies sollte durch Verwendung eines oberflächenreichen, biologisch aktiven Filtermaterials geschehen, wodurch sich in nachfolgenden Bereichen eine geringere Entwicklung von Biofilmen ergibt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenWasser: Die Versuche wurden in einem Wärmekraftwerk durchgeführt, das Oberflächenwasser nach Flockung und Fällung verwendet.
Nährstoff-Entnahme: Es wurden zwei in der Wasseraufbereitung gängige Aufwuchsmaterialien verwendet: Sand und Biolit, ein modifizierter Blähton. Die Filtergeschwindigkeit betrug 2,21 m/h, die Filter-leistung wurde täglich durch Trübungsmessungen kontrolliert. Das Wasser wurde vor und nach dem Filter analysiert. Folgende Parameter wurden bestimmt: Kolloid-Index (KI), DOC, TOC und Schwermetall-gehalt. Als mikrobiologisch relevante Parameter wurden flächenbezogene Zellzahl (mikroskopisch bestimmt), Vitalzellzahlen, koloniebildende Einheiten sowie der Gehalt an Protein, Kohlenhydraten und Uronsäuren.
Biofilm-Wachstum: Die Entwicklung von Biofilmen wurde in Drehkolben-Reaktoren (Typ Rototorque) untersucht, deren Konstruktion für dieses Projekt modifiziert wurde. Jeweils ein Reaktor wurde mit Zulauf- und Ablaufwasser der Biofilter betrieben. Die Strömungsgeschwindigkeit konnte geregelt werden und lag zwischen 0,1 und 0,9 m/s. Biofilm-Proben konnten von entnehmbaren Probeflächen gewonnen werden. Als flächenbezogene Parameter wurde die Gesamtzellzahl sowie der Gehalt an Proteinen, Kohlenhydraten, Uronsäuren und Huminstoffen sowie Schwermetallen bestimmt.
Biofouling: Als biofilmempfindliche Systeme wurden Umkehrosmose-Flachmembran-Testzellen gewählt. Zwei dieser Zellen wurden mit Zu- bzw. Ablauf der Biofilter betrieben. Parameter, mit dem der Einfluß des Biofilms auf den Wirkungsgrad ermittelt wurde, war die Permeatleistung. Nach den Versuchsperioden, die zwischen 7 und 22 Tagen lagen, wurden die Membranen entfernt und analysiert. Mit einem eigens dafür entwickelten Kryo-Schnitt-Verfahren aus der Mikroskopie konnte die Belagsdicke gemessen werden. Außerdem wurden die üblichen Biofilm-Parameter bestimmt.


Ergebnisse und Diskussion

Unter Biofouling versteht man die unerwünschte Anlagerung und Vermehrung von Mikroorganismen auf Oberflächen, die in der Praxis i.d.R. durch den Einsatz von Bioziden bekämpft wird. Diese Maßnahmen sind oft nicht hinreichend ineffektiv, schädigen die Anlage und führen zu Umweltbelastungen. Bei Biofouling laufen genau die gleichen Prozesse wie in Biofilm-Reaktoren ab: gelöste Nährstoffe werden vom Biofilm in ungelöste Biomasse umgesetzt - nur am falschen Platz. Bis zu einer individuell unterschiedlichen Toleranzschwelle ist das Wachstum von Biofilmen tolerierbar. Das Ausmaß des Wachstums wird ganz wesentlich vom Nährstoff-Angebot bestimmt; die Nährstoffe stellen potentielle Biomasse dar. Naheliegender Ansatz für eine biozidfreie Anti-Fouling-Strategie ist es daher, das Nährstoff-Angebot so zu begrenzen, daß das Biofilm-Wachstum unterhalb der Toleranzschwelle gehalten werden kann. Das kann geschehen, indem der Biofilm sozusagen am richtigen Platz gezüchtet wird und dort dem Wasser die Nährstoffe entnimmt. Dadurch wird das Biofilm-Wachstum in den nachgeschalteten, zu schützenden Bereichen limitiert. Dazu muß nur oberflächenreiches Material angeboten werden; hierfür eignen sich biologisch aktive Filter.
Das Konzept wurde im Kühlwassersystem eines Kraftwerks überprüft. Vor und nach einem Sand- bzw. einem Biolitfilter wurde jeweils ein Biofilm-Reaktor sowie eine Umkehrosmose-Testzelle betrieben. Als Zulauf wurde Oberflächenwasser nach Flockung/Fällung verwendet; die Filtergeschwindigkeit lag bei 2 m/h. Es zeigte sich reproduzierbar, daß sich mit dem Ablauf der Filter signifikant dünnere Biofilme ausbildeten. Die biologische Aktivität im Sandfilter verringerte den Gehalt an biologisch abbaubaren gelösten organischen Stoffen (BDOC) von 1,25 auf 0,32 mg/l. Zwar entwickelten sich auch hier noch Biofilme auf den Umkehrosmose-Membranen, diese waren aber nur noch weniger als 5 µm dick, gegenüber einer Dicke von 30 µm vor dem Sandfilter. Dies konnte mit Hilfe einer im Projekt entwickelten Dünnschnitt-Methode bestimmt werden. Die Abnahme der Permeatleistung mit der Zeit, also der Fouling-Faktor, lag vor dem Sandfilter bei 25-30 %, nach dem Sandfilter über einen Zeitraum von 14 Tagen unter 5 %. Die Entnahme des BDOC reichte also aus, um unter der Toleranzschwelle zu bleiben. Solche Leistungen sind mit Sandfiltern ohne weiteres zu erreichen. Im Auslauf des Biolitfilters lag der BDOC bei 0,84 mg/l, und die Biofilmdicke auf der Membran, die mit Biolit-Filter-Ablauf betrieben wurde, betrug ca.15 µm. Hier ergab sich die gleiche Abnahme der Permeatleistung wie vor dem Filter; es wurde also durch den Biofilm auf dem Biolit-Filter nicht genügend potentielle Biomasse eliminiert. Alle anderen Biofilm-Parameter - al-so die flächenbezogene Anzahl von Zellen sowie der Gehalt an Protein, Kohlenhydrat und Uronsäuren - spiegelten die Abnahme der Biofilm-Dicke durch die Nährstoff-Entnahme ebenfalls wider. Es wurden ca. 50 Versuche durchgeführt, in denen sich durchweg die Ergebnisse reproduzieren ließen; die Untersuchungen in den Drehkolben-Reaktoren bestätigten dies ebenfalls. Auffällig war, daß die Biofilme hohe Gehalte an Huminstoffen und Eisen(III) aufwiesen. Es besteht demnach ein hohes Sorptionspotential für diese Stoffe, die ihrerseits die Permeationseigenschaften der Biofilme beeinflussen dürften. Biotische und abiotische Belagsbildung spielen offensichtlich zusammen.
Die Drehkolben-Reaktoren spiegelten die Biofilm-Entwicklung auf undurchlässigen Wänden wider, nicht aber jene auf den Membranen. Sie eignen sich daher nicht zum Monitoring für Membransysteme. Dies dürfte daran liegen, daß bei ihnen der vertikale Transport-Vektor fehlt, der vermutlich den Transport von Mikroorganismen an die Oberfläche begünstigt.
Bei der Anwendung biologisch aktiver Filter zur Nährstoff-Entnahme wird in der Praxis häufig gefürchtet, daß dafür eine erhöhte Keimzahl im Ablauf auftritt. Die Messungen haben klar gezeigt, daß dies nicht der Fall ist; die Biofilter wirken also nicht als Keimschleudern.
Die für die Unterschreitung der Toleranzschwelle benötigte Absenkung des BDOC-Werts kann durch herkömmliche Sandfilter erreicht werden. Ein großes Optimierungspotential ist erkennbar. Auch wenn sie nicht überall anwendbar ist, könnte die vorgeschlagene Strategie doch in vielen Bereichen zu einer besseren Effektivität biofilmgefährdeter Prozesse, zur Vermeidung von Schäden an Anlagen durch Reinigungs- und Desinfektionsprozesse sowie zur Verringerung der Umweltbelastung durch Biozide führen. Im hier vorgestellten Projekt wurde nachgewiesen, daß das Konzept prinzipiell gut funktioniert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse dieses Vorhabens wurden in der Buchreihe Vom Wasser veröffentlicht. Ferner wurden sie auf der Jahrestagung der Fachgruppe Wasserchemie in der GDCH 1995, auf der IAWQ-Konferenz in Singapur. dem International Symposium on Biodeterioration and Biodegradation in Hamburg sowie auf der International Membrane Science and Technology Conference in Sydney (alle 1996) vorgetragen.


Fazit

Die Nährstoffentnahme als Anti-Fouling-Strategie ist prinzipiell durchführbar und erfolglich.
Der Einsatz von Bioziden zur Bekämpfung von unerwünschten Biofilmen in technischen Systemen kann somit deutlich verringert werden, bzw. es kann auf Biozide vollständig verzichtet werden. Die vorgestellte Strategie zur Vermeidung von Bioziden leistet einen Beitrag zur Verringerung der Schadstoffemission und zeigt einen Weg für den aktiven Umweltschutz.

Übersicht

Fördersumme

100.741,37 €

Förderzeitraum

01.07.1993 - 31.12.1995

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik