Projekt 01610/01

Großtechnische Entwicklung von Verfahren zur einstufigen anaeroben Fermentation von Bioabfällen bei hohen Feststoffgehalten

Projektträger

TuTech Innovation GmbH
Harburger Schloßstr. 6 - 12
21079 Hamburg
Telefon: 040/ 7 66 29 - 6001

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

1. ATF-Verfahren:
Bisher wurden in der Bundesrepublik Deutschland die getrennt gesammelten organischen Küchen- und Gartenabfälle in der Regel der Kompostierung zugeführt. Als Alternative zur alleinigen Kompostierung können Verfahren zur anaeroben Fermentation in Kombination mit einer Nachkompostierung zur Behandlung von organischen Reststoffen eingesetzt werden. Es entsteht dabei speicherbare Energie in Form von Biogas, die für eine weitere Nutzung zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu geht bei der ausschließlichen Kompostierung die Energie als Wärme verloren. Es wurde eine Pilotanlage mit einem Reaktorvolumen von 100 m3 nach dem Verfahren der Anaeroben Trockenfermentation (ATF- Verfahren) erstellt. Ziel war die Erarbeitung von Bemessungsparametern zur Dimensionierung einer großtechnischen Anlage.
2. HGG-Verfahren:
Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Betrieb einer Versuchsanlage im Technikumsmaßstab in den technischen Maßstab.
- Erlangung von Erkenntnissen zu Einflussfaktoren wie Prozesstemperatur, pH-Wert und Eingangsmaterial auf die Prozessstabilität.
- Entwicklung optimaler Prozessführungen mit maximaler Abbaurate und Biogasbildung.
- Sicherstellung der seuchenhygienischen Unbedenklichkeit des Endproduktes. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden im Rahmen des F&E-Projekts Hygienische Untersuchungen zum anaeroben Abbau aus getrennt gesammeltem Biomüll im HGG-Verfahren AZ 05897 (DBU), separat dargestellt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. ATF-Verfahren:
Die erste Phase des Projektes umfasste die Genehmigung, Planung, Konstruktion und den Bau der Anlagenteile. Zudem waren zahlreiche Probleme hinsichtlich des Arbeitsschutzes, des Explosionsschutzes und der Sicherheitstechnik zu lösen. Mit der Inbetriebnahme der ATF-Anlage im August 1994 begann die zweite Projektphase. In den folgenden Monaten konnten aus Bioabfällen Biogas und ein Gärrück-stand, der sich ohne Probleme nachkompostieren ließ, erzeugt werden. Es wurden erste Betriebserfahrungen gesammelt und in Kooperation mit den Firmen Haase Energietechnik und Saxlund verschiedene Maßnahmen zur verfahrenstechnischen Optimierung der Anlage ergriffen.
Im Jahr 1995 war die ATF-Anlage 9 Monate durchgehend in Betrieb. Während dieser Betriebsphase konnten Erkenntnisse über Betriebsparameter gewonnen werden. Gleichzeitig wurden weitere Optimierungen an der Anlagentechnik vorgenommen. Anfang des Jahres 1996 ging die Anlage in den Dauerbetrieb über und wurde unter verschiedenen Betriebsbedingungen untersucht.
2. HGG-Verfahren:
Zur Vergärung von biogenorganischen Abfällen hat die Holsteiner Gas-Gesellschaft mbH (jetzt HGC Hamburg Gas Consult GmbH) eine Pilotanlage zur diskontinuierlichen einstufigen anaeroben Fermentation bei hohen Feststoffgehalten im technischen Maßstab errichtet und über 2 Jahre betrieben. Dabei wurden 2 Fermenter (Module) jeweils zeitversetzt mit Material befüllt, dieses behandelt und entleert. Als Eingangsmaterial wurde im wesentlichen Bioabfall aus getrennter kommunaler Sammlung eingesetzt. Die Pilotanlage hatte einen Durchsatz von bis zu 600 t/a. Innerhalb des Berichtszeitraumes wurden 18 Versuchschargen in 6 Versuchsreihen durchgeführt:
- Probebetriebsphase zur Beseitigung der wesentlichsten technischen Mängel und Bestätigung der im Technikumsmaßstab erzielten Ergebnisse.
- Aerobe Vorbehandlung zur Aufheizung und Hygienisierung des Bioabfalls.
- Animpfung des jeweils gerade in Betrieb genommenen Fermenters durch den schon in der stabilen Methanphase befindlichen.
- Zerkleinerung des Eingangsmaterials.
- Variation des Eingangsmaterials (u. a. Grünschnitt, Obst- und Gemüseabfälle).


Ergebnisse und Diskussion

1. ATF-Verfahren:Beim an der Technischen Universität Hamburg-Harburg entwickelten Verfahren zur Anaeroben Trockenfermentation (ATF-Verfahren) handelt es sich um ein einstufiges Vergärungsverfahren, das mit hohen Feststoffgehalten arbeitet und sich durch eine einfache und kostengünstige Systemtechnik auszeichnet. In dem Reaktor laufen die Prozesse der Hydrolyse, Säure- und Methanbildung simultan ab. Auf die Zugabe von Wasser zu Beginn des Prozesses wird verzichtet, so dass die aufwendige künstliche Entwäs-serung des ausgefaulten Materials (Anaerobmaterial) entfällt. Anstelle einer Durchmischung des Sub-strates im Fermenter wird nur das anfallende Prozesswasser rezirkuliert und auf diese Weise der Stoffaustausch gewährleistet.
Die ATF-Anlage in Hamburg-Bergedorf nahm am 16.08.1994 den Betrieb aufgenommen. Die aufgrund der ersten Betriebserfahrungen durchgeführten Umbaumaßnahmen (insbesondere Austragsaggregate, Prozesswasserkreislauf) führten zu einer deutlichen Optimierung des ATF-Prozesses, so dass ein reibungsloser Dauerbetrieb mit arbeitstäglicher Beschickung und Entnahme realisiert werden konnte. Das Inputmaterial stammte aus der getrennten Sammlung kommunaler Bioabfälle. Während der Betriebsphase 1995 konnte je Tonne zugeführtem, feuchten Bioabfall bei annähernd stationären Verhältnissen mit quasikontinuierlicher Beschickung und Entnahme und einer mittleren Aufenthaltszeit von 42 Tagen eine durchschnittliche Gasproduktionsrate von etwa 70 m3 mit einem Methangehalt von etwa 55 Vol.-% ermittelt werden. Mit dem ATF-Verfahren ließen sich somit Gasproduktionsraten erzielen, die mit denen anderer Verfahren vergleichbar waren. Die Bioabfälle hatten dabei einen mittleren Wassergehalt zwischen 55 und 60 %. Der Gehalt an organischer Trockensubstanz gemessen als Glühverlust des Trockenrückstandes schwankte zwischen 30 und 67 %. Aufgrund der Siedlungsstruktur enthielten die Bioabfälle einen relativ hohen Anteil an Gartenabfällen, was zu starken Schwankungen der Bioabfallzu-sammensetzung führte.
Durch die Optimierung der Austragsaggregate konnten in der Betriebsphase 1996 deutlich kürzere Aufenthaltszeiten erreicht werden. Die mittlere Aufenthaltszeit lag 1996 bei 25 Tagen. Damit sank die Gasproduktion jedoch bezogen auf die Feuchtmasse an zugeführtem Bioabfall auf 45 m³/t FS. Bei Wassergehalten von 55 bis 60 Gew.-% ergibt dies bezogen auf die Trockenmasse eine Größenordnung von etwa 100 m³/t oTS, umgerechnet auf die organische Trockensubstanz liegen die Werte zwischen 220 und 250 m³/toTS zugeführt bei oTS-Gehalten um 45 %TS.
Das ausgefaulte Material konnte ohne Probleme direkt nachkompostiert werden. Während der Nachkompostierung wurde durch eine ausreichende Selbsterhitzung eine sichere Hygienisierung des Materials erreicht. Der entstehende Kompost entsprach dem Rottegrad V und hielt die Anforderungen der Bundesgütegemeinschaft Kompost ein.
Die Vorteile des ATF-Verfahrens werden besonders anhand der niedrigen zu erwartenden Abfallbehandlungskosten bei einer großtechnischen Anlage deutlich. Für eine ATF-Anlage mit einem Jahresdurchsatz von 11.500 Mg je nach Anlagenausführung und Erlössituation werden die spezifischen Abfallbehandlungskosten auf 134.-- bis 173,-- DM pro Tonne angeliefertem Bioabfall geschätzt. Diese Zahlen belegen, dass das ATF-Verfahren gegenüber anderen am Markt befindlichen Vergärungsverfahren konkurrenzfähig ist.
2. HGG-Verfahren:
Beim diskontinuierlichen Betrieb einstufiger anaerober Verfahren ist eine Absenkung des pH-Wertes und somit eine Verzögerung der stabilen Methanbildung ohne äußere Eingriffe unvermeidlich. Im HGG-Verfahren wurde die Startphase durch eine kurze Vorbelüftung und eine anschließende Animpfung durch einen stabilen Fermenter hinsichtlich der Prozessstabilität wesentlich optimiert. Dieses äußerte sich durch eine frühzeitige Initiierung der Methanbildung sowie durch eine Stabilisierung des pH-Wertes bei etwa pH = 7. Die Startphase konnte auf weniger als 3 Tage reduziert werden.
Die Vorbelüftung im Fermenter führte zu einem eigenständigen Anstieg der Temperatur des Inputmaterials bis über 65 °C, so dass bereits hier eine hygenisierende Temperatur vorlag und ein weiteres Aufheizen für den anschließenden termophilen Betrieb nicht mehr notwendig war.
Durch die Optimierung der Startphase konnte die Behandlungszeit soweit verkürzt werden, dass bei einem anaeroben Betrieb von 21 Tagen zuzüglich einer Belüftungszeit von insgesamt einer Woche eine Gesamtverweilzeit von 28 Tagen im Fermenter realisierbar war.
Bei einer mittleren spezifischen Biogasbildung von ca. 60 kg/t Input für alle beschriebenen Versuche konnte ein stabiler Gärrest erzeugt werden. Die höchste spezifische Biogasbildung wurde mit mehr als 100 kg/t Input erreicht. Der Methangehalt des Biogases lag bei ca. 60 Vol.-%.
Der Abbaugrad organischer Trockensubstanz betrug für Bioabfall bei optimierter Verfahrensweise im Mittel 35 Gew.-%. Der höchste Wert von fast 50 Gew.-% bei einer anaeroben Verweilzeit von 42 Tagen schien für den eingesetzten Bioabfall nahezu die Grenze der anaeroben Abbaubarkeit darzustellen.
Der Prozesswassereinsatz für den anaeroben Betrieb betrug 5,5 m3/Charge bzw. 0,3 m3/t Input. Für den eingesetzten Bioabfall ergab sich eine Prozesswasserüberschussmenge von 1,3 m3/Charge bzw. 70 l/t Input. Der kontinuierliche Wiedereinsatz des Prozesswassers war ohne Probleme möglich. Eine Erhöhung der Ammoniumwerte und der Leitfähigkeit durch den Wiedereinsatz war nicht zu beobachten. Die Ammoniumwerte lagen zwischen 1400 bis 2500 mg/l und die mittlere Leitfähigkeit des Prozesswassers betrug 20 bis 23 ms/cm. Die Werte für gelösten Kohlenstoff (DOC) im Prozesswasser wurden in der Regel von anfänglich 7400 bis 14000 mg/l auf einen Plateauwert von 4000 bis 5000 mg/l zum Ende der Versuche reduziert.
Der im HGG-Verfahren erzeugte Gärrest erreichte in der Regel bereits den Rottegrad IV. Nach der anschließenden Mietenkompostierung betrug der Rottegrad immer V. Die notwendige Dauer der Kompostierung nach der anaeroben Fermentation betrug etwa 3 bis 6 Wochen. Die Anforderungen der Bundesgütegemeinschaft Kompost e. V. wurden bis auf Ausnahmen beim Wassergehalt erfüllt.
Im Anschluss an das Forschungsvorhaben wurden in der Versuchsanlage auch Restmüll und Rechengut aus Kläranlagen unter Anwendung des optimierten Verfahrens mit Erfolg behandelt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

1. ATF-Verfahren:
Das Verfahren wird durch die Firma Haase Energietechnik vermarktet und wurde bei einschlägigen Messen und Tagungen präsentiert. Beispielhaft seien genannt: DECHEMA/TUHH Tagung in Hamburg 1994, 51. Informationsgespräch des ANS in Baden-Baden, 1995; Kasseler Abfallforum 1995, IFAT 1996
2. HGG-Verfahren:
Anzeigen in Fachzeitschriften.Präsentation auf Messen und Ausstellungen


Fazit

Im Rahmen des Vorhabens wurde die Betriebsweise und die Verfahrenstechnik der Anlage optimiert, so dass das Verfahren bis zur Marktreife entwickelt werden konnte. Die Betriebserfahrungen zeigen, dass mit der ATF-Anlage bei arbeitstäglicher Beschickung mit organischen Abfällen und Entnahme von ausgefaultem Material ein stabiler Betrieb und somit Entsorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Das Verfahren zeichnet sich durch einfache Handhabung und hohe Betriebssicherheit aus.
Das diskontinuierliche, einstufige HGG-Verfahren zur anaeroben Fermentation organischer Reststoffe konnte im Hinblick auf die großtechnische Anwendung wesentlich optimiert werden.

Übersicht

Fördersumme

1.469.820,49 €

Förderzeitraum

01.05.1993 - 30.04.1996

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik